2/2: Bloß niemandem die Mandate wegnehmen
Vorstandssprecher Braun macht deutlich, dass man niemandem Geschäft wegnehmen wolle. "Wir wollen gerade keinen Wettbewerb um entgeltliche Mandate entfachen, sondern dort pro bono anbieten, wo kein Markt besteht." Er fügt hinzu: "Kein Anwaltskollege, der PKH-Mandate bearbeitet, wird durch die ehrenamtliche Beratung Mandate verlieren!" Aus diesem Grund möchte der Verein pro bono-Beratung für diejenigen fördern, die "nicht in den Genuss der gesetzlichen Kostenhilfe kommen".
Lange Zeit herrschte große Unsicherheit in der Anwaltsszene, ob pro bono-Beratung rechtlich überhaupt erlaubt sei. Fragen des unlauteren Wettbewerbs, des Versicherungsschutzes und der Zulässigkeit von unentgeltlicher Beratung verunsichern weiterhin große Teile der Anwaltschaft. Mittlerweile wurden aber sowohl die Bundesrechtsanwaltsordnung als auch das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) angepasst. Lediglich §4 des RVG sorgt für einen letzten Rest Unklarheit.
Braun, hauptberuflich als Vergaberechtspartner bei Orrick in Frankfurt tätig, sieht jedoch kein Problem: "Wir führen keine Zulässigkeitsdebatte, weil diese in der Praxis keine Rolle spielt. Klar ist jedoch, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen weiter verbessert werden müssen." Braun gibt sich zuversichtlich: "Wie so oft wird die Praxis die Theorie überholen, die schließlich nachziehen wird. Pro bono pauschal in Zweifel zu ziehen, wird der Sache nicht gerecht."
Studenten als Vorbild
Tatsächlich spricht die Bundesrechtsanwaltskammer bereits 2011 in einer Mitteilung von einer "freien, nur ethisch gebundenen Entscheidung", pro bono zu beraten. Kanzleien, die gar nicht oder nur in geringem Umfang PKH-Beratung anbieten würden, werden dort aufgerufen, sich vermehrt pro bono zu engagieren.
Weiter heißt es: "Die in das anwaltliche Ermessen gestellte Honorarvereinbarung bei Beratungen und außergerichtlichen Vertretungen eröffnet hierfür ein weites Feld, und die Regelung des § 49b Abs. 1 Satz 2 BRAO lässt auch für pro bono-Tätigkeiten in gerichtlichen Angelegenheiten genügend Raum."
Braun würde sich wünschen, dass die Anwaltskollegen einfach ihre Ärmel hochkrempelten und loslegen würden. Ein Vorbild hat er auch: "Die Studenten sind uns da weit voraus. Denn mittlerweile gibt es an fast jeder juristischen Fakultät eine Law Clinic. Gerade die junge Generation will sich gesellschaftlich engagieren."
Um die pro bono-Beratung weiter bekannt zu machen, startete der Verein eine Kooperation mit der gemeinnützigen Proboneo GmbH. Das junge Unternehmen aus Berlin hat sich auf die Vermittlung von pro bono-Projekten spezialisiert. Neben rechtlicher Beratung vermittelt Proboneo Unterstützung aus den Bereichen Kommunikation, Finanzen und Strategie an gemeinnützige Organisationen.
Pro bono hat viele Gesichter
Proboneo verzeichnet eine stete Nachfrage nach Rechtsberatung. Aktuell sucht beispielsweise ein deutsch-indisches Sozialunternehmen rechtlichen Rat. Hierbei geht es um Fragen der Gemeinnützigkeit bei Unternehmungen, die durch gewerbliche Betätigung und Spenden Mittel für gemeinnützige Zwecke generieren. Weitere Mandate, die bereits vermittelt wurden, umfassen Fragen des Gesellschafts-, Arbeits-, Datenschutz- oder Zivilrechts. Der zeitliche Aufwand variiert stark und kann zwischen 2,5 Stunden und 50 Stunden umfassen.
Auch außerhalb der organisierten Vermittlung von pro bono-Mandaten engagieren sich viele Kanzleien seit langem wohltätig. Die Kanzlei P+P Pöllath beispielsweise gründete vor 15 Jahren die Stiftung ‘Hilfe zur Selbsthilfe‘ mit einem Fokus auf Mikrofinanzkredite. Die Stiftung arbeitet weltweit mit Nichtregierungsorganisationen zusammen und fördert die Vergabe von Mikrokrediten. Eine weitere Stiftung ‘ex oriente‘ fördert den Kulturaustausch zwischen Deutschland und China. Für diese und weitere Projekte stellt P+P Pöllath ihre Büro- und Veranstaltungsräume zur Verfügung und bietet finanzielle Unterstützung.
Die Berliner Sozietät Raue legt ihren pro bono-Schwerpunkt auf kulturelle Förderung. Hier unterstützen die Anwälte verschiedene Vereine und Archive, die zum Beispiel interreligiösen Dialog auf dem Tempelhofer Feld in Berlin initiieren, Kulturprojekte an Schulen realisieren oder Kafka-Briefe kaufen möchten.
Andere, wie die Buse-Anwälte Brem und Dierks, schenken eben ihre Zeit. "Man kann natürlich auch Geld spenden, aber wir geben unsere Zeit für andere Menschen", erklärt Brem seine Motivation, Menschen in der St. Pauli Kirche zu beraten. Auch er findet, die Zeit der Diskussionen ist vorbei: "Einfach machen und helfen statt lange darüber reden!"
Désirée Balthasar, Pro Bono-Beratung: . In: Legal Tribune Online, 31.03.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15076 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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