Computer malen, komponieren und übersetzen, ihre Ergebnisse sind von menschlichen Werken kaum zu unterscheiden. Ob die Rechtsordnung ihnen auch einen vergleichbaren rechtlichen Schutz gewährt, erläutern Robert Heine und Julia Schafdecker.
Am 25. Oktober 2018 landete das Auktionshaus Christie's einen Marketing-Coup: Für 432.000 US-Dollar kam in New York der Porträtdruck "Edmond de Belamy" unter den Hammer. Das Bild porträtiert einen Mann, dessen dunkler Anzug und weißer Kragen an einen französischen Kleriker des 18. Jahrhunderts erinnern lassen. Das Besondere: Erstellt wurde es nicht von einem Menschen, sondern von einem Computer. Ungewöhnlich ist auch die Signatur des Werkes: Anstelle einer Künstlersignatur findet sich auf dem Bild ein Algorithmus. Laut Christie's handelte es sich um die weltweit erste größere Auktion eines Kunstwerks, das durch Künstliche Intelligenz (KI) geschaffen wurde.
KI ist eines der großen Buzzwords der aktuellen Technologiedebatte. Geforscht wird in diesem Bereich schon seit mehreren Jahrzehnten. Allgemein geht es bei KI darum, einen Computer so zu programmieren, dass er eigenständig Probleme bearbeiten kann. Herkömmliche Computerprogramme arbeiten ein festes Regelwerk ab, genauer gesagt eine Kette exakt vorgegebener Wenn-Dann-Verknüpfungen. Der Software-Entwickler muss alle Eventualitäten bedenken und dem Computer beim Programmieren der Software entsprechende Anweisungen erteilen. KI soll im Gegensatz dazu selbständig lernen und auch mit Problemen umgehen können, an die der Programmierer zuvor nicht gedacht hat. Damit nähert sich KI der humanen Intelligenz an.
Im Jahr 1950 formulierte der Mathematiker Alan Turing einen bis heute gebräuchlichen methodischen Ansatz für die Feststellung, ob eine Maschine KI aufweist. Im Zuge des "Turing-Tests" kommuniziert eine Testperson mit zwei unsichtbaren Kommunikationspartnern, von denen der eine ein Computerprogramm und der andere ein Mensch ist. Kann die Testperson bei der Kommunikation nicht zwischen Mensch und Maschine unterscheiden, weist das Programm demnach künstliche Intelligenz auf.
Abgrenzung: Ab wann spricht man von KI?
Nach den Maßstäben des Turing-Tests könnte man der Ursprungs-Software des "Edmond de Belamy" Eigenschaften künstlicher Intelligenz zusprechen. Das Bild wirkt wie ein von einem Menschen geschaffenes Original. Sein maschineller Ursprung ist ihm nicht anzusehen. Ein ähnlich beeindruckendes Ergebnis wurde bereits vor der Christie's Auktion im Jahr 2016 im Rahmen des niederländischen Projekts "The Next Rembrandt" erzielt. Ein Team von Programmierern und KI-Experten unternahm umfangreiche Analysen zahlreicher Rembrandt-Porträts aus den Jahren 1630-1640. Auf Basis der so ermittelten Daten und einem Hochleistungs-3D-Drucker ließ das Projektteam eine KI-basierte Software einen "neuen Rembrandt" erschaffen, der den Original-Werken von Rembrandt qualitativ täuschend ähnlich ist.
KI ist dabei nicht auf die Produktion von Bildern beschränkt. Maschinelle Tools für die Sprachübersetzung wie Google Translator oder DeepL haben sich längst einen festen Platz in der Arbeitswelt erobert. Ihre Übersetzungen sind von denen eines menschlichen Übersetzers kaum zu unterscheiden und ihnen in Punkto Schnelligkeit weit überlegen. Auch im Musikbereich ist KI auf dem Vormarsch: So gelang es vor einigen Jahren einem Entwicklerteam, mit Hilfe von KI-Technologie einen völlig neuen Song im Stile eines Beatles Lieds zu generieren. Heute investieren zahlreiche Start-Ups, aber auch große Anbieter wie Google und Spotify auf dem Gebiet KI-basierter Musikkomposition.
KI-Werke: Urheberrechtlich geschützt oder nicht?
Gemälde, Musikwerke und Übersetzungen sind Prototypen urheberrechtlich geschützter Erzeugnisse. Damit liegt die Frage nahe, ob computergenerierte Produktionen wie der "Edmond de Belamy" ebenfalls urheberrechtlichen Werkschutz genießen können. Die Antwort ist ein klares Nein. Urheberrechtlicher Schutz setzt menschliches Schaffen voraus. Unser Urheberrecht ist vom Schöpferprinzip geprägt. Ihm liegt die Vorstellung zugrunde, dass sich gewissermaßen der Genius des Autors in seinen Werken wiederfindet.
Diese anthropozentrische Konzeption des Urheberrechts hat etwa dazu geführt, dass Tiere keinen Urheberrechtsschutz in Anspruch nehmen können, wie etwa in diesem Jahr von einem US-Bundesgericht für das Selfie-Foto eines Affen entschieden wurde. Aus dem gleichen Grunde sind nach allgemeiner Auffassung auch computergenerierte Werke einem Urheberschutz nicht zugänglich. Es fehlt an der für einen Schutz notwendigen "persönlichen geistigen Schöpfung" gem. § 2 Abs. 2 UrhG.
Für die Schutzfähigkeit der hinter den KI-Erzeugnissen stehenden Technologie fällt die Beurteilung differenzierter aus. Computerprogramme können urheberrechtlich schutzfähig sein. Auf der anderen Seite erstreckt sich der Schutz jedoch nicht auf die einem Computerprogramm zugrunde liegenden Ideen und Grundsätze. In dieses Spannungsfeld fallen häufig Algorithmen. Handelt es sich bei dem Algorithmus um eine abstrakte Rechenformel, scheidet Urheberrechtsschutz aus. Der auf dem Christie's-Werk als Signatur angebrachte Algorithmus wäre als solcher daher nicht schutzfähig. Auch ein patentrechtlicher Schutz mathematischer Berechnungsformeln ist regelmäßig ausgeschlossen.
Rechtliche Beurteilung in der Zukunft: Was kommt auf uns zu?
Angesichts dieser rechtlichen Grenzen wird verschiedentlich in Zweifel gezogen, ob das geltende Recht noch passende Lösungen für die aufkommende KI-Technologie bereithält. Für einen stärkeren Immaterialgüterschutz von KI-Erzeugnissen könnte auf den ersten Blick sprechen, dass die Erstellung der KI-Technologie mit hohen Investitionen verbunden sein kann. Ein besserer Schutz der Erzeugnisse kann wichtige Anreize für Unternehmen setzen, diese Investitionen zu unternehmen, und damit gesellschaftlichen Nutzen bringen. Nicht beantwortet wären damit aber die zahlreichen rechtlichen Fragen, die sich bei einer Ausgestaltung des Schutzes im Detail stellen.
So ist schon fraglich, wem die Rechte an KI-Erzeugnisse zustehen sollen. An kreativen Ideen mangelt es in dieser Diskussion nicht. Wie aus einer Science-Fiction-Welt mutet der Vorschlag an, das KI-System selbst mit einer eigenen Rechtspersönlichkeit zu versehen. Der Computer könnte dann selbst etwa über die Konditionen einer Lizenzierung seiner Rechte an Nutzer der Werke entscheiden. Realistischer erscheint es aber, den Programmierer, Verwender oder Investor des KI-System als möglichen Schutzrechtsinhaber in Betracht zu ziehen.
Noch größere Herausforderungen stellen sich bei der Bestimmung der materiellen Schutzvoraussetzungen. Arbeitsweise, Komplexität und Intelligenzgrad der Maschine sind ihren KI-Erzeugnissen nicht unbedingt anzusehen. Angesichts der ständigen Entwicklungen in der Computertechnologie wird es kaum möglich sein, eine Art Standardniveau computergenerierten Schaffens zu bilden, auf dessen Basis die wirklich herausragenden Erzeugnisse mit einem Schutz belohnt werden könnten.
Somit werden Überlegungen über die rechtliche Ausgestaltung eines Immaterialgüterschutzes für KI-Erzeugnisse vor diesem Hintergrund wohl nicht auf einen urheberrechtlichen Werkschutz hinauslaufen, wie ihn die Rechtsordnungen für menschliche Schöpfungen vorsehen. Eher vorstellbar ist eine Ausweitung des bestehenden Schutzes für Datenbanken oder die Einführung eines neuartigen Schutzrechts für KI-Erzeugnisse, das den Erfordernissen der Technologie angepasst ist. Die Diskussion hierüber steht jedoch erst am Anfang.
Dr. Robert Heine, LL.M. (Chicago) ist Partner bei Raue LLP in Berlin. Er ist unter anderem auf das Urheber- und Medienrecht spezialisiert. Julia Schafdecker ist wissenschaftliche Mitarbeitern bei Raue LLP und Doktorandin im Medienrecht.
KI-Kunst unter dem Auktionshammer: . In: Legal Tribune Online, 01.12.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/32455 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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