Werden in den großen Kanzleien Partner ernannt, dann sind es meist Männer – der Frauenanteil stagniert seit Jahren. Die Erklärungen, warum so wenig geht in punkto Frauenförderung, sind immer die gleichen. Ein Kommentar von Anja Hall.
Ob wir nicht etwas zum Frauentag machen wollen, haben sie in der Redaktionskonferenz gefragt. Was denn zum Beispiel mit "Frauen als Partnerinnen in der Großkanzlei" wäre. Das sei doch super geeignet, oder nicht?
Nein, habe ich geantwortet. Das ist es nicht. Weil es nichts Neues zu berichten gibt.
Wir könnten zwar jedes Jahr aufs Neue auszählen, wie viele Frauen und wie viele Männer die großen Wirtschaftskanzleien in ihre Partnerschaften aufgenommen haben. Aber es wäre doch immer wieder dieselbe Leier: Von Geschlechterparität keine Spur, auch ihre selbstgesetzten Ziele von 25 oder 30 - warum eigentlich nicht 50? - Prozent verfehlen die Sozietäten meist.
2018 und 2019 haben wir es tatsächlich noch gemacht - und zwar mit folgendem Ergebnis: Die zehn größten deutschen Kanzleien haben Anfang 2019 insgesamt 50 neue Equity-Partner ernannt, darunter sechs Frauen. Im Jahr zuvor gab es immerhin noch zehn Frauen unter den insgesamt 37 Neupartnern der zehn personalstärksten Kanzleien.
Wenige Ernennungen - aus den immer gleichen Gründen
Eine kleine Kostprobe für 2020 gefällig? CMS ernannte zum Jahresanfang vier neue Equity-Partner, allesamt Männer. Freshfields bestellte zum neuen Geschäftsjahr im Mai 2019 zwei Männer und eine Frau zu Partnern. Auch bei Hogan Lovells wurden eine Frau und zwei Männer in die Partnerschaft aufgenommen. Bei Heuking gab es elf neue Equity-Partner, zehn davon Männer. Noerr verkündete die Ernennung von fünf neuen Equity-Partnern, allesamt Männer. Bei Gleiss Lutz gibt es drei neue Partner - alle männlich. Linklaters ist in diesem Jahr eine rühmliche Ausnahme: drei Frauen und zwei Männer wurden Partner. Die Partnerrunden in den Vorjahren waren jedoch allesamt männlich.
Würde ich nun einen Artikel über "Frauen in den Partnerschaften von Großkanzleien" machen, würde ich die Kanzleien mit diesen miesen Zahlen konfrontieren: Warum sind denn da so wenige Anwältinnen unter den Neupartnern? Und ich dürfte mir von den Personalverantwortlichen mit ziemlicher Sicherheit anhören, was sie jedes Jahr aufs Neue sagen: Wir würden ja gerne mehr Frauen zu Partnerinnen machen, aber das funktioniert leider nicht.
Und warum? Weil die Frauen eigentlich gar nicht wirklich Partnerin werden wollten. Sie hätten wahrscheinlich Sorge, Beruf und Familie in so einer Position nicht vereinbaren zu können, heißt es dann. Oder: Wir haben dummerweise gar nicht genügend Frauen im Pool der Partnerschaftsanwärter, weil sie schon vorher kündigen. Aber wir arbeiten daran, das zu ändern. Und so weiter und so so fort.
Seien wir ehrlich: Einen Artikel mit den immer gleichen Antworten auf die immer gleichen Fragen will niemand lesen.
Argumentativ noch Luft nach oben
Wäre ich eine Seminaranbieterin, ich würde Trainings verkaufen zum Thema "Was antworten auf die peinliche Frage nach der Frauenquote?" Das könnte gut laufen, denn erinnern wir uns an Novartis: Der Pharmakonzern droht seinen Panelkanzleien jetzt mit Vertragsstrafen, wenn sie Diversity-Vorgaben nicht erfüllen. Wenn dieses Vorbild Schule macht, könnte es den Kanzleien ans Geld gehen. Das dürfte vermutlich der Moment sein, in dem sich tatsächlich etwas ändert.
Und dass argumentativ noch Luft nach oben ist, zeigen Kanzleien wie jene britische, die ein rein männliches Panel auf einer Veranstaltung zum Weltfrauentag damit rechtfertigte, einen "alternativen Blick" auf die Frauenfrage werfen zu wollen. Und Männer wie der ehemalige Großkanzleipartner und aktuelle Kandidat für den CDU-Vorsitz, Friedrich Merz, der Forderungen nach paritätisch besetzten Listen als "Diskriminierung von Männern" bezeichnete. Novartis hat eine weibliche General Counsel, und ich wette, sie würde lachend vom Stuhl fallen, wenn ihr ein Anwalt mit solch lauen Ausflüchten käme. Ich jedenfalls habe schallend gelacht.
Ich ahne, was einige von Ihnen jetzt einwenden möchten: "Das ist doch unfair. Man kann doch nicht einfach alle Kanzleien über einen Kamm scheren. Es gibt auch welche, bei denen es besser läuft."
Stimmt, die gibt es. Es gibt Ausnahmekanzleien, aber sie sind eben nicht die Regel. Ich spreche mit vielen Menschen aus großen, mittelgroßen und kleinen Sozietäten, denen Frauenförderung ein echtes Anliegen ist und denen ich das auch zu 100 Prozent glaube. Allerdings: Wenn es Fortschritte gibt, dann sind sie so marginal, dass sie von außen kaum wahrnehmbar sind. Wäre es anders, könnten wir das daran ablesen, dass der Frauenanteil in den Partnerschaften tatsächlich steigt.
Wenn das irgendwann passiert, dann sind wir die Ersten, die darüber berichten. Versprochen.
Frauen als Partnerin in der Großkanzlei: . In: Legal Tribune Online, 07.03.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/40689 (abgerufen am: 18.11.2024 )
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