Alternative Karrieremodelle: "Viele Anwälte erleben die Ange­bote als nicht authen­tisch"

Interview von Dr. Anja Hall

15.08.2017

2/2 Die Skeptiker vom Mehrwert überzeugen

LTO: Was aber könnte jemand tun, der dauerhaft in der Kanzlei bleiben und auch Karriere machen will?

Schön: Er könnte gewissermaßen in Vorleistung gehen und seinem Arbeitgeber helfen, damit der dann zeigen kann, wie modern er ist. Um ein paar konkrete Tipps zu geben: Denkbar wäre, dass der Associate sich aktiv für die interne und externe Kommunikation anbietet. Er könnte beispielsweise für Presseanfragen zur Verfügung stehen oder der Personalabteilung wie bei einem "Pilotprojekt" von seinen Erfahrungen mit dem neuen Arbeitszeitmodell berichten.

LTO: Das wird die Personalabteilung freuen, aber wie lassen sich skeptische Vorgesetzte überzeugen?

Schön: Auch hier würde ich auf das Mehrwert-Argument setzen und dem Partner zeigen, dass solche alternativen Karrieremodelle für das Image der Kanzlei gut sind. Beispielsweise wenn Mandanten positiv darauf reagieren und es für die Kanzlei deshalb vielleicht sogar Pluspunkte gibt bei der Mandatsvergabe. Viele große Unternehmen leben längst moderne Arbeitsstrukturen und erwarten das auch von ihren Dienstleistern. Der Mitarbeiter könnte dem Partner auch zeigen, dass sich die Kanzlei mit dem Angebot im Bewerbermarkt besser positioniert als Wettbewerber.

"Es reicht nicht aus, die Angebote nur bereitzustellen"

LTO: Das klingt nach einem steinigen Weg, den offensichtlich auch die Associates gehen müssen…

Schön: Unser Umfeld in der Branche sagt uns seit vielen Jahren, dass "so etwas" – also Anwälte mit gesunder Work-Life-Balance – nicht geht. Wir müssen deshalb erst einmal mit dem Gedanken überhaupt vertraut werden. Das gilt für jeden Anwalt, ob jung oder alt. Aber auch die Kanzlei als Arbeitgeber sollte sich kritisch fragen: Werden Mitarbeiter, die beispielsweise pünktlich Feierabend machen oder längeren Urlaub nehmen, nicht in irgendeiner Form zumindest indirekt abgestraft? Warum werden sie stattdessen nicht als Vorbilder präsentiert?

Was man jetzt schon sagen kann: Es reicht nicht aus, solche Angebote nur bereitzustellen. Man muss sie auch als Kulturwandel verstehen, der aktiv begleitet werden muss. Und wie bei jedem Wandel wird es auch hier eine Zeitlang dauern, bis er sich durchsetzt und seine Möglichkeiten voll entfaltet.

Die Volljuristin und ehemalige Rechtsabteilungsleiterin Carmen Schön berät Rechtsanwälte, Unternehmensjuristen und Wirtschaftskanzleien bei Fragen zur strategischen Ausrichtung, Marktpositionierung, Akquise und Ausbau von Mandanten sowie der Mitarbeiterführung.

Zitiervorschlag

Anja Hall, Alternative Karrieremodelle: . In: Legal Tribune Online, 15.08.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23949 (abgerufen am: 22.11.2024 )

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