Bekannte Steuerrechtler sollen sich am Donnerstag beim Cum-Ex-Untersuchungsausschuss zu ihrer Rolle bei den Deals äußern. Auf der Zeugenliste: Hanno Berger, Kai-Uwe Steck und Freshfields-Anwalt Ulf Johannemann.
Insgesamt neun Zeugen hat der Cum-Ex-Untersuchungsausschuss für Donnerstagnachmittag in das Paul-Löbe-Haus in Berlin geladen. Ziel sei es herausfinden, wie die Abläufe konkret aussahen, mit denen Berater, Banken und vermögende Kunden die umstrittenen Aktiengeschäfte abwickelten, heißt es aus dem Ausschuss.
Als erste sollen Freshfields Bruckhaus Deringer-Partner Dr. Ulf Johannemann und der ehemalige Freshfields-Anwalt Thomas Wiesenbart vernommen werden. Die Kanzlei hatte nach Angaben aus dem Ausschuss Gutachten oder Rechtsbewertungen zu Cum-Ex-Fällen erstellt, die dem Gremium selbst aber nicht vorliegen.
Freshfields-Steuerrechtler Johannemann soll aussagen
Freshfields soll das Modell demnach zunächst als grundsätzlich unbedenklich eingestuft haben, später aber zurückgerudert sein. In einem Gutachten für die ebenfalls in die Geschäfte verwickelte Bank J. Safra Sarasin vom März 2013 heißt es, dass man "unter Berücksichtigung der allgemeinen Atmosphäre, die sich vermutlich auch auf die fachliche Analyse auswirken wird" eine Steuererstattung "für eher unwahrscheinlich" halte.
Wiesenbart ist heute nicht mehr für Freshfields tätig, er war 2013 aus Altersgründen aus der Kanzlei ausgeschieden. Johannemann ist im Juni dieses Jahres zum neuen globalen Leiter der Praxisgruppe Steuerrecht der Sozietät ernannt worden.
Ebenso Hanno Berger und Kai-Uwe Steck
Ebenfalls geladen sind die beiden Steuerrechtler Dr. Hanno Berger und Dr. Kai-Uwe Steck, die viele Jahre lang Kunden bei der Steuergestaltung berieten – u.a. in der gemeinsamen Steuerrechtskanzlei Berger Steck & Kollegen, die im Jahr 2013 abgewickelt wurde.
Bis 2010 arbeiteten Berger und Steck bei der inzwischen insolventen Kanzlei Dewey & Le Boeuf, deren deutscher Managing Partner Berger über sechs Jahre war. Der Branchenverlag Juve schrieb 2010 im Zusammenhang mit dem Ausstieg Bergers bei Dewey, er gelte "nicht nur als einer der umsatzstärksten deutschen Wirtschaftsanwälte überhaupt, sondern auch als der profilierteste deutsche Anwalt für Steuer- und Finanzprodukte".
Berger lebt inzwischen in der Schweiz. Verschiedenen Medienberichten zufolge wird gegen ihn im Zusammenhang mit den Cum-Ex-Deals staatsanwaltschaftlich ermittelt. Auf Anfrage von LTO äußerte sich die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt nicht, ob tatsächlich gegen Berger ermittelt werde und falls ja, wie der Stand der Ermittlungen sei. Die Generalstaatsanwalt teilte lediglich mit, "dass in sämtlichen bei der Eingreifreserve geführten Verfahrenskomplexen, die Ermittlungen wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit sog. 'Cum Ex'-Geschäften zum Gegenstand haben, die Ermittlungen noch andauern".*
Steck wechselte 2013 mit einem großen Team von Berger Steck & Kollegen zu Heuking Kühn Lüer Wojtek, verließ die Kanzlei aber im Sommer dieses Jahres wieder.
*Anm.d.Red., 25.11.2016, 11:00: In der am 22.11. veröffentlichten Version des Artikels hieß es zunächst, die Generalstaatsanwaltschaft habe mitgeteilt, dass alle Ermittlungen - auch gegen Berger - noch andauern. Tatsächlich hatte die Behörde aber keine Namen von Beschuldigten genannt.
2/2: Mehr Steuern erstattet als eingenommen
Im bisherigen Verlauf der Zeugenvernehmungen habe der Name Berger immer wieder eine Rolle gespielt, er soll einer der treibenden Kräfte hinter den Cum-Ex-Gestaltungsmodellen gewesen sein, heißt es aus dem Ausschuss. Hintergrund der umstrittenen Deals ist die Besteuerung von Dividenden: Bei den Geschäften geht es um den raschen Kauf und Verkauf von Aktien mit (cum) und ohne (ex) Dividendenanspruch rund um den Stichtag, an dem börsennotierte Unternehmen die Höhe der Gewinnausschüttung an ihre Kapitalanleger festlegen.
Die Wertpapiere wurden schnell im großen Stil zwischen mehreren Beteiligten hin- und hergeschoben. Das führte dazu, dass Investoren von Banken Steuerbescheinigungen für Kapitalertragsteuern auf Dividendenerlöse bekamen, die tatsächlich gar nicht gezahlt wurden, was sie aber beim Fiskus steuerlich geltend machten. Die Finanzämter erstatteten dadurch mehr Steuern, als sie zuvor eingenommen hatten.
Maschmeyer erhebt schwere Vorwürfe gegen Sarasin-Bank
Auf der Zeugenliste des U-Ausschusses steht auch der Unternehmer Dr. Carsten Maschmeyer. Wie er dem Magazin Focus sagte, habe er nie wissentlich in die umstrittenen Aktiendeals zulasten der Staatskassen investiert. Die Bank J. Safra Sarasin habe sein Geld "zweckentfremdet und vertragswidrig wohl in einen Cum-Ex-Fonds investiert", so Maschmeyer. Der Fonds sei ihm als reiner Dividendenfonds dargestellt worden, "mit der Bestätigung an meine Steuerberater, dass hier keine Leerverkäufe stattfinden".
Maschmeyer und eine Reihe anderer vermögender Kunden haben die Bank auf Schadensersatz verklagt. Zu den weiteren Zeugen, die der Ausschuss hören will, zählt Prof. Dr. Thomas Koblenzer von der Düsseldorfer Steuerkanzlei Koblenzer. Er soll Gutachten zum Thema Cum-Ex vorlegen. Medienberichten zufolge schrieb Koblenzer u.a. ein Gutachten für den Drogerieunternehmer Erwin Müller, der mit Cum-Ex-Fonds bei Sarasin ebenfalls viel Geld verloren haben soll.
Dem Fiskus sollen zwölf Milliarden entgangen sein
Nach Koblenzer soll Günter Graw aufgerufen werden, der bis 2013 Manager bei der Deutsche-Bank-Fondsgesellschaft DWS war. Im Anschluss will man Wolfgang Schuck anhören, bis Oktober 2014 Vorsitzender der Geschäftsführung der Maple Bank. Beide Institute sollen Medienberichten zufolge in Cum-Ex-Deals verstrickt sein. Als letzter Zeuge will der Ausschuss den Ministerialrat Peter Rennings aufrufen. Er leitet im Bundesfinanzministerium das Referat IV C 2, das für Grundsatzfragen der Unternehmensbesteuerung zuständig ist.
Der Untersuchungsausschuss wurde im Februar dieses Jahres auf Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke eingesetzt, um die Ursachen der Entstehung der Cum-Ex-Geschäfte und deren Entwicklung von 1999 bis 2012 zu untersuchen. Dem Fiskus sollen durch das Steuermodell Einnahmen von rund zwölf Milliarden Euro entgangen sein.
Mit Materialien von dpa
Anja Hall, Juristen und die Cum-Ex-Deals: U-Ausschuss befragt Steueranwälte . In: Legal Tribune Online, 22.11.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21229/ (abgerufen am: 06.07.2024 )
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