Ex-Vorstände in Untersuchungshaft, Verdacht auf Geldwäsche und Bilanzbetrug: Der Fall des insolventen Dax-Konzerns Wirecard ist ein Wirtschaftskrimi. Nun soll ein Untersuchungsausschuss des Bundestages klären, wie all das passieren konnte.
Noch in diesem Herbst soll ein Untersuchungsausschuss des Bundestags zum Wirecard-Skandal die Arbeit aufnehmen. "Trotz der vielen Sondersitzungen und trotz der vielen Fragenkataloge hat es die Bundesregierung nicht geschafft, den Fall Wirecard lückenlos und gründlich aufzuarbeiten", sagte der Grünen-Abgeordnete Danyal Bayaz. Seine Fraktion sicherte am Dienstag nach einer zweitägigen Sondersitzung des Finanzausschusses ebenfalls ihre Unterstützung zu - damit können FDP, Linke und Grüne gemeinsam für einen U-Ausschuss stimmen.
Insbesondere der SPD droht damit im heraufziehenden Bundestagswahlkampf Ungemach. Schließlich steht ihr Kanzlerkandidat Olaf Scholz als Finanzminister mit im Fokus des "größten Finanzskandals der Nachkriegsgeschichte", wie der CSU-Abgeordnete Hans Michelbach die Wirecard-Affäre nennt.
Widerstand gegen den Ausschuss war selbst aus den Fraktionen der Regierungsparteien CDU, CSU und SPD nicht zu vernehmen. Es handle sich "um bandenmäßigen Betrug, um höchst kriminelle Handlungen" - aber eben auch um ein Versagen verschiedener staatlicher Institutionen auf unterschiedlichen Ebenen, die den Skandal nicht verhindert hätten, sagte der SPD-Abgeordnete Jens Zimmermann.
Ermittlungen wegen Bandenbetrugs
Im Juni hatte der inzwischen insolvente Zahlungsdienstleister Luftbuchungen von 1,9 Milliarden Euro eingeräumt. Die Münchner Staatsanwaltschaft geht inzwischen davon aus, dass Wirecard seit 2015 Scheingewinne auswies, und ermittelt wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs. Der Schaden für die kreditgebenden Banken und Investoren könnte sich auf 3,2 Milliarden Euro summieren. Drei Ex-Manager des Unternehmens, darunter auch der ehemalige Vorstandschef Markus Braun, sind festgenommen worden.
Wie am Montag zuerst die Süddeutsche Zeitung berichtete, hat die Staatsanwaltschaft beim Amtsgericht München mehrere Arrestbeschlüsse gegen Personen und Firmen erwirkt, die in den angeblichen Betrug bei Wirecard verwickelt sein sollen. Mit den Arrestbeschlüssen wird den Beschuldigten der Zugriff auf ihr Vermögen entzogen. Dem Zeitungsbericht zufolge geht es dabei um 200 Millionen Euro.
Offenbar keine Geldwäscheaufsicht über Wirecard
Klar ist schon jetzt, dass ein Untersuchungsausschuss eine ganze Reihe von Themen aufzuarbeiten haben wird. So stehen Wirecard-Verantwortliche im Verdacht, Geldwäsche betrieben zu haben. Die Anti-Geldwäsche-Einheit des Zolls, die Financial Intelligence Unit (FIU), gab bereits 2019 zwei Verdachtsmeldungen im Zusammenhang mit Wirecard an das Landeskriminalamt Bayern weiter.
Der SPD-Abgeordnete Jens Zimmermann spricht von einer "Smoking Gun", bei der die Staatsanwaltschaft dann aber nicht ausreichend ermittelt habe. Die Staatsanwaltschaft München I wies die Kritik am Dienstag zurück. Es sei "keinesfalls zutreffend", dass Geldwäscheverdachtsmeldungen bei ihr versandet seien. Mittlerweile prüft die FIU 144 Vorgänge im Zusammenhang mit Wirecard
Umstritten ist weiter, wer die Aufsicht wegen möglicher Geldwäsche bei Wirecard hätte führen müssen. Die Bafin war nach Ansicht ihres Chefs Felix Hufeld nur für die Wirecard Bank AG zuständig und hatte den Gesamtkonzern nicht als Finanzholding, sondern als Technologieunternehmen eingestuft. Die bayerischen Behörden wiederum hätten Wirecard nicht als Finanzunternehmen betrachtet und deshalb ebenfalls nicht auf Geldwäsche geprüft, bemängelte der CDU-Abgeordnete Matthias Hauer. "Und das führte dazu, dass keine Geldwäscheaufsicht weitgehend über die Wirecard AG erfolgt ist."
Kritik auch an EY und der Bundesregierung
Der Verdacht auf Bilanzbetrug bei Wirecard lenkt den Blick auch auf die privaten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Diese fallen in den Zuständigkeitsbereich von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Die Wirtschaftsprüfer von EY stehen in der Kritik, weil das Unternehmen die Jahresbilanzen bei Wirecard seit 2009 geprüft und testiert hatte.
Die Bundesregierung wiederum steht im Verdacht, Wirecard-Lobbyisten ein allzu offenes Ohr geschenkt zu haben. Das Unternehmen hatte hochkarätige Fürsprecher für sich gewonnen: Sowohl der Ex-Geheimdienstkoordinator im Kanzleramt, Klaus-Dieter Fritsche, sowie der frühere Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) betrieben Lobbyarbeit für Wirecard.
dpa/ah/LTO-Redaktion
Bilanzskandal bei Wirecard: . In: Legal Tribune Online, 02.09.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42672 (abgerufen am: 14.11.2024 )
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