Mehr Wettbewerbsdruck im Rechtsmarkt und eine Belebung für das M&A-Geschäft? Womit rechnen Kanzleien nach dem klaren Wahlsieg von Donald Trump? LTO hat erste Stimmen und Einschätzungen.
Es ist vorbei. Der US-Wahlkampf war lang und laut – ein Großteil aller nur denkbaren roten Linien im zwischenmenschlichen Umgang darf als erreicht oder überschritten gelten. Das Wahlergebnis ist unerwartet klar, ein juristisches Nachspiel nicht zu erwarten. Donald Trump wird nach 2016 zum zweiten Mal US-Präsident, die republikanische Partei hält zudem künftig eine Mehrheit im Senat.
Trumps Interpretation von internationaler Zusammenarbeit und Handel ist bekannt – und nicht nur in Deutschland gefürchtet. Wie blicken Wirtschaftskanzleien auf das was jetzt kommt und wie stellen sie sich auf? Wo entsteht auf absehbare Zeit neuer Beratungsbedarf? Welche Branchen werden von politischer Zuwendung profitieren und wo ist möglicherweise eine stärkere Regulierung zu erwarten?
Was jetzt intern diskutiert wird, dürfte nicht nur für Marktbeobachter, sondern auch für (potenzielle) Mandanten von Interesse sein. Man weiß schließlich gern, welche Annahmen und Schlussfolgerungen einer Beratung zugrunde liegen.
LTO hat mehr als 40 international ausgerichtete Kanzleien um eine Einschätzung zu den Auswirkungen der US-Wahl auf die Geschäftsentwicklung, den Rechtsmarkt und zur Erwartungshaltung für die kommenden Jahre gebeten. Das Gros der Kanzleien wollte sich dieses Mal lieber nicht äußern oder kommentiert politische Ereignisse grundsätzlich nicht. Hier sind die O-Töne der wenigen Ausnahmen.
Belebung im Transaktionsgeschäft und bei Restrukturierungen
Rick van Aerssen (Global Managing Partner bei Freshfields): “Man kann zum Wahlausgang stehen, wie man will, aber es ist in jedem Fall gut, dass jetzt eine große Unbekannte aus der Gleichung weggefallen ist. Das alleine wird sich positiv auf das Transaktionsgeschäft auswirken auch und gerade im Hinblick auf die USA, wo wir ja eine starke Präsenz haben. Durch die angekündigten hohen Zölle wird das sicherlich noch einmal verstärkt, gerade in der Automobil-, Konsumgüter- und auch Investitionsgüterindustrie, da es dort jetzt sehr viel attraktiver wird, vor Ort in den USA zu produzieren. Das heißt für uns: Man begleitet dann mehr Direktinvestitionen sowohl für das organische Wachstum als auch durch M&A.”
Dr. Martin Vorsmann (Managing Partner bei CMS Deutschland): "Kurzfristig erwarte ich keine deutlich spürbaren Auswirkungen des Wahlausgangs. Mittel- und langfristig werden außenhandels- und zollrechtliche Fragen an Bedeutung gewinnen. Wenn die verkündeten außenwirtschaftspolitischen Pläne der Republikaner umgesetzt werden, wäre das in Deutschland sicher nicht konjunkturfördernd, zumal der Außenhandel mit den USA in der jüngeren Vergangenheit immer wichtiger geworden ist. In der Rechtsberatung sehen wir dann aber häufig Gegeneffekte und erhöhten Beratungsbedarf bei der Anpassung an die veränderten Umstände, Stichwort: Restrukturierung u.ä.. Die spannende und m.E. noch nicht entschiedene Frage ist, ob die derzeitigen weltpolitischen Volatilitäten in eine komplette Neuordnung der Weltwirtschaft münden, oder ob es bei – wenngleich womöglich tiefgreifenden – Anpassungen innerhalb des bestehenden Systems bleiben wird."
M&A: Ende der Unsicherheit?
Dr. Marc Seeger (Partner bei Bird & Bird): “In den letzten Wochen und Monaten vor der US-Wahl haben wir beobachtet, dass weniger M&A-Verkaufsprozesse gestartet wurden. Wir denken, dass dies daran lag, dass Verkäufer in Deutschland skeptisch waren, ob potentielle Käufer in den USA vor dem Hintergrund der mit der Wahl verbundenen Unsicherheiten bereit waren, sich Targets in Deutschland anzuschauen. Wir gehen deswegen davon aus, dass in den kommenden Wochen und insbesondere im ersten Quartal 2025 ungewöhnliche viele M&A-Targets auf den Markt kommen werden und der weiterhin zurückhaltende M&A-Markt deutlich anzieht.”
Dr. Detlef Haß (Managing Partner Germany bei Hogan Lovells): “Der Beratungsbedarf unserer Mandanten wird nicht durch ein Wahlergebnis bestimmt. Große Treiber sind Themen wie Digitalisierung und KI sowie Energie Transition; auch die Globalisierung wird in modifizierter Form fortgeschrieben werden. Sich darauf einzustellen und in diesen Rahmenbedingungen das Geschäftsmodell weiterzuentwickeln – das sind die zukünftigen Aufgaben. Je nach Industrie stellen sie sich in anderer Form dar, auch abhängig davon, wie global oder regional ein Unternehmen aufgestellt ist. Wir sehen es am Beispiel der deutschen Automobilindustrie, wie sie auf Zölle und Subventionen und auch auf regulatorische Freiräume für innovative Maßnahmen, wie zum Beispiel autonomes Fahren, reagiert.”
Mehr Wettbewerbsdruck im deutschen Rechtsmarkt?
Alexander Roth (Partner und Co-Head bei Taylor Wessing in San Francisco): "Positiv ist, dass es ein relativ klares Ergebnis ist, das wenig Anlass zu Kontroverse gibt und damit für alle Marktteilnehmer schneller Planungssicherheit schafft. Die Agenda Trump steht für eine Stärkung der US-Wirtschaft, insbesondere durch Verringerung von Regulierung und Senkung von Steuern unter Verstärkung protektionistischer Tendenzen, insbesondere durch Zolltarife. Wenn es Trump gelingt, den Verlust von Steueraufkommen und die Erhöhung von Zolltarifen so zu moderieren, dass sich die Inflation in den USA in Grenzen hält und nicht zur Gefahr derzeit geplanter Leitzinssenkungen wird, dann sollte die US Wirtschaft in naher Zukunft kräftig expandieren.
Wir würden uns von einer stark expandierenden US Wirtschaft für den deutschen Rechtsmarkt positive Impulse versprechen. Unklar ist zur Zeit, ob diese Impulse durch die wirtschaftlichen Nachteile dieser US-Politik für den Standort Deutschland aufgezehrt werden würden. Außerdem dürften prosperierende US-Kanzleien den Wettbewerbsdruck im deutschen Rechtsmarkt eher verschärfen. Wir rechnen mit einer Zunahme des Beratungsbedarfs bei grenzüberschreitenden Transaktionen. Angesichts der protektionistischen Tendenzen und der zunehmenden Bedeutung des Schutzes nationaler Interessen und der Wechselwirkungen einer solchen Politik, erwarten wir hierzulande eine Zunahme an Komplexität bei entsprechend höherem Beratungsbedarf im Bereich der regulatorischen und ggf. auch streitigen Beratung, insbesondere im Außenwirtschaftsrecht."
Dr. Anke Meier (Partnerin und Leiterin der Praxisgruppe Arbitration bei Noerr): “Die nächste Trump Administration wird für die deutsche Wirtschaft vermutlich einige unangenehme Wendungen bringen. Es sind ein steigender Protektionismus, Handelszölle und eine generell ungemütlichere Zusammenarbeit zu erwarten. Die großen Risikofelder für nicht-amerikanische Unternehmen, die im U.S. Markt tätig sind, bleiben aber unverändert: eine aggressive, klägerfreundliche Streitkultur vor Gericht mit hohem Haftungspotential. Hier ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass sich das Mindset der Richter und Juries nochmal mehr gegen den nicht-amerikanischen Marktteilnehmer richten."
Matthias Amberg (Partner bei Rödl & Partner in Chicago): “Unter der Präsidentschaft von Donald Trump sind steuerliche Änderungen zu erwarten. Die USA werden voraussichtlich den bestehenden Protektionismus intensivieren, was sich unter anderem in höheren Zöllen auf Importe ausdrücken könnte. Trump plant, die Zölle für Importe auf 10 bis 20 % und für chinesische Waren auf 60 % zu erhöhen. Gleichzeitig plant Trump, eine Deregulierung von Vorschriften für Unternehmen, und eine weitere Senkung der Unternehmenssteuer, zunächst von 21 % auf 20 % und eventuell auf bis zu 15 % für in den USA produzierende Unternehmen. Auch für natürliche Personen sind Steuererleichterungen vorgesehen, einschließlich der Reduzierung des Spitzensteuersatzes von 37 % auf 33 %. Insgesamt könnte dies ein positiveres Steuerklima schaffen, das sowohl Unternehmen als auch Einzelpersonen zugutekommt. Diese Veränderungen würden besonders vorteilhaft sein für Unternehmen, die in den USA ansässig sind, jedoch weniger für Unternehmen, die nur in die USA exportieren.”
Geschäftsentwicklung, Beratungsbedarf, Rechtsmarkt: . In: Legal Tribune Online, 06.11.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55800 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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