Wer aus der Großkanzlei in ein Unternehmen wechseln will, steht vor ganz neuen Aufgaben. Und muss sich fragen: Wann ist der richtige Zeitpunkt? Verdiene ich wirklich so viel weniger? Die Geschichte von einem, der alles richtig gemacht hat.
Der Lebenslauf von Patrick Buse liest sich wie der Anfang einer mustergültigen Großkanzlei-Karriere: Nach ersten Stationen bei Mayer Brown und Freshfields Bruckhaus Deringer noch während des Studiums folgte der Berufseinstieg bei Allen & Overy. Nach rund drei Jahren dort war eigentlich alles in bester Ordnung. Doch Buse hatte das Gefühl, "dass mir ein Wechsel guttun würde", wie er sagt. Der Gesellschaftsrechtler hängte die Kanzlei-Laufbahn an den Nagel und wechselte in die deutsche Rechtsabteilung der Brauerei Anheuser-Busch InBev, wo er inzwischen seit gut zwei Jahren arbeitet.
Begleitete er früher vor allem Unternehmenstransaktionen oder Umwandlungsmaßnahmen, bezeichnet er sich heute als "rechtliche Allzweckwaffe". Er und seine beiden Kollegen in der deutschen Rechtsabteilung des internationalen Brauereikonzerns begleiten sowohl Großprojekte als auch das Alltagsgeschäft – und dies bei allen rechtlichen Fragestellungen. Schwerpunkte hat Buse gleichwohl: im Kartellrecht, bei der Beratung zu Marketing-Themen und Fragen der Lebensmittelkennzeichnung. Und natürlich bringt er seine früheren Erfahrungen im M&A und Gesellschaftsrecht ein, wenn nötig.
Die meisten wechseln nach drei Jahren
Mit seinem Wechsel nach drei Kanzleijahren liegt Buse im Durchschnitt. "Früher galt die Faustformel, dass man am besten nach fünf bis sechs Jahren von der Kanzlei in ein Unternehmen gehen sollte", sagt Kathrin von Hardenberg, Gründerin der Personalberatung Indigo Headhunters, im Gespräch mit LTO. Heute werde zumeist aber schon nach drei bis vier Jahren gewechselt. "Das ist aus Sicht der Rechtsabteilung der beste Augenblick", so von Hardenberg. Denn dann habe der Associate seine Grundausbildung abgeschlossen und könne selbstständig arbeiten.
Auch Patrick Buse sagt im Rückblick, dass sein Wechsel für ihn genau zum richtigen Zeitpunkt kam. "Durch die Kanzlei habe ich viele Erfahrungen sammeln können, ein professionelles internationales Netzwerk aufgebaut und zudem einen Vollgas-Einstieg ins Berufsleben als Rechtsanwalt gehabt." Noch heute profitiere er sehr von dem, was er dort gelernt habe.
Mit Buses beruflichem Wechsel gingen auch private Änderungen einher: Der Jurist wechselte den Wohnort und sein Sohn wurde in dieser Zeit geboren. Das Risiko einzugehen, sowohl privates als auch berufliches Lebens gleichzeitig neu zu fokussieren, habe sich sehr gelohnt, findet er. "Dass die Work-Life-Balance und Flexibilität im Unternehmen natürlich attraktiver ist als in internationalen Wirtschaftskanzleien, bedarf vermutlich keiner gesonderten weiteren Erwähnung", fügt er hinzu.
Kanzleititel sind nicht so wichtig
Für Patrick Buse mag der Zeitpunkt seines Jobwechsels perfekt gewesen sein. Aber Kathrin von Hardenberg stellt immer wieder fest, dass viele Associates einen Wechsel nach drei bis vier Jahren für zu früh halten. Weil sie noch "einen Haken an einige Themen machen wollen", so von Hardenberg, und etwa die Beförderung zum Senior Associate oder Managing Associate mitnehmen möchten.
Von Hardenberg rät allerdings davon ab, nur wegen einer anstehenden Beförderung in der Kanzlei zu bleiben. "Wer wechseln will, sollte die Chance ergreifen, wenn sie da ist", sagt die Headhunterin. Ihrer Erfahrung nach ist es aus Unternehmenssicht zudem eher weniger wichtig, ob ein Bewerber Senior Associate ist oder nicht. Eine ähnliche Erfahrung hat auch Patrick Buse gemacht: "Diese Kanzleititel sind nicht so relevant wie tatsächliches Knowhow und ein Verständnis von Bedürfnissen eines Unternehmens", meint er.
Eine Personalabteilung könne mit den Begrifflichkeiten aus der Kanzleiwelt oft wenig anfangen, gibt von Hardenberg zu Bedenken. Rechtsabteilungsleiter wüssten hingegen, dass die Frage, ob jemand befördert wird, nicht unbedingt vom Können abhängt, sondern meist nur von den Jahren der Kanzleizugehörigkeit. "Der Titel des Senior Associate ist nicht unbedingt ein Qualitätsstempel", sagt von Hardenberg. "Innerhalb der Kanzleiwelt sind solche Titel wichtig, außerhalb aber eher unwichtig."
Weniger Geld, mehr Bezug zum Geschäft
Noch ein Argument, das dafürspricht, lieber früher als später zu wechseln: die Gehaltsschere. Bekanntlich zahlen Top-Kanzleien ihren Berufsanfängern Gehälter, die in so manch einem Unternehmen nicht einmal ein langgedienter Abteilungsleiter erhält: Summen zwischen 100.000 und 120.000 Euro haben sich bei internationalen Großkanzleien inzwischen fast schon als Standardgehalt eingependelt.
Von Hardenberg zufolge sollten Wechsler aus diesen Kanzleien mit Gehaltseinbußen rechnen. "Es ist unglaublich schwer, sich nicht zu verschlechtern. Aber es wird immer schlimmer, je länger man wartet", sagt sie. Denn wer erst nach sieben bis acht Berufsjahren aus der Kanzlei in eine Rechtsabteilung wechsele, müsse durchschnittlich mit rund 30 bis 40 Prozent weniger Gehalt auskommen.
Auch Patrick Buse verdient bei seinem neuen Arbeitgeber weniger als zuvor. Aber er sagt, dass er sich über sein heutiges Gehalt nicht beschweren könne. "Ich glaube nicht, dass Geld das einzige Bindungselement sein kann, wenn man motivierte Arbeitnehmer haben möchte", meint er. Er spricht von mehr Entscheidungsbefugnissen, einem höheren Maß an Eigenverantwortlichkeit, vielfältigen Tätigkeiten und der Möglichkeit, direkt auf geschäftliche Entwicklungen Einfluss zu nehmen. All das wiegt für ihn das etwas geringere Gehalt auf, sagt er. Zudem gebe es auch im Unternehmen Entwicklungsmöglichkeiten, die Gehaltssprünge möglich machten.
Mehr Pragmatismus, weniger Savigny
Auch von Hardenberg beobachtet, dass viele Rechtsanwälte, die aus der Kanzlei in ein Unternehmen wechseln, die Gehaltseinbußen nicht so schwernehmen. Meist ist es ihnen wichtiger, dass sie Familie und Beruf besser vereinbaren können. "Viele Juristen wollen auch stärker an die unternehmerischen Entscheidungen heranrücken", sagt sie. Externe Rechtsberater würden in der Regel erst spät zu Rate gezogen, während Inhousejuristen beispielsweise einen M&A-Deal von Anfang bis Ende begleiten könnten. Wieder anderen sei klar, dass ihnen das "Akquise-Gen" fehle und sie deshalb wohl keine Chance auf eine Partnerschaft in ihrer Kanzlei hätten. Dann wechselten sie lieber gleich in ein Unternehmen.
Allerdings – das fällt von Hardenberg immer wieder auf – wissen die meisten nicht, was im Unternehmen auf sie zukommt. Auch Patrick Buse sagt, dass sich die Arbeitsweisen in Kanzlei und Rechtsabteilung erheblich unterscheiden: "Meine internen Kunden interessieren sich nicht für rechtliche Erwägungen von Jhering bis Savigny", sagt er. Vielmehr möchten sie Antwort auf die Frage: Was geht und was nicht? "Da ist manchmal mehr Pragmatik gefragt als in der Kanzlei."
Buse hat sich bereits in den Vorstellungsgesprächen genau erkundigt, was die Rechtsabteilung im Tagesgeschäft macht. Dies empfiehlt auch von Hardenberg wechselwilligen Juristen: "Fragen Sie nach dem Arbeitsalltag und sprechen Sie möglichst auch mit anderen Wechslern."
Von der Kanzlei in die Rechtsabteilung: . In: Legal Tribune Online, 08.01.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/39569 (abgerufen am: 16.11.2024 )
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