Mit Gateley ist diese Woche erstmals eine britische Kanzlei an die Börse gegangen. Nach Informationen von LTO investigativ hegte eine weitere Sozietät ähnliche Pläne, machte aber in letzter Minute einen Rückzieher.
"Wir hielten es zunächst für eine gute Idee", berichtet der Managing Partner einer britischen Kanzlei. "Mit einem Börsengang hätten wir sicherlich ein paar Millionen Pfund eingenommen." Mit dieser Finanzspritze hätte man sich endlich neue Büromöbel leisten können.
Aber wer würde in eine Law Firm investieren wollen? "Diese Frage haben wir uns auch gestellt", gibt der Anwalt zu. Man habe daher zunächst bei den Mandanten vorgefühlt, was diese von einem Börsengang ihrer Kanzlei halten würden. "In unserer Partnerschaft gab es Anwälte, die innerlich schon gejubelt haben!" Es sei ja auch eine äußerst clevere Idee, bei Mandanten doppelt abzukassieren: Man verkauft ihnen nicht nur Rechtsberatung, sondern auch Aktienpakete.
"Das ist aber gründlich nach hinten losgegangen", räumt der Managing Partner zerknirscht ein. Die Mandanten hätten zwar zunächst positiv reagiert, aber sofort versucht, Einfluss zu nehmen. Die einen forderten Rabatte bei den Honoraren, die anderen eine Sonderdividende.
Ein Mandant hatte zwar in Aussicht gestellt, ein besonders großes Aktienpaket zu erwerben. "Aber dafür hätte sein Wettbewerber – ebenfalls unser Mandant – ein wichtiges Gerichtsverfahren verlieren müssen, das wir seit Jahren betreuen." Der Client Relationship Partner hatte zwar keine Einwände, aber das Kanzleimanagement hat – "nur um sicher zu gehen" - die Compliance-Experten der Kanzlei gebeten, dieses Angebot zu prüfen. Diese seien dann zum Ergebnis gekommen, dass eine solche Absprache "irgendwie nicht so ganz in Ordnung" wäre.
Haupthindernis: Partnerstatus aufgeben
Abgesehen von den möglichen Interessenskonflikten, die entstehen, wenn Mandanten zugleich Shareholder sind, gab es eine weitere Hürde: Um an die Börse gehen zu können, hätte die Kanzlei in die Rechtsform einer Public Listed Company (PLC) wechseln müssen. Dies wiederum hätte dazu geführt, dass die Equity-Partner ihren Partnerstatus hätten aufgeben müssen und zu Angestellten der PLC geworden wären. "Das war schlicht nicht durchsetzbar", berichtet der Managing Partner.
Eine Diskussion darüber in der Partnerversammlung sei emotional äußerst schwierig gewesen - besonders für die frisch ernannten Partner. "Da arbeiten sie sieben Jahre darauf hin, Partner zu werden. Kaum sind sie es, fällt der Kanzlei ein, dass sie ja mal einfach so die Rechtsform ändern könnte. Und innerhalb von ein paar Stunden sind sie wieder Angestellter", flucht denn auch ein Jungpartner, der anonym bleiben will.
Doch auch die Riege der Seniorpartner hatte sich vehement gegen den Börsengang gesperrt. Wie zu hören war, hat der mittlerweile 83-jährige Kanzleigründer ein zweistündiges Plädoyer für den Berufsethos des Anwalts als unabhängiges Organ der Rechtspflege gehalten. Und dass man dieses nicht auf dem Altar des Kapitalmarkts opfern dürfe. "Was er genau gesagt hat, weiß ich nicht mehr", berichtet der Managing Partner offenherzig. "Ich bin eingedöst, als er irgendetwas von Untergang des Abendlandes brüllte."
Für den Schritt an den Kapitalmarkt hat sich offenbar insbesondere die mittlere Partnergeneration, die 45- bis 55-Jährigen, stark gemacht. "Endlich einmal etwas, mit dem wir die Investmentbanker in unserem Freundeskreis so richtig beeindrucken können", soll das meistgehörte Argument für eine Börsennotierung gewesen sein.
Doch mit dieser Argumentation konnten sich die Befürworter des Börsengangs in der Partnerversammlung nicht durchsetzen; in einer Kampfabstimmung sind sie knapp unterlegen. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben, findet zumindest das Kanzleimanagement. "Wir wollen nun zunächst einmal beobachten, wie es bei Gateley läuft", heißt es dort. "Und wenn bei denen der Aktienkurs steigt, dann werden wir nachziehen."
Anja Hall, LTO investigativ: . In: Legal Tribune Online, 12.06.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15837 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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