Zuletzt ist auf dem deutschen M&A-Markt zwar etwas Ruhe eingekehrt, doch Analysen von Cleary Gottlieb und Allen & Overy berichten von einem starken Jahr 2016. Die M&A-Anwälte blicken zuversichtlich auf 2017 - trotz Brexit und US-Wahl.
Den aktuellen M&A-Insights von Allen & Overy zufolge sind Zahl und Volumen abgeschlossener Transaktionen im vierten Quartal zwar deutlich zurückgegangen. Dennoch sei die M&A-Aktivität hoch und die Pipelines bleiben gut gefüllt.
Dies liegt vor allem daran, dass die wesentlichen Treiber für Übernahmen und Fusionen nach wie vor gegeben sind: Die Geldbestände deutscher Konzerne sind hoch, das Fremdkapital bleibt billig. "Die Antriebskraft dieser Treiber ist stark – so stark, dass sich die Akteure am deutschen M&A-Markt auch vom Ausgang des Brexit-Referendums im Vereinigten Königreichs nicht beeindrucken ließen", heißt es bei A&O.
Deals mit US-Bezug prägen das Geschehen
In diesem Jahr wurde der hiesige M&A-Markt ganz besonders von Transaktionen mit US-Bezug geprägt, allen voran die 66 Milliarden Dollar schwere Übernahme des US-amerikanischen Agrarkonzerns Monsanto durch Bayer. Es ist das bis heute größte deutsche Auslandsinvestment, die Chrysler-Übernahme von Daimler hatte seinerzeit ein Volumen von rund 43 Milliarden Dollar. Sollte der zunächst abgesagte Zusammenschluss von Linde und Praxair doch zustande kommen, rückt er mit einem Transaktionsvolumen von insgesamt rund 60 Milliarden Dollar auf Platz 2.
"Transaktionen mit Bezug zu den USA sind für den deutschen M&A-Markt seit jeher von großer Bedeutung", sagt Dr. Michael J. Ulmer, M&A-Partner im Frankfurter Büro von Cleary Gottlieb Steen & Hamilton. Das dürfte auch im kommenden Jahr so bleiben: "Wir sehen keine Anzeichen dafür, das sich das ändern wird", sagt Ulmer weiter.
Indes bleiben auch deutsche Unternehmen gesuchte Akquisitionsziele. Das dritte Quartal 2016 war von einem starken Drang deutscher Unternehmen ins Ausland geprägt und die Zahl der Inbound- und Outbund-Transaktionen hat sich in etwa die Waage gehalten. Im vierten Quartal überwiegen nun aber die Deals mit inländischen Zielgesellschaften, heißt es in den M&A-Insights von Allen & Overy. Der nach Transaktionsvolumen größte Deal im vierten Quartal war der Erwerb des Spezialchemieunternehmens Atotech durch den Finanzinvestor Carlyle für 2,87 Milliarden Euro.
Chinesische Investoren werden ausgebremst
Sowohl Allen & Overy als auch Cleary Gottlieb konstatieren, dass chinesische Investoren zunehmend ausgebremst werden. Zwar dominierten sie die Inbound-Deals über viele Monate, doch im vierten Quartal kamen sie bei den großen Transaktionen überhaupt nicht zum Zug.
Die Kuka-Übernahme durch die chinesische Midea mit einem Volumen von rund 4,6 Milliarden Euro gilt als größtes chinesisches Direktinvestment in Deutschland. Zusammen mit der letztlich gescheiterten Übernahme des Chipanlagenbauers Aixtron durch die chinesische Grand Chip Investment bot sie allerdings auch den Anlass für eine Diskussion um eine aktivere Industriepolitik.
Um den "Ausverkauf" deutscher Hochtechnologie zu vermeiden, bemühte sich nämlich das Bundeswirtschaftsministerium um ein konkurrierendes inländisches Angebot für Kuka. Minister Sigmar Gabriel (SPD) widerrief auch die Unbedenklichkeitsbescheinigung für die Übernahme von Aixtron durch Grand Chip Investment, und er verwies die Übernahme der Osram-Tochter Ledvance ins Prüfverfahren.
Gesetzentwurf: Vetorecht des Wirtschaftsministeriums
Das Bundeswirtschaftsministerium schreibt auch an einem Gesetzentwurf, der dem Ministerium Vetorechte gegen ausländische Direktinvestitionen einräumen soll. "Dies allein hat bei chinesischen Investoren zu großer Unsicherheit geführt: Die Verhandlungen über eine Übernahme von Osram durch ein chinesisches Konsortium und über den Einstieg eines chinesischen Unternehmens bei Siltronic wurden beendet", berichtet Dr. Hartmut Krause, Corporate/M&A-Partner bei Allen & Overy.
Gebremst werden chinesische Unternehmen aber auch durch die eigene Regierung. Laut Plänen des staatlichen Devisenamts (SAFE) sollen Auslandsinvestitionen ab zehn Milliarden US-Dollar künftig ausnahmslos untersagt werden. Auslandsinvestitionen ab einer Milliarde US-Dollar würden nicht mehr erlaubt, wenn diese außerhalb des Kerngeschäfts lägen. Für Staatsunternehmen würden auch Immobiliengeschäfte im Ausland ab einer Milliarde US-Dollar verboten.
Ausblick bleibt grundsätzlich positiv
Die M&A-Experten sind sich nicht einig, ob das Interesse der chinesischen Investoren an deutschen Unternehmen angesichts dieser Entwicklungen anhalten wird. A&O-Partner Krause geht davon aus, "dass chinesische Firmen weiterhin strategisch wichtige Unternehmen akquirieren werden". Dr. Oliver Schröder, M&A-Partner im Frankfurter Büro von Cleary Gottlieb, glaubt indes, dass industriepolitische Entscheidungen zu einem Rückgang der chinesischen Investments führen könnte.
Wie sich das Marktgeschehen vor dem Hintergrund von Brexit und der US-Präsidentschaftswahl weiterentwickelt, bleibt aus Sicht der Anwälte abzuwarten. Die Cleary-Anwälte betonen die Stärke des nationalen M&A-Marktes und die anhaltende Attraktivität von US-Transaktionen. Dies führe dazu, dass für Deutschland auch 2017 mit einem aktiven M&A-Markt zu rechnen sei. Ähnlicher Optimismus herrscht bei Allen & Overy: "Die Transaktions-Pipeline für 2017 ist gut gefüllt. Verschiedene Carve-outs, Exits von Finanzinvestoren und große IPOs stehen an, sodass den M&A-Aktivitäten im Jahr 2017 zuversichtlich entgegengeblickt werden kann."
Mergers & Acquisitions: . In: Legal Tribune Online, 23.12.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21573 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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