Kanzleien sollen künftig finanzielle Risiken, die ihnen durch unprofitable Equity-Partner entstehen, in eine Art "Bad Bank" auslagern können. Außerdem ist ein Rettungsschirm für notleidende Kanzleien geplant. Ein entsprechender Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums kursiert derzeit in Berlin.
In dem Referentenentwurf, der LTO vorliegt, heißt es, man wolle eine Institution namens Kanzlei-Stabilitäts-Mechanismus (KSM) mit Sitz in Frankfurt am Main einrichten. Der KSM soll überschuldete Kanzleien mit Notkrediten oder Bürgschaften unterstützen, um deren Zahlungsunfähigkeit zu vermeiden.
Hintergrund sind Befürchtungen im Bundesjustizministerium (BMJV), dass künftig vermehrt sogenannte systemrelevante Sozietäten in eine finanzielle Schieflage geraten könnten. Insbesondere die großen Wirtschaftskanzleien des Landes leiden offenbar derzeit ganz erheblich darunter, dass immer weniger junge Anwälte eine Vollpartnerschaft anstreben. "Das stellt das gesamte System in Frage", heißt es im Ministerium. Schließlich müssten die Jungpartner für die Bezüge der älteren Partner aufkommen.
Dass der Referentenentwurf bislang nicht in die Öffentlichkeit gelangt ist, dürfte auch an der heftigen Kritik liegen, die Teile der Anwaltschaft daran äußern. Vertreter von kleinen Spezialkanzleien und mittelständisch orientierten Einheiten stören sich insbesondere an dem Begriff der Systemrelevanz und dem zugrundeliegenden Gedanken, dass es Kanzleien gebe, die 'too big to fail' sein sollen. In einem Thesenpapier fordern sie deshalb, Kanzleien mit mehr als 100 Berufsträgern zu zerschlagen.
Systemrelevant: Großkanzleien schreiben schließlich Gesetze
Deren Vertreter weisen indes darauf hin, dass sie einen "nicht unerheblichen" Beitrag zur Gesetzgebung leisteten und insofern "sehr wohl von hoher Relevanz" für das Rechtssystem seien. "Beispielsweise ist auf unserem Kanzlei-Papier das Gesetz zur Ergänzung des Kreditwesengesetzes geschrieben worden", sagt ein bekannter Bankrechtspartner, der anonym bleiben will.
Während einige Anwälte großer Wirtschaftskanzleien deshalb die Ansicht vertreten, es wäre nun "durchaus an der Zeit", von ihren juristischen Bemühungen rund um Euro-Krise und Bankenrettung unmittelbar zu profitieren, sind andere zurückhaltender: "Ich würde mich schämen, wenn wir in der Krise Staatsgeld annehmen müssten", sagt der Managing Partner einer internationalen Kanzlei, deren deutscher Standort sich derzeit in einer Phase der Restrukturierung befindet.
Er befürwortet jedoch das im Referentenentwurf ebenfalls vorgesehene Konzept der "Bad Firm", die analog zu einer "Bad Bank" Risiken aus dem operativen Geschäft übernimmt. "Wir wären natürlich froh, wenn wir alle unsere unprofitablen Teams auf einen Schlag ausgliedern könnten", räumt er ein. "Das würde den Neustart erheblich erleichtern."
Doch die Bad Firm ist alles andere als beschlossene Sache. Wie LTO aus gut informierten Kreisen im Justizministerium erfahren hat, ist noch unklar, wie die Bad Firm ausgestattet werden soll. Für eine Anschubfinanzierung könnte nach Ansicht von Experten ein "Solidaritätszuschlag" auf den Kammerbeitrag erhoben werden. Auch hier ist erheblicher Gegenwind zu erwarten: In einer ersten Stellungnahme sagte ein BRAK-Sprecher, er halte das für eine "lächerliche Idee". Man werde "zu verhindern wissen", dass die "Allgemeinheit der Anwälte" für Kosten aufkommen soll, die aus strategischen Fehlentscheidungen einiger weniger Kanzleien entstanden seien.
Anja Hall, LTO investigativ: . In: Legal Tribune Online, 17.04.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15269 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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