Der Agrarchemiekonzern Monsanto muss einem Krebspatienten in den USA wegen verschwiegener Risiken seiner Unkrautvernichter Schadensersatz in dreistelliger Millionenhöhe zahlen. Das hat ein Geschworenengericht in Kalifornien entschieden.
Monsantos Produkte sind seit Jahren hoch umstritten. Die Frage, ob glyphosathaltige Unkrautvernichter eine Gefahr für Menschen sind, beschäftigt nicht nur die Wissenschaft, sondern auch Gerichte. Nun gibt es ein aufsehenerregendes Urteil - doch Klarheit wird es wohl nicht schaffen.
Dabei war die Entscheidung weltweit mit Spannung erwartet worden. Denn es handelte sich um den ersten Schadensersatzprozess, der sich mit der seit Jahren strittigen Frage befasste, ob Produkte von Monsanto Krebs erregen können. Geklagt hatte der an Lymphdrüsenkrebs leidende Dewayne "Lee" Johnson, der als Platzwart an kalifornischen Schulen häufig Unkrautvernichter wie Roundup und Ranger Pro von Monsanto verwendete. Der 46-Jährige macht die Produkte, die den umstrittenen Wirkstoff Glyphosat enthalten, für seine Erkrankung verantwortlich und beschuldigt das Unternehmen, die Risiken bewusst verschwiegen zu haben.
Er hätte Roundup niemals an Schulen eingesetzt, wenn er die Gefahren gekannt hätte, sagte Johnson bei dem rund vierwöchigen Prozess vor Gericht und erhob schwere Vorwürfe an Monsanto. "Es ist unethisch. Es ist falsch. Menschen verdienen so etwas nicht", sagte der schwer von seinem Krebsleiden gezeichnete Kläger. Johnsons Prozess wurde vorgezogen, weil die Ärzte mit seinem baldigen Tod rechnen.
Nach dreitägigen Beratungen verurteilte die Jury Monsanto dann einstimmig dazu, Johnson Schadensersatz in Höhe von insgesamt 289 Millionen Dollar zu zahlen, umgerechnet sind das rund 254 Millionen Euro (Urt. v. 10.08.2018; Case No. CGC-16-550128). Die Summe teilt sich auf in 39,2 Millionen Schadensersatz ("compensatory damages") und 250 Millionen Strafschadensersatz ("punitive damages").
Die Jury stellte fest, dass Monsantos Unkrautvernichter den Krebs verursacht habe und der Konzern es versäumt habe, vor dieser schweren Gesundheitsgefahr zu warnen. Zudem befand sie, dass das Unternehmen mit Vorsatz gehandelt habe.
In den USA sind 4.000 weitere Klagen anhängig
Für Monsanto, das einen Zusammenhang zwischen Krebs und seinen Produkten abstreitet, ist die Entscheidung eine herbe Schlappe. Alleine in den USA laufen über 4.000 weitere ähnliche Klagen gegen Monsanto, für die diese Entscheidung wegweisend sein könnte. Bei Johnson handelte es sich nur um einen Einzelfall, doch weil es das erste Urteil überhaupt war, stand das Verfahren stark im Fokus der Öffentlichkeit. Die harte Strafe könnte deshalb besonders große Imageschäden anrichten. Monsantos Ruf ist allerdings ohnehin schon ziemlich ramponiert, die neue Konzernmutter Bayer will den Namen verschwinden lassen, wenn die Übernahme vollzogen ist.
Für die zentrale Streitfrage, ob das Herbizid Glyphosat krebserregend ist, hat das Urteil indes nur begrenzte Aussagekraft. Anders als die Jury im aktuellen Fall zeigt sich etwa der US-Bundesrichter Vince Chhabria, bei dem viele Sammelklagen gebündelt sind, skeptisch, ob die Beweislage einen Zusammenhang wirklich eindeutig belegen kann. Letztlich ist das Urteil im Fall Johnson - so aufsehenerregend es auch sein mag - nur eines von vielen, die noch folgen werden. Und es ist keineswegs klar, wie die anderen Verfahren verlaufen werden.
Monsanto will in Berufung gehen
Zudem bleiben Monsanto und Bayer stramm bei ihrer Verteidigungslinie. Sie verweisen auf "mehr als 800 wissenschaftliche Studien, die US-Umweltbehörde EPA, die Nationalen Gesundheitsinstitute und Aufseher weltweit", die zu dem Schluss gekommen seien, dass Glyphosat sicher sei und es keinen Krebs verursache. Dem entgegen steht jedoch insbesondere die Internationale Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die den Unkrautvernichter 2015 als "wahrscheinlich krebserregend" für Menschen einstufte.
Noch ist nicht klar, ob Monsanto die 289 Millionen Dollar wirklich bezahlen muss. Der Saatguthersteller hat bereits angekündigt, Berufung einzulegen und Roundup auch in Zukunft "nachdrücklich verteidigen" zu wollen. Es ist in den USA nicht ungewöhnlich, dass die Strafzahlungen bei solchen Verfahren später erheblich verringert oder die Urteile in der nächsten Instanz wieder einkassiert werden. Der US-Pharmakonzern Johnson & Johnson beispielsweise, der wegen angeblich krebserregender Pflegeprodukte mit zahlreichen Klagen konfrontiert ist, wurde schon mehrfach zu spektakulär hohen Schadenersatzsummen verurteilt, die in Berufungsverfahren wieder zurückgenommen wurden.
Monsanto ließ sich laut US-amerikanischen Medienberichten von Winston & Strawn verteidigen. Johnson war in dem Rechtsstreit von drei Kanzleien vertreten worden: The Miller Firm aus Orange in Virginia, Baum Hedlund Aristei & Goldman aus Los Angeles und Audet & Partners aus San Francisco. Die Kanzleien vertreten nach eigenen Angaben tausende von weiteren Klägern in den ganzen USA: Das nächste Verfahren, in dem es um den Zusammenhang von Roundup und Krebserkrankungen gehen wird, soll im Oktober in St. Louis im Bundesstaat Missouri stattfinden.
dpa/ah/LTO-Redaktion
Krebs durch Unkrautvernichter?: . In: Legal Tribune Online, 13.08.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/30299 (abgerufen am: 06.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag