Wenn sich der Managing Partner eine Nikolausmütze aufsetzt und "Oh Tannenbaum " schmettert, wenn Glühweinduft durch die Kanzleiräume zieht, dann weiß der Großkanzlei-Anwalt: Jetzt beginnt die Weihnachtsfeier. LTO hat sich umgehört, wie in deutschen Sozietäten gefeiert wird.
Anwälte sind Arbeitstiere. Doch auch in den größten Wirtschaftskanzleien kehrt mit der Adventszeit ein wenig Besinnlichkeit ein. Und mit jeder Stunde, die geschuftet wird, um bis zum Jahresende noch Firmen-Fusionen oder –Übernahmen unter Dach und Fach zu bringen, steigt die Vorfreude auf die Kanzlei-Weihnachtsfeier. Wer vergangenen Freitagnachmittag am Düsseldorfer Standort von Heuking Kühn Lüer Wojtek vorbeigekommen ist und einen Blick ins Foyer riskiert hat, dürfte sich wohl die Augen gerieben haben.
Menschen im Business-Outfit haben Hirschgeweihe, Nikolausmützen und Heiligenscheine aus Plüsch auf dem Kopf und singen lauthals "Alle Jahre wieder", "Ihr Kinderlein kommet" und "Jingle Bells". Allen voran Managing Partner Dr. Andreas Urban und Kanzleigründer Dr. Wolfgang Kühn. Es ist der Auftakt der Weihnachtsfeier.
Im Innenhof des Kanzleigebäudes ist für die Heuking-Mitarbeiter ein Weihnachtsmarkt aufgebaut worden. Es gibt Büdchen mit Lachs, Poffertjes und Glühwein, und wem das nicht reicht, der kann sich an einem Buffet bedienen. Ein DJ sorgt für Musik, und es soll bis in die frühen Morgenstunden heftig getanzt worden sein. Highlight des Abends ist ein Skisprung-Simulator, auf dem sich – so war zu hören – auch der Managing Partner versucht hat. Wie Raoul Hamacher, PR-Manager der Kanzlei, berichtet, gibt es jedes Jahr einen kleinen sportlichen Wettbewerb. "Letztes Jahr haben wir Eisstockschießen gemacht."
Englische Lieder, griechische Gedichte
Zur gleichen Zeit in Frankfurt. Bei Freshfields Bruckhaus Deringer ist nur noch der Empfang besetzt. Fast alle Mitarbeiter des Büros sind im Gesellschaftshaus des Palmengartens, wo die Weihnachtsfeier stattfindet. Bei Freshfields geht es etwas förmlicher zu als bei Heuking. Die Mitarbeiter sitzen an festlich geschmückten Tischen unter riesigen Kronleuchtern, es werden Weihnachtsreden gehalten und der kanzleieigene Chor singt Songs wie "Winter Wonderland", dann ein Stück aus dem Soundtrack des Animationsfilms "The Snowman" und "Am Weihnachtsbaum die Lichter brennen".
Dass Freshfields eine durch und durch internationale Kanzlei ist, zeigt sich nicht nur an der Wahl der Weihnachtslieder. Christoph Tillmanns, Leiter Marketing und Kommunikation, erzählt von einer kleinen Tradition am Standort: Ausländische Mitarbeiter tragen ein Weihnachtsgedicht in ihrer Landessprache vor, das dann auf Deutsch oder Englisch übersetzt wird. "Diesmal waren es ein griechisches und ein russisches Gedicht", sagt Tillmanns.
Nicht jeder Freshfields-Standort veranstaltet eine so pompöse Feier wie die Frankfurter. Die Kölner Belegschaft etwa trifft man in einem kultigen Veranstaltungssaal beim Hauptbahnhof an, in dem sonst auch 80er-Jahre-Partys stattfinden. Eine Live-Band spielt, es wird gegessen und getanzt. Für die Kölner Heuking-Mitarbeiter wiederum gibt es eine Architekturführung und anschließendes Abendessen. Und der Münchner Standort feiert in diesem Jahr unter dem Motto "Poetry Slam".
Wunschbäume und Spenden
Anwälten geht es nur ums Geld, lautet das Klischee. Aber gerade die Vorweihnachtszeit nutzen viele Kanzleien für Charity-Aktionen. Wie bei den meisten großen angelsächsischen Sozietäten ist auch bei Freshfields die Wohltätigkeit bestens organisiert. Die Kanzlei hat in Deutschland ein eigenes Corporate-Responsibility-Team, das mit Obdachlosen- und Flüchtlingsorganisationen sowie Kinderheimen zusammenarbeitet und beispielsweise gemeinsame Weihnachtsfeiern organisiert.
Außerdem hat jeder Standort, wie Christoph Tillmanns berichtet, mindestens eine Charity-Aktion, beispielsweise den "Wunschbaum". Das ist ein Weihnachtsbaum, der am Empfang steht. Kinder aus dem Hilfsprojekt Die Arche oder aus Frauenhäusern dürfen Wünsche auf einen Zettel schreiben und an den Baum hängen. Jeder Mitarbeiter kann einen Zettel abnehmen und das Geschenk für die Kinder besorgen, zum Beispiel einen Teddybären oder ein Spielzeugauto.
Bei Heuking gibt es kein Team, das Charity-Aktionen organisiert. Doch viele der Partner haben eigene Initiativen ins Leben gerufen. Etwa spendet die Vergaberechtlerin Dr. Ute Jasper das Geld, das sie und ihr Team ansonsten für Weihnachtskarten und Präsente an die Mandanten ausgeben, an ein Heim für behinderte Kinder in Litauen, das damit Rollatoren und Spezialstühle anschaffen konnte. Anstelle der üblichen Weihnachtsgrüße versendet die Anwältin per Email ein Video, das die Kinder zeigt, wie sie im Foyer des Heims die Geschenke ausprobieren und in Rollstühlen und an Krücken durch die Sporthalle flitzen.
Weihnachtsfeier für jede Zielgruppe
Anwälte sind konservativ und halten an Althergebrachtem fest, lautet das Klischee. Manchmal erfinden sie allerdings neue Traditionen. So etwa Gleiss Lutz. Zwar gibt es auch in der Kanzlei große Weihnachtsfeiern für alle Mitarbeiter - in Frankfurt beispielsweise in der Alten Oper -, und viele Standorte pflegen die Tradition eines gemeinsamen Weihnachtsessens aller Juristen.
Aber speziell für den begehrten juristischen Nachwuchs hat man sich etwas Neues einfallen lassen: "Seit dem letzten Jahr veranstalten wir für Referendare, wissenschaftliche Mitarbeiter und Doktoranden im Großraum Frankfurt den Gleiss Lutz-Weihnachtsmarkt", erzählt Dr. Alexander Schwarz, personalverantwortlicher Partner der Kanzlei. Vor dem Frankfurter Büro gebe es Glühwein und leckeres Essen, der Kanzlei-Weihnachtsmarkt in entspannter vorweihnachtlicher Atmosphäre sei bei den Gleiss-Anwälten und den jungen Juristen sehr beliebt. Anwälte mögen Arbeitstiere sein. Das bedeutet aber nicht, dass sie nicht auch gerne feiern.
Anja Hall, Weihnachten in der Großkanzlei: . In: Legal Tribune Online, 18.12.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14158 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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