Wirecard wird beim AG München Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens* stellen. Das teilte der von einem Bilanzskandal geschüttelte Zahlungsdienstleister am Donnerstag mit.
Man habe beschlossen, wegen drohender Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung für die Wirecard AG einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens beim zuständigen Amtsgericht (AG) München zu stellen, teilt Wirecard mit. Es werde geprüft, ob Insolvenzanträge auch für Tochtergesellschaften der Gruppe gestellt werden müssen. Die Wirecard Bank ist nicht Teil des Insolvenzverfahrens; die BaFin hat bereits einen besonderen Vertreter für das Institut bestellt.
Der Zahlungsdienstleiter konnte sich nach eigenen Angaben nicht mit seinen Kreditgebern einigen. So habe die Wahrscheinlichkeit bestanden, dass zum Ende Juni und Anfang Juli Kredite mit einem Gesamtvolumen von 1,3 Milliarden Euro gekündigt werden, teilt Wirecard mit. Der Vorstand sei zu der Auffassung gelangt, dass eine positive Fortführungsprognose in der Kürze der Zeit nicht möglich sei. Damit sei die Fortführungsfähigkeit des Unternehmens nicht gesichert.
Hintergrund des Insolvenzantrags und der Probleme mit den Kreditgebern ist, dass Wirecard vergangenen Woche ein weiteres Mal die Vorlage seiner Jahresbilanz für 2019 verschieben musste, weil die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY (Ernst & Young) kein Testat für die Bilanz ausstellte. Den Prüfern fehlten Belege dafür, dass es 1,9 Milliarden Euro, die das Unternehmen auf Treuhänderkonten bei zwei philippinischen Banken verbucht hatte, tatsächlich gab. In der Nacht zum Montag hatte Wirecard dann eingeräumt, dass die Milliarden "sehr wahrscheinlich nicht existieren". Der Zahlungsdiensteabwickler prüft nun die nachträgliche Korrektur seiner Bilanzen der vergangenen Jahre.
Der Wirecard-Vorstandsvorsitzende Markus Braun war vergangenen Freitag zurückgetreten. Die Staatsanwaltschaft München I wirft ihm vor, womöglich gemeinsam mit weiteren Tätern, die Bilanzsumme und das Umsatzvolumen von Wirecard durch vorgetäuschte Einnahmen aus Geschäften mit sogenannten Third-Party-Acquirern aufgebläht zu haben. Das Verhalten des Beschuldigten begründe den Verdacht der unrichtigen Darstellung jeweils in Tateinheit mit Marktmanipulation in mehreren Fällen gemäß § 331 Handelsgesetzbuch und § 119 Wertpapierhandelsgesetz. Braun ist zwischenzeitlich festgenommen worden; der Haftbefehl wurde aber gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt.
*korrigiert am 1.7.2020, ah/LTO-Redaktion
ah/LTO-Redaktion
mit Material von dpa
Nach Bilanzskandal: . In: Legal Tribune Online, 25.06.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42005 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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