Die Coronapandemie hat den Luftverkehr in eine schwere Krise gestürzt, es drohen sogar Insolvenzen. Doch Insolvenzverfahren von Airlines sind rechtlich besonders komplex. Warum das so ist, erklärt María Armingol Suárez.
Luftfahrtunternehmen machen eine historisch beispiellose Krisensituation durch. Die IATA, der Dachverband der Airlines, rechnet allein in diesem Jahr mit einem Verlust von rund 314 Milliarden US-Dollar für die Luftfahrtbranche als Folge der Covid-19 Pandemie. Dem Lufthansa-Konzern entstehen nach eigenen Angaben eine Million Euro Kosten – pro Stunde! Und auch wenn die Airline nun staatliche Unterstützung erhalten soll, wird der Passagier-Flugverkehr vermutlich noch länger unter den Folgen der Pandemie leiden.
Der Gesetzgeber hat zwar in § 1 COVInsAG die Pflicht, einen Insolvenzantrag bei drohender Zahlungsunfähigkeit zu stellen, unter bestimmten Voraussetzungen bis Ende September 2020 ausgesetzt. Insolvenzen werden jedoch damit nicht vermieden, auch nicht die von Luftfahrtunternehmen. Doch Insolvenzverfahren von Fluglinien sind besonders komplex. Unter anderem, weil die Flugzeuge und ihre Triebwerke, die einen hohen Anteil des Wertes ausmachen, meist gar nicht Eigentum der Airline sind.
Flugzeuge werden in der Regel geleast
Üblicherweise werden Luftfahrzeuge und Triebwerke über eine sogenannte klassische Flugzeugfinanzierung erworben. Sie ist in der Regel grenzüberschreitend und das Flugzeug selbst wird für die Sicherung des Kredites benutzt.
Die klassische Flugzeugfinanzierung beruht auf der Trennung vom Eigentum und Nutzungsrecht am Luftfahrzeug und auf einem gesicherten Darlehen mit drei Parteien aus in der Regel unterschiedlichen Staaten. Hierzu werden ein Kaufvertrag zwischen einer Einzweckgesellschaft und dem Flugzeughersteller sowie ein Finanzierungsleasingvertrag zwischen der Einzweckgesellschaft und dem Luftfahrtunternehmen geschlossen, der am Laufzeitende eine Kaufoption vorsieht.
Darüber hinaus schließt die Einzweckgesellschaft ein Darlehen mit einem Refinanzier ab, das durch ein Sicherungsrecht auf dem finanzierten Luftfahrzeug gesichert wird. In Deutschland ist dies das Registerpfandrecht, auch "Flugzeughypothek" genannt.
Eine Finanzierung – mehrere Rechtsordnungen
Bei einer klassischen Flugzeugfinanzierung sind mehrere Rechtsordnungen betroffen, weil in der Regel Parteien aus unterschiedlichen Staaten an dem Vertragskonstrukt beteiligt sind. Zudem wird das Luftfahrzeug grenzüberschreitend eingesetzt, und drittens vereinbaren die Beteiligten in ihren Verträgen häufig das Recht eines weiteren Staates.
Aus der Anwendung dieser unterschiedlichen Rechtsordnungen können komplexe juristische Situationen resultieren. Insbesondere die Frage, welche Rechtsordnung in der Insolvenz einer Airline auf die Triebwerke, auf die Sicherungsrechte bzw. die Verträge anwendbar ist, können die Vertragsparteien nur eingeschränkt beeinflussen.
Welche Rechtsordnung gilt im Insolvenzfall?
Es kann also immer ein sogenannter Conflict of Laws entstehen, beispielsweise zwischen der Rechtsordnung, nach der das Sicherungsrecht am Flugzeug etabliert worden ist, und der Rechtsordnung des Staates, nach der das Insolvenzverfahren durchgeführt wird (lex fori concursus). Dies erschwert die Durchsetzung der Sicherungsrechte an bestimmten Orten, an denen sich das Flugzeug befinden kann, erheblich oder macht sie sogar unmöglich.
Für das Insolvenzverfahren und seine Wirkungen gilt nach Art. 7 Abs. 1 EuInsVO – wenn auch nicht ohne Ausnahmen – das Insolvenzrecht des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet das Verfahren eröffnet wird. Für die Eröffnung des (Haupt )Insovenzverfahrens sind die Gerichte des Landes zuständig, in dem die Fluglinie ihren satzungsmäßigen Sitz hat, dies regelt Art. 3 Abs. 1 S. 1 EuInsVO i.V.m. Art. 3 Abs. 1 S. 3 EuInsVO. Wenn aber die Fluglinie den Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen in einem anderen Mitgliedstaat hat und das auch nachweisen kann, werden die Gerichte jenes Landes für die Verfahrenseröffnung zuständig sein.
Ein finanziertes Flugzeug zählt nicht zur Insolvenzmasse
Im Insolvenzverfahren einer Fluglinie umfasst die Insolvenzmasse das Vermögen der Airline bei Verfahrenseröffnung und das, was sie während des Insolvenzverfahrens erlangt.
Die finanzierten Flugzeuge zählen jedoch nicht dazu. Denn ein Finanzierungsleasingvertrag über ein Flugzeug ist nach der deutschen höchstrichterlichen Rechtsprechung ein Mietvertrag. Die Fluglinie ist zunächst nicht Eigentümerin des finanzierten Flugzeuges, es ist daher nicht massezugehörig.
Zur Insolvenzmasse würde lediglich das Nutzungsrecht des Flugzeugs als selbstständiger Vermögenswert zählen. Üblicherweise wird mit dem Leasingvertrag eine Kaufoption vereinbart, welche die Fluglinie am Vertragsende ausüben kann.
In der Literatur wird die Rechtsansicht vertreten, dass das Leasingobjekt haftungsrechtlich in Höhe der Teilamortisation der Insolvenzmasse zugerechnet werden sollte. Das wäre also der Teil, den die Fluglinie bereits bezahlt hat. Wirtschaftlich betrachtet ist diese Rechtsansicht überzeugend. Rechtlich jedoch nicht, denn die Abweichung der haftungsrechtlichen von der dinglichen Zuordnung eines Gegenstandes bedarf einer expliziten gesetzlichen Regelung. Die InsO enthält – im Gegensatz zur Regelung über das Sicherungseigentum in § 51 Nr. 1 InsO – aber keinen Hinweis dazu.
Der Insolvenzverwalter müsste versuchen, den wirtschaftlichen Wert in Gestalt der bereits bezahlten Leasingraten im Rahmen des Insolvenzverfahrens zu realisieren. So würde er seiner Pflicht nachkommen, alle Vermögenswerte des Schuldners zu verwerten, andernfalls könnte er sich schadensersatzpflichtig machen.
Triebwerke sind rechtlich betrachtet nur Zubehör
Eine weitere Schwierigkeit im Insolvenzverfahren einer Airline ist der Umgang mit den Triebwerken – sie können bis zu einem Drittel des Wertes eines gesamten Flugzeuges ausmachen. Triebwerke werden heutzutage zu Wartungszwecken nach einer definierten Betriebszeit aus dem Flugzeug ausgebaut und durch ein baugleiches Austauschtriebwerk ersetzt, um zu vermeiden, dass das Flugzeug länger nicht fliegen kann. Rechtlich betrachtet sind Triebwerke daher keine wesentlichen Bestandteile des Luftfahrzeugs, sondern Zubehör. Dies führt zu zwei wesentlichen rechtlichen Risiken im Rahmen der Flugzeugfinanzierung:
Erstens kennt das deutsche Recht kein eintragbares besitzloses Sicherungsinstrument für Flugzeugtriebwerke. Werden Triebwerke eigenständig finanziert, beruht das daher entweder auf einem Pfandrecht nach §§ 1204 ff. BGB oder es werden die Geschäftsanteile der Eigentümerin der Triebwerke – in der Regel eine Einzweckgesellschaft – zugunsten der Bank verpfändet. Eine solche eigenständige Finanzierung für Triebwerke ist sehr unsicher: Die Bank ist der ständigen Gefahr ausgesetzt, das Sicherungsrecht oder -gut tatsächlich oder rechtlich zu verlieren. Beispielsweise kann ein Rangverlust eintreten. Das Sicherungsmittel wäre dann wertlos und die Bank erhält ihr Geld nicht.
In Fällen, in denen ein vollständiges Flugzeug – inklusive Triebwerk – finanziert wird, gehören die Triebwerke zum Haftungsverband des bestellten Registerpfandrechts. Da die Flugzeugtriebwerke rechtlich aber als Zubehör qualifiziert sind, kann das dazu führen, dass sie beispielweise während der Wartung aus diesem Haftungsverband ausscheiden. Darüber hinaus ist die rechtliche Einordnung der Flugzeugtriebwerke als wesentliche Bestandteile, einfache Bestandteile oder Zubehör selbst nach deutschem Recht ein weiteres Risiko für die Finanziers: Die Zuordnung ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt und wird auch von der Rechtsprechung nicht einheitlich gesehen.
Im Insolvenzverfahren ergibt sich dadurch ein erhebliches Handlungsspektrum für den Verwalter. Zunächst müsste er sich gegen Rechte Dritter an den Triebwerken wehren. Weiterhin könnte er ggfs. Rechte an anderen Triebwerken geltend machen. Es bleiben aber viele rechtliche Risiken, je nachdem wo sich ein Flugzeug tatsächlich befindet. So besteht beispielweise das Risiko, dass, wenn die Triebwerke eines finanzierten Flugzeuges durch andere, geleaste Triebwerke ausgetauscht werden, ein Gericht entscheidet, dass die Ersatztriebwerke nicht zum Flugzeug und somit auch nicht mehr zum Haftungsverband der Flugzeughypothek gehören. Die Insolvenzmasse bzw. der Refinanzier des Flugzeuges hätten dann die Triebwerke verloren. Bereits das Urteil des Danish High Court vom 19. Juni 2015 über das Eigentum an Flugzeugtriebwerken im Rahmen der Insolvenz der dänischen Fluglinie Cimber Sterling A/S hat dieses besonders hohe Risiko bestätigt.
Viele rechtliche Risiken – und eine Lösung
Zur Lösung einiger juristischer Probleme bietet sich das Übereinkommen über Internationale Sicherungsrechte an beweglicher Ausrüstung und ihr Luftfahrtausrüstungsprotokolls (Cape Town System, CTS) an. Es verbessert die Rechtssicherheit der Flugzeugfinanzierungstransaktionen, indem es ein eigenständiges transnationales Sicherungsrecht einführt, die Durchsetzungsmaßnahmen der Rechte der Gläubiger auch in der Insolvenz verbessert und ein internationales Online-Registers bereitstellt, durch das ein höheres Maß an Publizität gewährt wird.
Konkret behandelt das CTS die Flugzeugzelle und die Flugzeugtriebwerke als eigen-ständige Luftfahrzeuggegenstände. Beide können gesondert mit einem internationalen Sicherungsrecht belastet werden und damit sicherer finanziert werden. Darüber hinaus können die Rechte im internationalen Online-Register eingetragen werden. Deutschland hat das CTS bisher nicht ratifiziert und eine Ratifizierung ist aktuell eher unwahrscheinlich. Dies liegt am fehlenden Interesse der deutschen Luftfahrtunternehmen und dem erheblichen Aufwand, der für die Umsetzung in die deutsche Rechtsordnung notwendig wäre.
Mit der Ratifizierung würde die Regierung jedoch eine Vielzahl der bestehenden Probleme beseitigen und könnte so die deutsche Luftfahrtindustrie und den Standort Deutschland stärken.
Die Autorin: Dr. María Armingol Suárez arbeitete nach langjähriger Tätigkeit als Rechtsanwältin in Spanien rund vier Jahre als Assistentin am Institut für Luftrecht, Weltraumrecht und Cyberrecht der Universität zu Köln. Dort hat sie über "Die klassische Flugzeugfinanzierung in der Insolvenz eines Luftfahrtunternehmens" promoviert, die Dissertation ist im Wolters Kluwer Verlag veröffentlicht worden. Derzeit betreut sie bei einer Versicherung Luftfrachtschäden. Der Artikel gibt ihre persönliche Meinung wieder.
Luftfahrt in der Coronakrise: . In: Legal Tribune Online, 26.05.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41719 (abgerufen am: 25.11.2024 )
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