Der Landkreis Calw hat im Streit mit dem Bundesverband Deutscher Privatkliniken um den Defizitausgleich bei kommunalen Krankenhäusern einen wichtigen Etappensieg vor dem BGH errungen. Menold Bezler und KPMG vertreten Beklagte und Kläger.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Klage des Bundesverbands Deutscher Privatkliniken e.V. (BDPK), vertreten durch KPMG Law, gegen den Landkreis Calw im Wesentlichen abgewiesen (Urt. v. 24.03.2016, Az.: I ZR 263/14). Die privaten Krankenhausbetreiber hatten beantragt, dem Kreis zu untersagen, das Defizit der Kreiskliniken Calw gGmbH auszugleichen. Dies sei nach den EU-Wettbewerbsregeln als verbotene Beihilfe anzusehen.
Das Landgericht Tübingen hat die Klage abgewiesen (Urt. v. 23.12.2013, Az.: 5 O 72/13). Auch die Berufung des Klägers zum Oberlandesgericht Stuttgart hatte keinen Erfolg (Urt. v. 20.11.2014, Az.: 2 U 11/14). Das Berufungsgericht hat jedoch offen gelassen, ob die Zuwendungen des Beklagten an die Kreiskliniken staatliche Beihilfen darstellen.
BGH weist Revision zurück
Der BGH hat die Revision zurückgewiesen, soweit sie sich gegen den Ausgleich der Verluste der Kreiskliniken für den Zeitraum ab dem Jahr 2014 richtete. Die Zuwendungen des Landkreises für diesen Zeitraum seien von der Notifizierungspflicht zur Europäischen Kommission freigestellt, soweit sie auf der Grundlage des Betrauungsakts des Landkreises vom 19. Dezember 2013 gewährt wurden.
Im Hinblick auf die Ausgleichsleistungen für die Jahre 2012 und 2013 haben die Karlsruher Richter die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG Stuttgart zurückverwiesen, da der Betrauungsakt vom 22. April 2008 nach Auffassung des BGH nicht sämtliche Anforderungen der sogenannten "Freistellungsentscheidung" der Europäischen Kommission erfülle. Das Berufungsgericht muss nun zunächst prüfen, ob es sich bei den Zuwendungen des Landkreises überhaupt um staatliche Beihilfen handelt.
Die Leistungen des beklagten Landkreises dienen der Aufrechterhaltung des Betriebs der defizitär arbeitenden Krankenhäuser Calw und Nagold, so die BGH-Richter. Bei den medizinischen Versorgungsleistungen der Kreiskrankenhäuser handele es sich um Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse. Aus der Aufnahme der Krankenhäuser Calw und Nagold in den Krankenhausplan ergebe sich, dass ihr Betrieb zur bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung notwendig ist. Als Landkreis habe der Beklagte den Betrieb der Kreiskrankenhäuser nach § 3 Abs. 1 und § 7 Abs. 1 des Landeskrankenhausgesetzes Baden-Württemberg sicherzustellen.
Ähnliche Probleme in anderen Kommunen
Die Probleme bei der Finanzierung sind bei kommunalen Krankenhäusern überall ähnlich, heißt es bei der Stuttgarter Kanzlei Menold Bezler, die den beklagten Landkreis in dem Verfahren vertritt. Immer mehr Kreise und Städte müssten ihre defizitären Kliniken finanziell unterstützen. Insbesondere in dünn besiedelten Landkreisen fielen hohe Kosten an, damit die Entfernung zum nächsten Krankenhaus nicht zu groß werde. Der Landkreis Calw kämpfe insoweit stellvertretend für viele Kommunen gegen die Musterklage des BDPK.
Die Privatkliniken sehen in dem Defizitausgleich einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht. Der Wettbewerb mit den privaten Krankenhäusern werde verzerrt, weil diese ohne Beihilfen auskommen müssten.
Menold Bezler für den Landkreis Calw:
Dr. Stefan Meßmer, Kartell- und Beihilfenrecht, Partner, Stuttgart
Dr. Beatrice Fabry, Unternehmen der öffentlichen Hand, Partnerin, Stuttgart
Dr. Jörg Semmler für den Landkreis Kalw (BGH-Vertretung)
KPMG Rechtsanwaltsgesellschaft für den BDPK:
Dr. Matthias Aldejohann, Prozessführung, Dresden
Dr. Carsten Jennert LL.M., Beihilfenrecht, Frankfurt
Gierke & Rohnke für den BDPK (laut Marktinformationen):
Cornelie von Gierke (BGH-Vertretung)
Menold Bezler / KPMG Law: . In: Legal Tribune Online, 30.03.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18916 (abgerufen am: 02.11.2024 )
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