Frauen legen Wert auf ein angenehmes Arbeitsumfeld, Männer wollen unbedingt Karriere machen. Stimmen diese Klischees? Ein bisschen schon. Das zeigen die Ergebnisse unserer großen LTO-Bewerberumfrage mit knapp 3.000 Teilnehmern.
Es ist ein Dilemma: Großkanzleien versuchen beinahe schon verzweifelt, den Anteil der Frauen in der Partnerschaft und Associate-Rängen zu erhöhen. Sie rufen Programme zur Frauenförderung ins Leben, und einige geben sich sogar Frauenquoten. Wirklich erfolgreich sind diese Bemühungen bislang noch nicht, und das dürfte vor allem einen Grund haben: Der schlechte Ruf der großen Law Firms, wenn es um das Thema Work-Life-Balance geht.
Denn betrachtet man die Ergebnisse der LTO Young Professionals Survey 2015 nach Geschlechtern aufgeschlüsselt, dann zeigt sich, dass gerade Frauen ihren Arbeitgeber vor allem danach auswählen, dass er ihnen ein einigermaßen ausgeglichenes Job- und Privatleben ermöglicht.
Eine gute Work-Life-Balance ist zwar sowohl für männliche wie auch weibliche Bewerber ein zentrales Kriterium der Arbeitgeberwahl, aber hier zeigen sich Geschlechterunterschiede besonders deutlich: Für 45,4 Prozent der von LTO befragten Juristinnen ist ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Privat- und Arbeitsleben für die Auswahl ihres Arbeitgebers "sehr wichtig", unter den Männern dagegen bezeichnet nur ein Drittel dieses Kriterium als "wichtig" oder "sehr wichtig".
Männer legen mehr Wert auf ein hohes Gehalt
Im Gegenzug sind einige Frauen offenbar bereit, beim Gehalt Abstriche zu machen, wobei die Geschlechterschere hier weniger weit auseinanderklafft. So antworteten knapp zwei Drittel der Männer (62,6 Prozent), ein hohes Einkommen sei ihnen "wichtig" bis "sehr wichtig". Bei den Frauen sind es gute fünf Prozent weniger (57,2 Prozent).
An der LTO Young Professionals Survey 2015 haben insgesamt 2.970 Referendare, Jura-Studenten und Absolventen – verteilt auf 1.290 Männer und 1.680 Frauen – teilgenommen. Damit ist die LTO-Umfrage die größte unter jungen Juristen: Die Trendence Graduate Barometer Law Edition 2014 hatte 2.400, die Bewerberumfrage 2014 des Juve Verlags 1.131 Teilnehmer.
Für Männer ist es – allerdings nur geringfügig – wichtiger als für Frauen, Karriere zu machen. Fast zwei Drittel (65,2 Prozent) der männlichen Studenten, Referendare und Absolventen bezeichneten die Karriere-Optionen als ausschlaggebend bei der Arbeitgeberwahl. Bei den weiblichen Umfrageteilnehmern sind es mit 61,3 rund vier Prozentpunkte weniger, die ebenso großen Wert darauf legen, dass ihnen die Kanzlei oder das Unternehmen, für das sie arbeiten, Aufstiegschancen bietet.
Die Umfrageergebnisse zeigen auch, dass Männer um der Karriere willen durchaus auch die Ellbogen ausfahren wollen. So sagen immerhin 14,8 Prozent der Juristen, dass sie sich sogar bei den Kollegen unbeliebt machen würden, wenn es dem nächsten Karriereschritt dient. Bei den Frauen sind es noch zwölf Prozent, die ebenso handeln würden.
Obwohl Frauen in der Tendenz weniger auf Karriere aus sind als Männer, legen sie doch größeren Wert auf Aus- und Weiterbildungsangebote. Mehr als zwei Drittel (67,5 Prozent) der Juristinnen sagen, Weiterbildungsangebote seien für ihre Arbeitgeberwahl "wichtig" bis "sehr wichtig" - unter den männlichen Juristen sind es 62,6 Prozent.
Frauen fordern Chancengleichheit
Auch sogenannte weiche Faktoren sind für die Bewerberinnen zentral. 72,3 Prozent der Frauen geben an, ein wertschätzender Führungsstil sei ihnen im Arbeitsalltag "wichtig" bis "sehr wichtig". Bei den Männern sind es mit 67,9 Prozent mehr als vier Prozentpunkte weniger.
Ein besonders großer Unterschied zwischen den Geschlechtern wird in der Frage nach Chancengleichheit deutlich. So stimmen 62,4 Prozent der Frauen der Aussage "Mir ist es wichtig, dass mein Arbeitgeber Wert auf Chancengleichheit und kulturelle Vielfalt legt" im Grundsatz zu. Bei den Männern sind dies dagegen nicht einmal die Hälfte (48,8 Prozent).
Arbeitgeber, die glaubhaft und nachdrücklich vermitteln können, dass ihnen die Themen Gleichberechtigung und Diversity am Herzen liegen, dürften es also leichter haben, Bewerberinnen für sich zu gewinnen. Denn Frauen sind auch wechselbereiter als Männer: Nur 11,2 Prozent der männlichen Umfrageteilnehmer stimmen der Aussage zu, dass die erste Arbeitsstelle vor allem eine gute Ausbildung liefern soll. Danach wollen sie sich neu orientieren. Bei den Frauen sind es allerdings schon 15,7 Prozent.
Anja Hall, In eigener Sache: . In: Legal Tribune Online, 14.07.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16221 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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