Juristen auf Weltreise: "Wir wollten nicht bis zur Rente warten"

Interview von Dr. Anja Hall

22.05.2018

Während die einen Karriere machen, gehen die Kölner Juristen Vera und Babak auf Weltreise. Sie berichten von einem ungewöhnlichen Frühstück in Laos, einem gesprächigen Uber-Fahrer in Vietnam und was sie nach ihrer Rückkehr planen.

LTO: Ihr seid 33 und 31 Jahre alt und geht damit zu einem Zeitpunkt auf Reisen, wo viele andere beruflich voll durchstarten. Warum ausgerechnet jetzt ein Ausstieg?

Babak M.*: Mit Veras frisch abgelegtem zweitem Staatsexamen und meiner Berufserfahrung hätten wir auch einen klassischeren Weg wählen können: Karriere vorantreiben, Familie gründen und eine Immobilie kaufen. Aber alles hat seine Zeit und wir wollten mit der Weltreise nicht bis zum Rentenalter warten. Ursprünglich wollten wir nämlich schon nach meinem Referendariat vor drei Jahren eine etwas längere Reise unternehmen.

Ich habe dann aber ein Jobangebot von dem Vertriebsrechts-Team von Osborne Clarke erhalten, in dem ich zuvor auch meine Wahlstation absolvierte. Das war natürlich eine Wertschätzung meiner Arbeit, vor allem weil die mündliche Prüfung noch vor mir lag. Das Angebot habe ich dann auch angenommen. Vera konnte kurze Zeit später auch ihr Referendariat beginnen.

Die Umstände damals sprachen deshalb dafür, unsere Reisepläne aufzuschieben. Plötzlich waren drei Jahre vorbei und wir hatten noch immer keine Kinder, keine Immobilie und kein Auto, dafür etwas Geld auf dem Konto und noch immer den Wunsch nach einer Langzeitreise. Es passte jetzt einfach alles zusammen, also erfüllten wir uns diesen Wunsch.

LTO: Wie finanziert ihr denn diese Reise?

Babak: Die Weltreise finanzieren wir aus Ersparnissen, die Vera während ihres Referendariats und ich während meiner Anwaltstätigkeit beiseite gelegt haben. Auf die Finanzen wird natürlich geachtet. Immerhin wollen wir noch bis Ende des Jahres unterwegs sein. Aber wir reisen nicht durch die Welt, um am Ende möglichst wenig Geld ausgegeben zu haben. Wir haben in dem Sinne auch kein Tagesbudget, wie es viele Backpacker haben.

LTO: Wo seid Ihr jetzt gerade?

Vera: Wir sind jetzt in Osaka und haben vier Wochen in Japan verbracht. Vorher waren wir bereits in Vietnam, Kambodscha, Laos, Singapur und auf den Philippinen.

LTO: Und was kommt danach?

Babak: Das nächste Land ist Südkorea. Anschließend geht es nach Kasachstan, Usbekistan, Iran, Indien, Indonesien, Malaysia, Australien, Neuseeland und zu ein paar Inseln im Südpazifik. Wir reisen also gar nicht um die ganze Erdkugel. Wir verbringen lieber an einigen Orten mehr Zeit, anstatt möglichst viele Länder abzuklappern.

Kasachstan und Iran haben wir ausgesucht, weil Vera im heutigen Kasachstan geboren wurde und ich im Iran. Beide Länder sind für uns relativ unbekannt, wir wollen sie besser kennenlernen und unsere Familien besuchen. Und wenn wir schon in der Ecke sind, machen wir vielleicht noch einen Abstecher nach Usbekistan.

"Wir wollen spontan entscheiden"

LTO: Lasst ihr euch treiben, oder habt ihr eure große Reise im Vorfeld komplett geplant?

Vera: Wir haben natürlich einen groben Plan. Aber auf einer so langen Reise lässt es sich kaum sinnvoll langfristig planen und wir würden auch viel an Flexibilität einbüßen, wenn wir alles bis ins Detail durchplanen würden. Von Beginn an wollten wir uns möglichst treiben lassen, spontan entscheiden und Pläne kurzfristig ändern können.

Ursprünglich wollten wir zum Beispiel nach dem Aufenthalt in Singapur noch Ost-Malaysia und Borneo bereisen. Den Plan haben wir aber verworfen. Ost-Malaysia, das sind vor allem Strände und Inseln. Vor Singapur hatten wir bereits drei Wochen Inselleben auf den Philippinen und sehnten uns nach Abwechslung. Also haben wir spontan Tickets nach Tokio gebucht.

LTO: Seid ihr als klassische Backpacker unterwegs?

Babak: Mit unseren großen Rucksäcken und den kleineren Tagesrucksäcken dürften wir aussehen wie klassische Backpacker - falls es diesen Typus überhaupt gibt. Als Fortbewegungsmittel nutzen wir auch größtenteils Busse anstelle von Flügen.
Davon abgesehen sind wir eher nicht die typischen Backpacker. Beispielsweise ist Essen für uns ein besonderer Teil des Reisens. Dafür geben wir auch gerne mehr Geld aus, etwa für Wagyu-Steaks aus Hida und Kobe.

Wir müssen auch nicht mehr wie früher Mehrbettzimmer im Hostel buchen. Stattdessen nehmen wir uns ein Doppelzimmer mit eigenem Bad oder eine Airbnb-Wohnung mit Küche. Ab und an selber zu kochen, das ist für uns mittlerweile ein bisschen Luxus geworden.

Reisebegleiter: Instagram, YouTube und ein Blog

LTO: Man kann Eure Reise auf Sozialen Medien nachverfolgen: Ihr habt einen Blog, macht YouTube-Videos und bespielt einen Instagram-Account. Warum das alles?

Vera: Wir haben mit Instagram vor der Weltreise angefangen, weil wir unsere Reisen mit Familie, Freunden und Fremden teilen wollten. Wir filmen und fotografieren ohnehin viel für uns. Früher verstaubte alles digital auf Festplatten, was wir schade fanden. Heute teilen wir unsere Reisen und bekommen dafür viel positives Feedback, worüber wir uns sehr freuen. Der "kreative" Prozess, Bilder auszuwählen und zu bearbeiten oder Videos zu schneiden und mit Musik zu unterlegen, macht uns zudem viel Spaß.

Der Blog und YouTube-Kanal kamen aus verschiedenen Gründen hinzu. Vor allem wollten wir auf der Weltreise eine für uns sinnvolle Beschäftigung haben, die uns neben dem Reisen auch etwas Struktur gibt. Wir konnten es uns nicht vorstellen, dass nur noch Reisepläne und Mahlzeiten unseren Alltag bestimmen.

Zudem erleben wir eine Masse an Eindrücken, die verarbeitet werden will. Ansonsten verblasst einiges sehr schnell. Indem wir uns einige Wochen oder Monate später noch mal mit dem Material auseinandersetzen und Texte schreiben, können wir die Erinnerungen festigen. Letztlich wird das Material eine schöne Erinnerung für uns sein.

LTO: Könnt Ihr das Reisen noch genießen oder denkt Ihr schon immer an das nächste Posting?

Babak: Reisen und den Moment genießen hat für uns immer Priorität. Wir versuchen es zu vermeiden, unsere Erlebnisse nur durch ein Display wahrzunehmen. Dennoch gehört es für uns wie selbstverständlich dazu, unsere Reisen digital festzuhalten. An den nächsten Beitrag denken wir trotzdem nur bedingt. Unter unseren Fotos ist immer etwas dabei, was wir für den Blog oder Instagram nutzen können. Anders sieht es bei unseren Vlogs auf YouTube aus. Das Material hierfür drehen wir bewusst für diesen Einsatzzweck. Wenn uns aber nicht danach ist, dann lassen wir es auch sein.

Ausbruch aus dem "Kreislauf des Stresses"

LTO: Die Fotos auf Eurem Instagram-Account sehen sehr idyllisch aus, aber es wird doch sicher auch einmal stressig?

Vera: Eigentlich verspüren wir keinen Stress auf unseren Reisen. Warum auch? Ein Grund für die Weltreise war es, aus dem Kreislauf des selbst oder von Dritten produzierten Stresses auszubrechen. Selbst als wir in Tokio erfolglos sieben Unterkünfte abgelaufen sind und um halb zwei Uhr nachts noch immer kein Zimmer hatten, waren wir nicht gestresst. Nur müde. Das „Schlimmste“, was hätte passieren können, wäre eine Nacht in einem sehr teuren Hotel.

LTO: Gab es nicht auch mal gefährliche Situationen?

Vera: Eine wirklich gefährliche Situation haben wir bislang nicht erlebt. Naja, bis auf den Fahrstil vieler als Busfahrer getarnter Rennfahrer in Südostasien, die auch gleich die Gurte in ihren Bussen entfernt haben, wohl um Gewicht einzusparen.

Unsere bisherige Route über Vietnam, Kambodscha, Laos, Singapur und Japan ist auch nicht gerade als Risikogebiet bekannt. Wenn man sich hingegen die Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes zu den Philippinen durchliest, dann wird einem mulmig - zu Unrecht, wie wir finden. Wir waren zwei Mal auf den Philippinen und es ist nie etwas passiert.

Schlange zum Frühstück, Reiswaffel auf Vietnamesisch

LTO: Was wird Euch an positiven Dingen in Erinnerung bleiben?

Babak: In jedem Land haben wir einzigartige Erlebnisse sammeln können.

Da war die zweitätige Wanderung in Laos, inklusive Übernachtung in einem Dorf, wo unsere laotischen Nachbarn zum Frühstück eine Schlange zubereitet haben. Oder die Übernachtung auf einem Boot zwischen Karststeinfelsen in der Lan Ha-Bucht in Vietnam. Die menschenleeren und von Bäumen zurückeroberten Tempelanlagen in Angkor in Kambodscha, die sattgrünen Reisfelder in Batad im Norden der Philippinen und der Blick auf den schneebedeckten Fuji in Japan.

Wir haben auch viele Menschen getroffen, die uns in Erinnerung bleiben werden. Ein Uber-Fahrer in Ho-Chi-Minh-Stadt lud uns auf eine Runde Reiswaffeln ein. Dafür hielt er während der Fahrt an einer Kreuzung und rief eine Straßenverkäuferin ans Auto. Den Rest der Fahrt unterhielt er sich sehr herzlich mit uns auf Vietnamesisch. Wir haben leider kein Wort verstanden.

Ein gebürtiger Singapurer hat sich drei Tage Zeit für uns genommen. Er hat uns zu Sehenswürdigkeiten abseits von Lonely Planet geführt, mit uns in Street-Food-Centern gegessen, die sonst nur von Einheimischen besucht werden, und uns Einblick in den Alltag in Singapur gegeben.

LTO: Was passiert nach Eurer Rückkehr? Habt Ihr schon Pläne?

Vera: Konkrete Pläne haben wir nicht. Kurz vor der Rückreise werden wir unsere Bewerbungsunterlagen aktualisieren und uns auf dem Arbeitsmarkt umschauen. Aktuell gehen wir davon aus, dass es uns beide wohl wieder in die Juristerei ziehen wird. Das wird dann wieder ein neuer Lebensabschnitt sein, auf den wir uns auch freuen werden. Aber bis dahin vergehen noch einige Tage, die wir voll auskosten werden.

Vera und Babak sind zwei Kölner Juristen und im Januar 2018 zu einer Reise aufgebrochen, die sie in einem Jahr durch 13 Länder führen wird. Auf ihrem Blog Memoryhunters.de berichten sie über ihre Erlebnisse.

Die Fragen stellte Anja Hall

* Auf eindringliche Bitten der beiden Reisenden hin haben wir uns dazu entschlossen, ausnahmsweise nachträglich ihre Nachnamen abzukürzen. (LTO-Redaktion, 5.12.2018, 11:20 Uhr)

Zitiervorschlag

Anja Hall, Juristen auf Weltreise: . In: Legal Tribune Online, 22.05.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/28555 (abgerufen am: 15.11.2024 )

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