Die Insolvenz des Versandhändlers Neckermann vor gut sieben Jahren hat ein Nachspiel. Der Insolvenzverwalter glaubt, dass das Management die Pleite zu spät erkannt hat und klagt auf Schadensersatz. Das LG Frankfurt sieht die Klage kritisch.
Die 21. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Frankfurt musste sich einen größeren Verhandlungsraum für den Fall Neckermann suchen. Das angestammte Zimmer reichte nicht aus, um die Vielzahl von Anwälten und Teilnehmern eines Zivilprozesses aufzunehmen, der auch am Wirtschaftsstandort Frankfurt die üblichen Dimensionen sprengt. Im Kern geht es um die Frage, zu welchem exakten Zeitpunkt der Versandhändler Neckermann im Jahr 2012 pleite und ab wann das erkennbar war (Az.: 2-21 O 182/17).
Nach Auffassung der Insolvenzverwalter Joachim Kühne und Michael Frege von der Kanzlei CMS hat das damalige Management um den Chef Henning Koopmann im Frühjahr 2012 zu lange mit dem Insolvenzantrag gewartet. Sie verlangen von den damaligen Geschäftsführern und Aufsichtsräten insgesamt rund 19,8 Millionen Euro zurück, die nach ihrer Auffassung nicht mehr hätten ausgegeben werden dürfen. Den Aufsichtsratsmitgliedern, unter ihnen auch Arbeitnehmervertreter, werfen die Kläger vor, ihre Überwachungspflichten verletzt zu haben. Diese weisen die Vorwürfe zurück.
Der Prozess begann für Frege und Kühne jedoch mit einem Dämpfer: Die Kammer ließ am Dienstag klar erkennen, dass sie die Klage kritisch sieht. Das Gericht verlangte nun eine genauere Aufstellung der angeblich unberechtigten Zahlungen, brachte das Problem der möglichen Verjährung im Jahr 2017 zur Sprache und zeigte sich auch kritisch zu dem von CMS behaupteten Zeitpunkt, an dem die Pleite klar hätte erkennbar sein müssen.
Wann war die Insolvenz absehbar?
Der Insolvenzverwalter nannte dafür den 23. Mai 2012. An dem Tag hatte der Hauptinvestor Sun Capital ein Konzept der Gewerkschaft Verdi zur Fortführung abgelehnt und seinerseits Bedingungen für eine weitere Finanzspritze von rund 25 Millionen Euro aufgestellt. Darin war unter anderem ein "Null-Sozialplan" enthalten, in dessen Folge rund 1.400 Beschäftigte bei ihrer Entlassung keine Abfindungen erhalten sollten. Dies sei zuvor noch nie da gewesen und für Verdi nicht annehmbar gewesen, meinte der Anwalt des Insolvenzverwalters.
Das Gericht sah dies vorläufig anders. Der Vorsitzende Richter Lars Iffländer nannte die anschließenden Güteverhandlungen mit Verdi und weiteren Sanierungsbemühungen als starke Indizien, dass noch eine "positive Fortführungsprognose" bestanden habe, die gegen einen Insolvenzantrag sprechen würde. Tatsächlich hat das Unternehmen erst am 18. Juli 2012 den Antrag gestellt. Das Gericht fällte zunächst keine Entscheidung und regte erneut einen Vergleich an.
Neckermann war einstmals der größte Versandhändler der Bundesrepublik. Das Unternehmen hatte das Internet zwar schnell als Vertriebskanal erkannt, aber nicht auf die Umbrüche reagiert, die permanente Verfügbarkeit und Preistransparenz bedeuteten. Wie der einstige Hauptkonkurrent Quelle war Neckermann dem Wettbewerb durch nicht gewachsen.
dpa/ah/LTO-Redaktion
Schadensersatzprozess um Neckermann-Pleite: . In: Legal Tribune Online, 02.04.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/34707 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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