Je größer Kanzleien sind, desto umfangreicher werden ihre Hierarchiestufen bis zur Partnerschaft. Da gibt es Senior, Managing und Principal Associates, Director und Counsel, Salary-Partner und Associated Partner – und keiner blickt mehr durch. Eine Kanzlei will jetzt Transparenz schaffen, mit gleich drei Karrierewegen. LTO investigativ hat sich das erklären lassen.
"Wir nehmen die Kritik unserer Associates ernst", sagt der für Human Resources (HR) zuständige Partner einer großen Wirtschaftskanzlei. Und kritisiert hätten die angestellten Anwälte in letzter Zeit vor allem, dass es keine eindeutigen Kriterien für die Stufen auf der Karriereleiter gebe. Wobei dies nicht so recht stimme, ergänzt der Managing Partner. Schließlich wisse man in der Kanzleiführung schon sehr genau, warum manche Anwälte nach drei Jahren in die Partnerschaft aufgenommen werden, andere aber doppelt so lange bräuchten: "Wer sich mehr engagiert, wird eben auch schneller befördert."
Doch weil sowohl auf den Associate-Rängen als auch unter den Partnern unterschiedliche Auffassungen herrschen, was Engagement und Leistung bedeutet, hat sich die Kanzlei, eine der personalstärksten hierzulande, dazu entschieden Transparenz zu schaffen. Neueinsteigern werden künftig drei Karrierewege angeboten: "Wir nennen sie Regular, Tall und Grande", sagt der HR-Partner.
Busy-Lizzie-Award für besonders Eifrige
Auf dem Karrieretrack "Regular" steigt der Anwalt als Associate ein, er hat 2.000 Billable Hours im Jahr zu leisten. Die Anwälte des "Tall"-Karrierewegs firmieren als HW-Associate - HW steht für Hard Working – und arbeiten 2.500 Billables. Noch einmal 500 abrechenbare Stunden mehr, also 3.000, leisten die SHW-Associates (SHW: Super Hard Working) auf dem Track, den die Kanzlei "Grande" nennt.
Entsprechend des Karrierewegs unterscheiden sich das Gehalt und die Urlaubsansprüche der angestellten Anwälte. Ein "Regular Associate" darf 30 Tage Urlaub pro Jahr nehmen – "aber natürlich nur, wenn keine Mandate anstehen, versteht sich", fügt der Managing Partner an. Der SHW-Associate des Karrierewegs "Grande" dagegen muss mit dem gesetzlichen Mindestanspruch auskommen. "Die meisten der SHW-Associates lassen ihren Urlaub allerdings ohnehin verfallen", wundert sich der HR-Partner. "Wir haben im Moment noch keine Erklärung dafür."
Zwar ist nicht vorgesehen, dass die Associates zwischen den drei Karrierewegen wechseln. Wer sich einmal dafür entschieden hat, Regular-, Grande- oder Tall-Associate zu sein, der bleibt es auch. Dennoch will die Kanzlei Anreize schaffen für Anwälte, die mehr als die Mindestanforderungen bringen. "Wer 500 Billables pro Jahr mehr leistet als vorgegeben, bekommt einen Bonus in Höhe von 500 Euro, den Busy-Lizzie-Award", sagt der HR-Partner. "Damit möchten wir unsere Wertschätzung ausdrücken", fügt der Managing Partner der Kanzlei hinzu.
Up-or-out nach sieben Jahren
Angelegt sind alle drei Karrierewege auf die Dauer von sieben Jahren. Jahr für Jahr steigt die Zahl der abrechenbaren Stunden, die die Associates leisten müssen, um 100 an. Im selben Maß erhöhe sich auch das Gehalt, also um jeweils 100 Euro jährlich, berichtet die Kanzleiführung.
Nach dem siebten Berufsjahr steht die Aufnahme in die Partnerschaft an, nach dem Up-or-out-Prinzip. Die Associates des Karrierewegs "Regular" werden entweder Salary-Partner oder verlassen die Kanzlei. "Viele der Regular Associates wechseln zu unseren direkten Wettbewerbern", berichtet der HR-Partner. Die HW-Associates des Karriere-Tracks "Tall" werden in den Status Mini-Equity-Partner befördert oder scheiden aus der Kanzlei aus.
Die Karrierestufe, mit der der Grande-Track endet, heißt Almost-Equity-Partner. "Wer diesen Schritt nicht nimmt, muss uns leider verlassen", so der HR-Partner. Ein überraschend hoher Anteil der SHW-Associates, die den Sprung zum Almost-Equity-Partner nicht schaffen, kehrt dem Anwaltsberuf den Rücken, hat die Kanzlei beobachtet. "Wir haben auffallend viele Surflehrer unter den Alumni des Grande-Tracks", berichtet der Managing Partner. Im letzten Jahr hätten sich auch fünf SHW-Associates zusammengeschlossen und ein Strick-Café gegründet.
Im Kanzleimarkt kommt das neue Personalkonzept gut an. Führungsgremien anderer Wirtschaftskanzleien prüfen bereits, ob sie Ähnliches einführen. Lediglich Bewerber und junge Associates äußerten sich skeptisch. Bemängelt wird vor allem, dass keiner der drei Karrierewege in die Vollpartnerschaft führe und die Salary-, Mini-Equity- und Almost-Equity-Partner kein Mitspracherecht in Kanzleibelangen hätten. Man habe das im Vorfeld durchaus geprüft, berichtet der HR-Partner der Kanzlei. "Allerdings hat sich die Partnerversammlung einstimmig dagegen entschieden, ihren Kreis zu erweitern."
Anja Hall, LTO investigativ: . In: Legal Tribune Online, 15.05.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15544 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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