Startschuss für den Wertpapierhandel 2.0: Neues eWpG legt Grund­stein für Kryp­to­wert­pa­pier­re­gister

Gastbeitrag von Dr. Johannes Blassl

03.09.2021

Das eWpG legt den Grundstein für die digitale Ausgabe von Wertpapieren. Ein Schritt nach vorn für blockchainbasierte Assets, der einen Markt für zugehörige Dienstleister schafft, meint Johannes Blassl.

Mit dem am 10. Juni 2021 in Kraft getretenen Gesetz über elektronische Wertpapiere (eWpG) wird in Deutschland erstmals die rein digitale Ausgabe von Wertpapieren ermöglicht, unter anderem auch auf Basis der Blockchain-Technologie. Ein Frankfurter FinTech reichte am 13. August 2021 eine der ersten Absichtsanzeigen zum Führen eines Kryptowertpapierregisters bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ein. Rechtlich begleitet wurde das Unternehmen dabei von einem EY-Law-Team, das auf die finanzaufsichtsrechtliche Beratung im Krypto-Bereich spezialisiert ist.

Der bisherige Wertpapierhandel

Um die gesetzlichen Neuerungen zu verstehen, ist ein kurzer Blick auf die Ausgangslage notwendig:

Der bisherige Wertpapierhandel funktioniert zuverlässig und praxistauglich. Dahinter verbirgt sich jedoch ein aufwendiges und komplexes System, das zwar vom einzelnen Verbraucher in der Regel nicht wahrgenommen wird, aber zu nicht unerheblichen Transaktionskosten und Verzögerungen führt. Auch juristisch ist der bisherige Wertpapierhandel äußerst kompliziert ausgestaltet.

Dies liegt unter anderem an der dafür bislang notwendigen Verwahrung von Wertpapierurkunden, also letztlich von gedruckten, physischen Papierstücken. Es käme zu erheblichen Transaktionshemmnissen, wenn jeder Wertpapierinhaber diese in Papierform zu Hause aufbewahren und sie, im Fall des Verkaufs, tatsächlich an den Käufer übergeben müsste. Daher werden Wertpapiere seit langem hinterlegt und die Eigentumsänderungen können abgebildet werden, ohne dass die Papiere dazu bewegt werden müssen.

Hierzu kommt bislang ein System zum Einsatz, an dem unter anderem Depotbanken, Börsen und ein Zentralverwahrer beteiligt sind. Dieses System ersetzt die - zur Eigentumsübertragung bei Wertpapieren grundsätzlich notwendige - physische Besitzübertragung der Wertpapierurkunde durch elektronische Buchungen.

Die physische Urkunde ist dementsprechend bisher noch ein Kernbestandteil des Wertpapierhandels, hat aber eine vorrangig theoretische Bedeutung. Somit war es naheliegend, dieses Erfordernis durch das neue Gesetz abzuschaffen.

Dies trägt auch zu einer Angleichung des internationalen Wertpapierhandels bei: Während die Entmaterialisierung von Wertpapieren in anderen Jurisdiktionen schon eine geraume Zeit fortschreitet, hielt die deutsche Rechtsordnung bis heute an dem Erfordernis von physischen Wertpapierurkunden fest.

Die gesetzlichen Neuerungen

Das eWpG hat seinen Ursprung unter anderem in der im Sommer 2019 veröffentlichten Blockchain-Strategie der Bundesregierung. Diese Strategie kündigte unter anderem die Öffnung des deutschen Rechts für elektronische Wertpapiere an. Die bisher zwingende urkundliche Verbriefung mancher Wertpapiere ist nun durch das eWpG aufgehoben.

Eingeführt wurden zunächst elektronische Versionen für drei Arten von Wertpapieren: Schuldverschreibungen, Pfandbriefe und Investmentanteilsscheine.

Bedauerlicherweise verharrt der Gesetzgeber hier auf halbem Wege und lässt noch nicht sämtliche Wertpapiere in elektronischer Form zu. Unerfreulich ist dies insbesondere in Bezug auf Aktien, da diese  an den Kapitalmärkten eine erhebliche größere Rolle spielen.

Durch das neue eWpG ist es ab sofort möglich, die oben genannten Wertpapiere rein elektronisch zu begeben, ohne wie bisher eine (Global-)Urkunde in Papierform auszuhändigen. Diese elektronischen Wertpapiere existieren in zwei verschiedenen Formen: als Zentralregister- und als Kryptowertpapiere. Die beiden Arten elektronischer Wertpapiere unterscheiden sich dadurch, dass Zentralregisterwertpapiere in einem „zentralen Register“ und Kryptowertpapiere in einem „Kryptowertpapierregister“ eingetragen werden. Um Letzteres betreiben zu dürfen, ist eine Zustimmung seitens der Bafin nötig.

Das Zentralregisterwertpapier setzt auf die gefestigte Infrastruktur des Wertpapierhandels. Hier wird lediglich die physische (Global-)Urkunde durch einen digitalen Registereintrag ersetzt, womit das Zentralregisterwertpapier eine deutliche Nähe zu den bekannten Formen der girosammelverwahrten Wertpapiere aufweist.

Mit den Kryptowertpapieren, die in einem dezentralen Kryptowertpapierregister gespeichert werden, beschreitet das eWpG hingegen einen vollständig neuen Weg.

Wie das Kryptowertpapierregister funktioniert

Mit den gesetzlichen Neuerungen ist es Unternehmen nun möglich, die Kryptowertpapierregisterführung anzubieten. Es ist davon auszugehen, dass in Kürze erste Unternehmen an den Start gehen und als Infrastrukturanbieter auftreten. Hierzu müssen die Unternehmen ein Register anbieten, das auf einem fälschungssicheren Aufzeichnungssystem fußt, in dem Daten in der richtigen Zeitfolge protokolliert und gegen unbefugte Löschung und nachträgliche Veränderung geschützt, gespeichert werden.

Bei Kryptowertpapieren fehlt es – im Gegensatz zu den Zentralregisterwertpapieren – an einem zentralen System. Dieses wird durch einen dezentralen Zusammenschluss verschiedener Netzwerkteilnehmer ersetzt und etwa mit Hilfe der Blockchain-Technologie betrieben. Damit unterscheidet sich das Register bei Kryptowertpapieren rein konzeptionell von einem Register, das von einem Zentralverwahrer geführt wird. Die Verwaltung und die Fortschreibung eines Kryptowertpapierregisters kann nämlich automatisch und basierend auf Algorithmen erfolgen. Trotzdem bedarf es, aus Gründen des Anlegerschutzes, einer zentralen Instanz beziehungsweise Partei, die die rechtmäßige Kryptowertpapierregisterführung sorgt und auch für deren etwaige Fehler haftet.

Wie geht es weiter?

Der bisher gut funktionierende Wertpapierhandel wird zukünftig ohne physische Urkunden auskommen – dieser Schritt war seit langem überfällig. Spannender ist aber die Frage, ob sich nun weitere Unternehmen an einer Wertpapierhandelsinfrastruktur beteiligen und so an dem sehr hohen Transaktionsvolumen des Wertpapierhandels partizipieren.

Es wird sich zeigen, inwiefern sich solche Anbieter dauerhaft etablieren können. Wünschenswert wäre es jedenfalls, neuen Marktteilnehmern eine faire Chance einzuräumen und sie nicht mit einer unverhältnismäßigen Regulatorik zu konfrontieren, die dazu führt, dass sie ihr Geschäftsmodell am Markt nicht wirklich erproben können.

Selbstverständlich müssen dabei die Eigentümer der Wertpapiere hinreichend geschützt werden. Der Wertpapierhandel in Deutschland ist aber bereits jetzt schon stark reguliert und weist ein hohes Schutzniveau für Anleger auf. Fälle, in denen aufgrund technischer Transaktionsfehler Anlegerverluste eintreten, sind äußerst selten und kommen in Deutschland bislang faktisch nicht vor.

Dr. Johannes Blassl arbeitet in Frankfurt am Main als Rechtsanwalt im Bereich des Bank- und Kapitalmarktrechts. Er berät bei EY Law Banken und Unternehmen zum Einsatz der Blockchain-Technologie im Kapitalmarkt. Außerdem ist er Lehrbeauftragter an der EBS Law School in Wiesbaden für Bankenrecht und Compliance sowie an den Hochschulen Mainz und Fulda für Kapitalmarkt- und Unternehmensrecht.

Zitiervorschlag

Startschuss für den Wertpapierhandel 2.0: . In: Legal Tribune Online, 03.09.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45896 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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