Der heißeste Trend in britischen Kanzleien: Flexibles Arbeiten im Großraumbüro, ohne festen Arbeitsplatz. LTO investigativ deckt auf: Das gab es auch in Deutschland schon einmal, hat sich aber nicht durchgesetzt. Aus einem banalen Grund.
Es klingt ziemlich beeindruckend, was sich die englischen Kanzleistrategen ausgedacht haben: Open Plan Office, Hot Desking, Agile Working. Mit diesen klangvollen Schlagworten versuchen sie, den Mitarbeitern ihre neueste Idee schmackhaft zu machen: Wir propagieren das Arbeiten im Home Office und reduzieren so die Zahl der Büroarbeitsplätze. Denn wer zu Hause arbeitet, braucht ja keinen Schreibtisch in der Kanzlei. Dadurch reduzieren wir unseren Flächenbedarf, sparen Kosten – und für die überflüssigen Flächen suchen wir Untermieter.
Angesichts der hohen Mieten, die derzeit in der Londoner City für Büroflächen bezahlt werden müssen, ist das eine Strategie, auf die inzwischen zahlreiche Kanzleien setzen, wie das britische Branchenmagazin "The Lawyer" schreibt. Wer nun aber davon ausgeht, dass dieser Trend auch in deutsche Kanzleiräume schwappen wird, dürfte sich täuschen. Dabei war, wie LTO investigativ herausfand, das Konzept des Hot Desking war hierzulande längst in der Erprobung. Mit einem äußerst ernüchternden Ergebnis, wie ein deutscher Managing Partner resigniert gegenüber LTO investigativ eingesteht.
Nachts dürfen die Associates ran
"Wir hielten das für eine gute Idee: Tagsüber arbeiten die Arbeitsrechtler in einem Büro, und in der Nacht setzen wir die M&A-Associates an die Schreibtische", sagt der Anwalt, der für die Einführung des Hot Desking in die deutsche Kanzleiwelt verantwortlich zeichnete. "Wir wollten die gesamten Büroräume, die zuvor von den M&A-Teams belegt wurden, zu Gemeinschaftsräumen umgestalten. Die jungen Anwälte arbeiten eh vorzugsweise zwischen 20 Uhr abends und fünf Uhr morgens. Das hätte super gepasst!"
Doch diese Idee ist gescheitert, wegen einer schlechten Angewohnheit, für die wirtschaftsberatende Anwälte bekannt sind: Sie lassen ihre Jacketts im Büro hängen und das Licht brennen, wenn sie nach Hause gehen – um fleißige Nachtarbeit vorzutäuschen. "Es war für uns schlicht nicht nachvollziehbar, ob ein Arbeitsplatz nun frei war, weil der Kollege Feierabend gemacht hat, oder ob der Kollege in einer Besprechung war und an den Schreibtisch zurückkehren wollte", berichtet der Managing Partner.
Es gab natürlich durchaus Versuche, die Anwälte zu disziplinieren. "Wir haben den Hausmeister gebeten, um 23 Uhr alle Jacken und Aktentaschen einzusammeln und am Empfang zu deponieren", so der Managing Partner. "Inspiriert wurde ich durch einen Urlaub in einer Ferienanlage. Dort hat der Bademeister auch jeden Morgen mein Badetuch, mit dem ich den Liegestuhl am Pool reserviert habe, eingesammelt. Sehr ärgerlich war das."
Einfache Rechnung: Weniger Partner, weniger Schreibtische
Wirklich gefruchtet haben diese Erziehungsmaßnahmen jedoch nicht, räumt der Kanzleiverantwortliche ein. Im Gegenteil: In den Partnerrunden wurde stundenlang über die Belegung der Schreibtische gestritten. So wollten einige Partner ihr mühsam erkämpftes Eckbüro nicht einmal während ihrer Abwesenheit von einem First-Year-Associate benutzt wissen.
"Nach ein paar Wochen hat unser Controlling errechnet, dass durch die langwierigen Diskussionen Billable Hours in erheblichem Ausmaß verbrannt worden sind", erinnert sich der Managing Partner. Die Kanzleiführung habe daher entschieden, bei den Einsparmaßnahmen nicht nur die Ausgaben für die Büromieten in den Fokus zu nehmen – sondern auch die Personalkosten: "Wir reduzieren jetzt einfach die Zahl unserer Partner. Dann brauchen wir auch weniger Schreibtische."
Anja Hall, LTO investigativ: . In: Legal Tribune Online, 21.08.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16679 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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