Schadensersatzprozess in der Causa Syntellix: Urteil im Duell Claassen vs. Masch­meyer

21.10.2021

Das LG München I urteilt, dass einzelnen Aktionären kein Schadensersatz für eine Wertminderung ihrer Aktien bei einem gesellschaftsschädigenden Ereignis zusteht und weist eine Klage von Utz Claassen gegen Carsten Maschmeyer ab.

Der Verhandlungstermin vor dem Landgericht (LG) München I fand am 20. Mai dieses Jahres statt, am Donnerstag wurde das Urteil verkündet. Die fünfte Kammer unter dem Vorsitz von Dr. Helmut Krenek hat eine auf Schadensersatz in Millionenhöhe gerichtete Klage von Prof. Dr. Utz Claassen, Vorstandsvorsitzender der Syntellix AG, gegen Dr. h. c. Carsten Maschmeyer abgewiesen (Az. 5 HK O 1687/19).

Einzelne Aktionäre können wegen einer Wertminderung ihrer Aktien durch ein die Gesellschaft schädigendes Ereignis keinen Schadensersatz verlangen, so das Gericht. Dies verstoße unter anderem gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung aller Aktionäre. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Aus einstigen Geschäftspartnern wurden erbitterte Rivalen

Es geht um große Egos und viel Geld. Seit mehreren Jahren duellieren sich die ehemaligen Geschäftspartner Claassen und Maschmeyer, bevorzugt auf offener Bühne. Man kann inzwischen von einer veritablen Männerfeindschaft sprechen. Gegenstand der Auseinandersetzung ist die Syntellix AG, ein von Claassen im Jahr 2008 gegründetes Unternehmen, in dem Maschmeyer zwischenzeitlich in Form einer Beteiligung von 42 Prozent investiert war. Syntellix stellt einen Werkstoff her, der bei Implantaten eingesetzt werden kann und anders als die üblicherweise verwendeten Materialien - Edelstahl und Titan - restlos im Körper abgebaut wird und daher nicht wieder entfernt werden muss.

Maschmeyer, ehemals führender Kopf hinter der Vertriebsgesellschaft AWD Holding, der breiten Öffentlichkeit vermutlich aber eher aus der TV-Sendung "Höhle der Löwen" bekannt, trennte sich Ende 2016 nach Differenzen mit Claassen vollständig von seinem Syntellix-Investment. Wo man den Schlusspunkt eines Kapitels vermuten würde, begann stattdessen eine juristische Auseinandersetzung, in deren Verlauf die Beteiligten keine Neigung zu verbaler Zurückhaltung erkennen ließen. Maschmeyer wird von Claassen unter anderem vorgeworfen, behauptet zu haben, Claassen schulde ihm Geld und könne nicht zahlen. Ein Anspruch auf Unterlassung dieser Behauptung gegenüber Organmitgliedern von Syntellix und Dritten war ebenfalls Gegenstand der Klage, über die das LG München I zu entscheiden hatte.

Mit der Klage vor dem LG begehrte Claassen auch die Feststellung, dass Maschmeyer sämtliche Schäden zu ersetzen habe, die durch vom diesem veranlasste Meldungen über den Inhalt eines Aktienkaufvertrages trotz vereinbarter Vertraulichkeit und unterzeichneter Verschwiegenheitserklärung entstanden sein sollen. Auch Äußerungen von Maschmeyer in Zeitschriften sowie in einer TV-Sendung sollen zur Entstehung der Schäden beigetragen haben. Nach Ansicht von Claassen hätten die öffentlichen Einlassungen Maschmeyers eine Wertminderung der von Claassen gehaltenen Aktienbeteiligung an Syntellix zur Folge gehabt.

Keine Grundlage für Schadensersatz

Die Kammer hat beide Ansprüche Claassens verneint. Nach Auffassung des Gerichts können einzelne Aktionäre wegen einer Wertminderung ihrer Aktien durch ein die Gesellschaft schädigendes Ereignis nicht die Zahlung von Schadensersatz an sich selbst verlangen. Dies verstoße unter anderem gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung aller Aktionäre.

Ein Ausgleich des mittelbaren Schadens könne nur dadurch erfolgen, dass der Aktionär die Leistung an die Gesellschaft verlange. Dem Aktionär selbst entstehe kein Schaden im Rechtssinne. Der Grundsatz der Kapitalerhaltung, die Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens sowie das Gebot der Gleichbehandlung aller Aktionäre schließen nach Ansicht des LG einen Anspruch des Gesellschafters auf Leistung von Schadensersatz an sich persönlich in diesem Fall aus.

Der von Claassen geltend gemachte Schaden in Form der Wertminderung seiner Beteiligung an der Aktiengesellschaft stellt sich nach Einschätzung des Gerichts als ein sich typischerweise mittelbar beim Gesellschafter realisierender Reflexschaden dar. Dafür, dass allein die Aktiengesellschaft geschädigt sei, spreche ebenfalls die Wertung aus weiteren Vorschriften des Aktiengesetzes. Diese machten deutlich, dass dem Aktiengesetz die Anerkennung eines auf der Schädigung der Gesellschaft gründenden eigenen Anspruchs des einzelnen Mitgliedes fremd sei.

Auch kein Unterlassungsanspruch

Hinsichtlich der angestrebten Unterlassung vertritt die Kammer die Ansicht, dass Claassen kein solcher Anspruch zusteht. Ein vertraglicher Anspruch sei nicht gegeben, auch könne er im Übrigen keine Unterlassung verlangen. In der Äußerung, Claassen "schulde dem Beklagten Geld", sieht das Gericht zum einen keine Verletzung einer Verschwiegenheitspflicht aus dem Kaufvertrag über Aktien, weil diese Äußerung der Aktiengesellschaft - also eine von Maschmeyer zu unterscheidende Person -, als solche nicht abträglich und daher von der vertraglich vereinbarten Verschwiegenheitspflicht nicht umfasst sei.

Auch sei die angegriffene Äußerung eine von Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geschützte Meinungsäußerung. Diese habe hier Vorrang vor dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht Claassens. Dies gelte jedenfalls solange, wie ein weiterer, hier nicht zu entscheidender Rechtsstreit zwischen dem Beklagten und dem Kläger über Zahlungsansprüche des hiesigen Beklagten noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist.

Zudem stellte das Gericht fest, dass die Äußerung, Claassen "könne nicht zahlen", weder in Interviews noch in einer TV-Sendung von Maschmeyer getätigt wurde. Sollte diese Äußerung im privaten Freundeskreis gefallen sein, sei dies zulässig, selbst wenn eine solche Äußerung in der Öffentlichkeit unzulässig wäre. Dies gilt nach Auffassung der Kammer auch für eine entsprechende Bemerkung gegenüber einem Aufsichtsratsmitglied der Aktiengesellschaft, weil dieses nach dem Aktienrecht zur Verschwiegenheit verpflichtet sei.

In einem anderen Verfahren fordert Syntellix Schadensersatz in Höhe von mindestens 6,33 Millionen Euro von Maschmeyer und dessen MM Familien KG. Die Urteilsverkündung des LG München I wird für den 4. November 2021 erwartet.

sts/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Schadensersatzprozess in der Causa Syntellix: . In: Legal Tribune Online, 21.10.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/46423 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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