Das Justizministerium hat die Kritik von Start-Ups am neuen Inkassorecht zurückgewiesen. Diese hatten moniert, dass Vorschriften eines Referentenentwurf ausschließlich dazu dienten, Legal-Tech-Unternehmen zu diskreditieren.
Der Gesetzentwurf zur "Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht", den das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) mit der Bitte um Stellungnahme bis Anfang November an zahlreiche Verbände geschickt hat, schlägt in der Legal-Tech-Szene hohe Wellen. Während das Vorhaben nach den Ausführungen des Ministeriums das Ziel verfolgt, Verbraucher gegen unseriöse Praktiken und hohe Inkassokosten schützen zu wollen, erkennen Legal-Tech-Unternehmen, die teils auch dem Inkassorecht unterliegen, darin einen Angriff auf ihr Geschäftsmodell. Auch von der FDP im Bundestag hagelt es Kritk: Ihr Rechtspolitiker Roman Müller-Böhm sagte gegenüber LTO, durch den Gesetzentwurf würden Legal-Tech-Unternehmen "diskreditiert und gegängelt".
Viele Legal-Tech-Unternehmen arbeiten auf der Grundlage einer Inkassolizenz und unterliegen damit nicht den Beschränkungen des anwaltlichen Berufsrechts. Stein des Anstoßes sind nunmehr im Entwurf vorgesehene Änderungen im Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG), die die Zulassung und Registrierung als Inkassounternehmen betreffen – und diese aus Sicht der Branche erschweren sollen. Für den Bundesverband der Start-Up-Unternehmen, der die Legal-Tech-Branche repräsentiert, dienen eine Reihe der geplanten Änderungen im RDG sogar ausschließlich dazu, "diejenigen Legal-Tech-Unternehmen, die Inkasso für Verbraucher gegen Unternehmen betreiben, ohne verifizierte Datenlage zu diskreditieren und den Aufsichtsbehörden wesensfremde Befugnisse an die Hand zu geben", wie der Verband in einer Stellungnahme schreibt.
BJMV verteidigt Entwurf: "Aufsicht über Inkassounternehmen stärken"
Derweil hält das BMJV sämtliche Vorwürfe des Verbandes für "unzutreffend". Auf LTO-Anfrage teilte eine Sprecherin mit, dass im neuen Gesetz lediglich eine Regelung enthalten sei (§ 13 Abs. 1 S. 4 Nr. 4 Buchst. a RDG-E), die "tatsächlich" einen Legal-Tech-Hintergrund habe. "Nach ihr sollen Personen, die bei einer bestimmten Aufsichtsbehörde eine Registrierung nach dem RDG beantragen, zukünftig angeben müssen, ob sie zuvor bereits bei einer anderen Behörde einen entsprechenden Antrag gestellt haben."
Die Neuregelung erfolge vor dem Hintergrund, dass es nach den Berichten der Aufsichtsbehörden in der Vergangenheit Legal-Tech-Unternehmen gegeben habe, deren Antrag von einer Aufsichtsbehörde abgelehnt worden war, weil ihr Geschäftsmodell nach dem RDG nicht registrierungsfähig sei, und die daraufhin ihren Sitz verlegt haben und den Registrierungsantrag bei einer anderen (ihrer Erwartung nach großzügigeren) Aufsichtsbehörde neu gestellt hätten. Derartige Umgehungen der Aufsichtsstrukturen, so die Ministeriumssprecherin, "sollen zukünftig verhindert werden." Das alles entspreche dem Auftrag, "die Aufsicht über Inkassounternehmen zu stärken".
Auch einen weiteren Vorwurf des Start-Up-Verbandes weist das BMJV zurück: Untersagungsverfügungen, die zukünftig in einer Regelung des Gesetzes (§ 13e Abs. 2 RDG-E) als ausdrückliches Mittel der Aufsichtsbehörden hervorgehoben werden sollen, zielten laut Ministerium nicht darauf ab, Legal-Tech-Unternehmen (insbesondere solche, deren "Zulässigkeit noch nicht höchstrichterlich geklärt sei") zu verbieten. Der Start-Up-Verband hatte in diesem Kontext von einer "eklatanten Einschränkung der Berufsfreiheit" gesprochen.
Gesenkte Anwaltsgebühren
Das BMJV stellte gegenüber LTO klar, dass sich im Grunde durch die neu gefasste Vorschrift an der geltenden Rechtslage nichts ändere: Halte eine Aufsichtsbehörde das Geschäftsmodell eines Legal-Tech-Unternehmens, das eine Inkassoregistrierung begehrt oder bereits erlangt hat, für nach dem RDG nicht genehmigungsfähig, habe sie schon derzeit entweder die Registrierung zu versagen oder das Geschäftsmodell zu unterbinden. Bereits jetzt dürfe sie dafür alle Maßnahmen anwenden, die zur Durchsetzung des RDG erforderlich sind (§ 13a Abs. 2 RDG).
Insoweit komme es immer auf die Rechtsauffassung der Aufsichtsbehörde und nicht darauf an, ob eine Rechtsfrage schon höchstrichterlich entschieden ist, so das BMJV. FDP-Mann Müller-Böhm überzeugt das nicht: "Wenn die Bundesregierung an der Rechtslage nichts ändern möchte, sollte sie die Regelung nicht ändern. Alles andere macht misstrauisch", sagte er gegenüber LTO.
Der Gesetzentwurf soll nach Auswertung sämtlicher Stellungnahmen dem Kabinett zugeleitet werden. Interessant wird dabei auch sein, wie sich die Anwaltsverbände zu den geplanten Änderungen verhalten werden. Schließlich betreffen einige Regelungen auch die Vergütung und die Aufklärungspflichten von Anwälten, die Forderungen einziehen. Um die hohen Inkassokosten insbesondere bei Kleinstforderungen einzudämmen, soll unter anderem die Geschäftsgebühr und die Einigungsgebühr im RVG "angepasst" beziehungsweise gedeckelt oder reduziert werden.
Bei DAV und BRAK dürfte sich der Jubel angesichts gesenkter Anwaltsgebühren in Grenzen halten. Bei beiden Organisationen, hieß es auf LTO-Anfrage, befänden sich die Stellungnahmen allerdings noch "in Arbeit".
Verbraucherschutzreform im Inkassorecht: . In: Legal Tribune Online, 23.10.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/38319 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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