Das unbedingte Ziel der Unabhängigkeit von russischem Erdgas befeuert die Planungen für LNG-Terminals in Deutschland. Was jahrelang vor sich hindümpelte, soll nun in Rekordgeschwindigkeit umgesetzt werden.
Niedersachsen will bei den Genehmigungsverfahren für das geplante Import-Terminal für Flüssigerdgas (LNG) in Stade Gas geben. "Es muss jetzt schnell gehen", sagte Umweltminister Olaf Lies (SPD) am Dienstag in Stade. Dort nahm er aus den Händen von Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) die mehrere Tausend Seiten umfassenden Antragsunterlagen für die Genehmigung zum Bau eines Anlegers in Stade entgegen.
Lies forderte eine neue "Deutschland-Geschwindigkeit" und schloss nicht aus, dass die Bauarbeiten für den Anleger möglicherweise parallel und schon vor dem Vorliegen einer Genehmigung beginnen könnten. Nach Worten von Althusmann sollen seitens der öffentlichen Gesellschaft Niedersachsen Ports in den kommenden Jahren Mittel von 200 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden - für die Planung und Vorbereitung des Projekt Stade sowie für den zweiten geplanten LNG-Terminalstandort Wilhelmshaven. Es gehe primär darum, von russischem Erdgas unabhängig zu werden.
Das Terminal Hanseatic Energy Hub (HEH) in Stade soll bis 2026 in unmittelbarer Nachbarschaft des US-Chemieunternehmens Dow in Stade direkt am Elbufer entstehen. Dow stieg inzwischen als neuer Minderheitsgesellschafter bei HEH ein. HEH hatte am Montag die Genehmigungsunterlagen beim zuständigen Staatlichen Gewerbeaufsichtsamt Lüneburg eingereicht. Am Dienstag folgte der Antrag von N-Ports für die Hafenanlagen beim Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten und Naturschutz (NLWKN).
Kapazität für rund 15 Prozent des Gasbedarfs
In der Endstufe soll die Anlage über eine maximale Regasifizierungskapazität von 13,3 Milliarden Kubikmetern pro Jahr verfügen, was einem Anteil von bis zu 15 Prozent des deutschen Gasbedarfes entspräche. Auch in Wilhelmshaven und in Brunsbüttel laufen konkrete Planungen für Flüssigerdgas-Terminals.
Das Terminal Stade soll auf dem Gelände des Dow-Standortes entstehen. Dazu soll die Zahl der Anlegestellen von drei auf fünf Schiffe erhöht werden. Einer der Plätze soll für große LNG-Carrier reserviert sein, die bis zu 300 Meter lang sind und ein& LNG-Fassungsvermögen von 170.000 Kubikmeter haben. Die HEH rechnet mit rund 110 Anläufen derartiger LNG-Tanker im Jahr.
Die Idee für das Terminal hatte HEH-Mitgesellschafter Manfred Schubert, der das Projekt schon seit 2016 verfolgt. Der Physiker geht vorsichtig von einer Genehmigung für den Antrag bis März 2023 aus. 2026 soll das Terminal in Betrieb gehen. Die Politik hofft sogar auf Ende 2024. Auf dem Gelände entstehen neben dem Anleger auch Tanks und eine Regasifizierungsanlage. Zwischen Anleger und Tank liegt eine Strecke von 1.200 Metern.
Gesamtinvestitionen von rund einer Milliarde Euro
Für das Projekt sind 800 Millionen Euro an Investitionen veranschlagt. Hinzu kommen etwa 150 bis 200 Millionen Euro für öffentliche Hafenanlagen. Derzeit bezieht Deutschland Flüssigerdgas von anderen europäischen Terminals. Die Bundesregierung sucht aufgrund des russischen Angriffskrieges in der Ukraine händeringend nach Alternativen für russisches Erdgas.
LNG wird bei minus 162 Grad per Schiff transportiert und dann wieder erwärmt und in Gas umgewandelt, um in die Netze eingespeist zu werden. Für diesen Prozess soll industrielle Abwärme vom Dow-Werk genutzt werden, um eine emissionsfreie Rückumwandlung des LNG zu ermöglichen.
Ende März war mit dem Energieversorger EnBW als erstem Großkunden für das Terminal eine Absichtserklärung über die Abnahmen von jährlich mindestens drei Milliarden Kubikmeter Flüssigerdgas (LNG) unterzeichnet worden. Es gebe weitere starke Interessenbekundungen, hieß es am Dienstag.
dpa/sts/LTO-Redaktion
Antragsunterlagen sind bereits eingereicht: . In: Legal Tribune Online, 12.04.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48133 (abgerufen am: 21.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag