Spezialkanzleien und ihr internationales Geschäft: Grenzen überwinden

von Dr. Anja Hall

28.01.2015

2/2 Wie schnell ist "schnellstmöglich"?

Die Roxin Alliance achtet außerdem darauf, dass die Strafrechtler "fließend Englisch sprechen und eine Dienstleistungsmentalität haben, die man braucht, wenn man als Anwalt Unternehmen berät", wie Sidhu es ausdrückt. Während solche Strafrechter in Industriestaaten wie Italien meist unproblematisch zu finden sind, tut sich die Alliance beispielsweise in Serbien oder der Ukraine erheblich schwerer. "Wenn wir in solchen Ländern Kanzleien auffinden, die unsere Kriterien erfüllen, oder sie sich an uns wenden, dann greifen wir gern zu."

L&E Global legt strenge Maßstäbe an, was die Zusammenarbeit in den Mandaten angeht. Jede Mitgliedskanzlei muss ein internationales Team bilden, das die Mandate des Netzwerks bearbeitet. Es gibt regelmäßige Treffen, gemeinsame Arbeit an Publikationen und kollektive Pitches.

Die Mitglieder verpflichten sich auch auf zehn Qualitätsregeln, zum Beispiel eine verbindliche "Response Time", also eine Zeitspanne, innerhalb derer auf Anfragen aus dem Netzwerk reagiert werden muss. Hier hat L&E Global Lehrgeld bezahlt, erzählt Pusch. "Zuerst hatten wir die Response Time als 'schnellstmöglich' definiert. Weil sich das aber als dehnbarer Begriff erwiesen hat, haben wir sie jetzt auf drei Stunden festgelegt."

Strenge Regeln, doch Pusch ist überzeugt, dass sie nötig sind: "Ein loses Netzwerk reicht nicht aus, um im Top-Segment zu beraten. Wichtig sind Aspekte wie Geschwindigkeit und Qualitätssicherung, das erreicht man nur durch ein höheres Maß an Integration", ist er überzeugt.

Gedankenspiel internationale Fusion

Bei der Roxin Alliance ist die Zusammenarbeit nicht so eng, wichtig für die Macher des Netzwerkes sind vielmehr Cross-Referrals, also das Verweisgeschäft innerhalb der Allianz, sowie der Wissensaustausch. Gemeinsame Pitches, wie es bei L&E Global angestrebt wird, sind nach Ansicht von Sidhu im Strafrecht eher die Ausnahme. "Die Zusammenarbeit ist vor allem mandatsbezogen. Für uns ist entscheidend, in möglichst vielen Ländern einen verlässlichen Partner zu haben, dem wir ein wichtiges Mandat anvertrauen können."

Bei solch enger Zusammenarbeit im Netzwerk liegt es eigentlich nahe, über eine Fusion der Kanzleien nachzudenken. Eine grenzübergreifende Spezialkanzlei für Arbeitsrecht oder Strafrecht wäre zumindest ein genialer Marketingcoup. Und tatsächlich kam das Thema eines Zusammenschlusses in beiden Allianzen schon einmal auf, wurde aber schnell wieder zu den Akten gelegt.

Denn die Netzwerkkanzleien haben üblicherweise in ihrem lokalen Markt seit vielen Jahren einen etablierten Namen - und sie befürchten Nachteile, wenn sie unter dem völlig neuen Markennamen einer fusionierten Kanzlei auftreten müssten. Viele der Anwälte, die in den Boutiquen arbeiten, haben sich meist auch sehr bewusst gegen eine Karriere in der Großkanzlei entschieden und zeigen daher wenig Begeisterung, nun selbst eine zu formieren.

Die große Frage ist jedoch, ob ein Zusammenschluss wirtschaftlich überhaupt sinnvoll wäre. Eine international fusionierte Kanzlei hätte höhere allgemeine Kosten, die sie dann auf die Honorare umlegen müsste. Doch im Wettbewerb mit den Law Firms werben die Boutiquen gerne damit, dass sie ihre Dienste dank niedrigerer Kosten günstiger anbieten können. Dieses Argument würde dann jedenfalls nicht mehr ziehen.

Zitiervorschlag

Anja Hall, Spezialkanzleien und ihr internationales Geschäft: . In: Legal Tribune Online, 28.01.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14499 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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