Der russische Präsident unterzeichnete ein Dekret, das die Modalitäten zum Erdgas-Bezug für "unfreundliche Staaten" neu definiert. Die Ausgestaltung lässt allerdings Spielraum für Interpretationen.
Eine gute Woche liegt die Ankündigung von Wladimir Putin zurück, wonach russisches Erdgas künftig nur noch gegen die Zahlung von Rubel geliefert werde. Die Vertragspartner reagierten kühl, verwiesen auf die Vertragslage und taten kund, dass sie gedenken, ihre Lieferungen auch weiterhin wie bisher in Dollar und Euro zu bezahlen. Man lasse sich nicht erpressen, so der einhellige Tenor.
Ein Zwang, der gar keiner ist
Die demonstrative Gelassenheit des Westens brachte Putin in eine Zwickmühle. Ein Rückzieher wäre als Zeichen von Schwäche interpretiert worden. Das Risiko, dass es tatsächlich zu einem Lieferstopp kommt und damit eine höchst bedeutsame Einnahmequelle weniger stark sprudelt, wollte Putin zu diesem Zeitpunkt aber auch nicht eingehen.
Ein gestern unterzeichnetes Dekret soll die Modalitäten zur Bezahlung russischer Erdgaslieferungen neu regeln. Dessen Ausgestaltung bietet reichlich Platz für Auslegungen und eröffnet dem russischen Präsidenten einen gesichtswahrenden Ausweg.
Das Dekret, das sich an die sogenannten "unfreundlichen Staaten" richtet, also an jene Länder, die Russland nach der Invasion in die Ukraine mit Sanktionen belegt haben, umschifft den Rubelzwang.
Der Kniff mit den Spezialkonten
Das Konstrukt sieht vor, dass Abnehmer russischer Gaslieferungen zwei Spezialkonten bei der Gazprombank eröffnen: Ein Devisenkonto sowie ein in Rubel geführtes Konto. Die Rechnungen können wie gehabt in Euro oder Dollar beglichen werden, der Betrag wird dem Devisenkonto gutgeschrieben.
Der Kontoinhaber ermächtigt die Gazprombank, den Umtausch der Devisen in Rubel vorzunehmen. Im Anschluss erfolgt eine Gutschrift auf das in Rubel geführte Konto, von dem aus dann der Lieferant bezahlt wird.
Das Dekret sieht zudem eine Art Notausgang vor: Eine russische Regierungskommission kann Ausnahmegenehmigungen erteilen und auf diesem Weg Vertragspartner von den geänderten Spielregeln befreien.
Stützung des Rubel
Auf den ersten Blick ist die Maßnahme kaum mehr als kreative Buchführung, die für Putin aber an anderer Stelle einen wichtigen Impuls setzt: Der Währungstausch treibt die Nachfrage nach Rubel an und sorgt für eine Stabilisierung der zuletzt massiv unter Druck geratenen russischen Währung.
Eine weitere Talfahrt des Rubel will das Putin-Regime dringend vermeiden. Zwar ist der Handlungsspielraum des Landes im internationalen Handel durch die Sanktionen stark eingeschränkt, der Binnenmarkt, darunter auch die auf Rubelzahlungen basierende finanzielle Infrastruktur, die der Aufrechterhaltung der Kriegsmaschinerie dient, ist aber noch weitestgehend intakt.
Die Reaktionen auf das Dekret fielen reserviert aus. Vertreter der deutschen Bundesregierung, darunter Bundeskanzler Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Robert Habeck, kündigten eine Prüfung an und verwiesen erneut darauf, dass die Zahlung in Fremdwährungen weiterhin möglich sein müsse. Da das Dekret keine direkte Zahlung in Rubel vorsieht, darf diese Bedingung wohl als gegeben angesehen werden.
Zu klären bleibt, ob sich durch die Bevollmächtigung der kontoführenden Bank zum Währungstausch durch die Kontoinhaber Verstöße gegen Sanktionen ergeben könnten. Die Gazprombank selbst unterliegt bislang allerdings keinen internationalen Sanktionierungsmaßnahmen.
Neue Zahlungsmodalitäten für russische Energielieferungen: . In: Legal Tribune Online, 01.04.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48016 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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