Zwischen Vorweihnachtstrubel und Jahresendgeschäft fällt es schwer, konzentriert zu arbeiten. Dennoch müssen viele Projekte abgeschlossen werden. Juristencoach Carmen Schön gibt Tipps für mehr Konzentration im Job.
Das Thema Achtsamkeit füllt längst Bücherwände, und inzwischen ist es auch in den Anwaltskanzleien angekommen. Denn es lohnt sich für Anwälte durchaus, wenn sie sich damit befassen, wie sie aufmerksam bleiben können.
Wir arbeiten effizienter und machen weniger Fehler, wenn wir konzentriert bei der Sache bleiben. Die Arbeit wird schneller fertig. Lassen wir uns dagegen ständig ablenken, müssen wir uns nach jeder Unterbrechung neu in die Sache eindenken und uns wieder einarbeiten. Das kostet Energie und Zeit. Auch im Mandantengespräch ist es ein großer Mehrwert, wenn der Mandant wahrnimmt, dass sich der Anwalt ganz auf ihn und sein Anliegen konzentriert. Allerdings ist das Gegenteil viel häufiger der Fall: Wenn man mit Anwälten spricht, hat man häufig das Gefühl, dass sie gedanklich ganz woanders sind.
Außerdem fühlt es sich einfach besser an, wenn wir mit unserem Gedanken in der Gegenwart sind und nicht über Geschehnisse in der Vergangenheit grübeln oder darüber nachdenken, was wir heute alles noch erledigen wollen. Allerdings sind gerade Anwälte in ihrem Beruf sehr gefordert: Emails, Anrufe, Besprechungen mit Kollegen, dem Chef oder Mandanten bergen permanente Ablenkungsgefahr.
Folgende drei Übungen helfen dabei, konzentriert zu bleiben:
Die Atempause
Nehmen Sie sich eine Minute Zeit. Lehnen Sie sich auf dem Schreibtischstuhl zurück und schließen Sie, wenn Sie mögen, die Augen. Atmen Sie durch den Mund ein- und durch die Nase wieder aus. Konzentrieren Sie sich dabei auf den Luftzug, den Sie beim Ausatmen an den Nasenflügeln spüren.
Vermutlich tauchen nun viele Gedanken vor Ihrem geistigen Auge auf: Das ist ganz normal! Bewerten Sie die Gedanken nicht, sondern bleiben sie auf den Atem konzentriert. Lassen Sie die Gedanken einfach kommen und gehen.
Um diese kleine unauffällige Übung zu machen, müssen Sie nicht einmal vom Schreibtisch aufstehen – aber sie verschafft Ihnen dennoch eine kurze Pause von dem Trubel. Es stellt sich neue Ruhe und Konzentration ein.
Das Register
Diese Übung ist gut geeignet, wenn Sie derart viele Aufgaben haben, dass Sie gar nicht wissen, wo Sie anfangen sollen. Lehnen Sie sich zurück, eventuell schließen Sie die Augen. Stellen Sie sich einen Registerschrank vor und packen Sie Ihre Gedanken in die Schubladen dieses Registers. Benennen Sie die Schubladen, zum Beispiel: Emails beantworten, Besprechung mit dem Chef, Arbeit an Projekt A usw. Machen Sie das drei oder vier Minuten lang, bis keine Gedanken mehr da sind.
Der Effekt: Die Gedanken sind "geparkt" und aufgeräumt. Es entsteht Raum, um die wichtigste Aufgabe anzupacken.
Erste Hilfe bei abschweifenden Gedanken
Sie arbeiten an einem Projekt und stellen fest, dass Ihre Gedanken ständig abschweifen. Sie können sich gar nicht konzentrieren, ständig fällt Ihnen ein, was alles noch erledigt werden muss. Lassen Sie sich davon nicht in Panik versetzen. Bewerten Sie Ihre Gedanken nicht, sondern lassen Sie sie unkommentiert stehen oder etikettieren Sie sie als "Ablenkung". Entwickeln Sie kein schlechtes Gewissen.
Schaffen Sie sich mit kleinen Tricks störungsfreie Zonen: Setzen Sie zum Beispiel Kopfhörer auf, um Ruhe zu haben. Schließen Sie die Bürotür, damit Sie nicht ständig auf den Gang linsen und dort die Kollegen herumlaufen sehen. Oder Sie verschieben Ihren Schreibtisch so, dass Sie nicht zum Fenster hinausschauen und abgelenkt werden. Leiten Sie Emails und Anrufe um.
Fluch der ständigen Erreichbarkeit
Auch wenn der Anwaltsberuf sehr fordernd ist: Niemand kann auf Dauer in kompletter Anspannung arbeiten, hin und wieder müssen Sie sich entspannen. Im Zeitmanagement geht man davon aus, dass sich das Gehirn nur 45 Minuten auf eine Sache fokussieren kann, dann flacht die Kurve der Aufmerksamkeit wieder ab. Erinnern Sie sich an Ihre Schulzeit: In der Schule dauern die Unterrichtseinheiten 45 Minuten. Es folgt eine Fünf-Minuten-Pause, dann wird mit frischem Kopf weitergearbeitet.
Allerdings versprechen vor allem große Wirtschaftskanzleien, die hochpreisige Beratung anbieten, dass ihre Anwälte ständig erreichbar sind. Der Mandant erwartet das auch angesichts der hohen Honorare, die er bezahlt. Trotzdem sollte es möglich sein, dass man als Anwalt eine gewisse Zeit – und seien es nur 30 Minuten - ungestört arbeiten kann. Denn ständige Ablenkungen machen fehleranfällig. Auch ein Mandant fühlt sich nicht wertgeschätzt, wenn er das Gefühl hat, sein Anwalt ist gedanklich schon beim nächsten Kundengespräch. Kurz gesagt: Wer nicht konzentriert arbeitet, kann auch nicht erfolgreich sein.
Die Volljuristin und ehemalige Rechtsabteilungsleiterin Carmen Schön berät Rechtsanwälte, Unternehmensjuristen und Wirtschaftskanzleien bei Fragen zur strategischen Ausrichtung, Marktpositionierung, Akquise und Ausbau von Mandanten sowie der Mitarbeiterführung.
Carmen Schön, Achtsamkeit im Anwaltsberuf: . In: Legal Tribune Online, 21.12.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/26143 (abgerufen am: 14.11.2024 )
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