Laut einer Studie unter englischen und amerikanischen Kanzleien haben die Business-Development- und Marketing-Teams während der Pandemie stark an Bedeutung gewonnen. Die Lage in Deutschland beleuchten Barbara Helten und Adrian Raub.
Die Personalberatungsgesellschaften Totum und Calibrate Legal haben im vergangenen Herbst über 120 englische und amerikanische Kanzleien befragt. Übergeordnetes Ziel der Studie war es, Einblicke in die aktuelle Struktur und Rolle von Marketing- und Business Development (BD)-Managern in Kanzleien zu erhalten. Die Studienmacher wollten erfahren, wie sich Covid-19 auf ihren aktuellen Beitrag zum Geschäft auswirkt. Außerdem haben sie untersucht, wie die Pandemie die zukünftige Zusammensetzung und Entwicklung der Teams beeinflusst. In einer zusätzlichen Blitzumfrage in deutschen Kanzleien waren sich alle einig: Die Arbeit von Marketing- und Business Development-Teams hat mehr Bedeutung denn je.
Der Ausbruch der Corona-Pandemie hatte zur Folge, dass über Nacht Veranstaltungen abgesagt und durch virtuelle Formate ersetzt worden sind - oder ersatzlos ausfielen. Die Befragten gaben an, dass sie Konferenzen und Veranstaltungen nach diesen Erfahrungen jetzt viel gezielter planen und gleichzeitig eine größere Anzahl kleinerer virtueller Veranstaltungen durchführen, die personalisierte Inhalte für bestimmte Zielgruppen liefern. "Bessere Inhalte" war ein Thema, das in den Studienkommentaren wiederholt auftauchte, zusammengefasst in dem Appell einer Kanzlei, "intelligenter mit aktuellen Inhalten umzugehen, die genau auf die Zielgruppen zugeschnitten sind".
Marketing und BD wird wichtiger
Einige Entwicklungen waren vor der Pandemie längst Realität: Business-Development- und Marketing-Manager nutzen ihre eigenen Twitter- oder LinkedIn-Profile zur Vernetzung und auch zum Bewerben ihrer Kanzlei. Viele Marketing- und BD-Teams konnten daher mit ihrem Wissen in die Bresche springen. So berichten einige Verantwortliche, dass sie auf einmal viel direkter mit den Mandanten im Austausch stehen. Vorher eine "heilige Kuh" und ausschließlich Sache des Anwalts, darf plötzlich also auch mal der Business-Development-Manager in unmittelbaren Kontakt mit Legal Counsel treten? Möglich - denn Marketing- und Business Development-Teams sehen sich jetzt in einer viel "strategischeren, proaktiveren Rolle", knüpfen engere Beziehungen zu den Partnern, können einen "besseren direkten Dialog mit Mandanten und potenziellen Mandanten" aufbauen, heißt es in der Studie.
Auf die Frage nach den fünf wichtigsten Marketing-Technologien, in die sie zu investieren planen, nannten die englischen und amerikanischen Kanzleien -wenig überraschend - am häufigsten CRM (Customer Relationship Management). In Großbritannien gaben vor der Pandemie nur sieben Prozent der Kanzleien mehr als 30 Prozent ihres Marketingbudgets für digitales Marketing aus. Für die Zeit nach Covid erwarten 87 Prozent aller Sozietäten, dass sie in den nächsten drei bis fünf Jahren einen deutlich größeren Teil ihres Marketingbudgets in digitales Marketing und neue Technologien investieren werden. Dies deckt sich auch mit der Aussage von über 90 Prozent der befragten Kanzleien, dass digitale Fähigkeiten nach der Pandemie stärker gefragt sein werden.
Wie ist die Lage in Deutschland?
Nicht anders sieht es bei deutschen oder in Deutschland tätigen Kanzleien aus. Die Pandemie bietet auch hier Potential für eine Neupositionierung der Teams. Tenor einer Blitzumfrage: Archaische Strukturen werden es schwer haben, sich an die neue Schnelllebigkeit anzupassen. Auf einmal sind Partner zugänglicher geworden und schrecken nicht mehr vor Webinaren, Videos oder LinkedIn-Beiträgen zurück.
Und so geht auch Dominic Krohne, Leiter BD bei Squire Patton Boggs, davon aus, dass die zusätzlichen Aufgaben durch die Verlagerung ins Digitale nach der Pandemie fortbestehen werden. "Das originäre People's Business samt Geschäftsanbahnung, wie wir es kennen, erfährt aktuell natürlich eine Zäsur. Wir profitieren vom vorpandemischen Netzwerk, sehen aber auch Chancen in der aktuellen Lage, da sich Mandanten und Geschäftskontakte ebenfalls im Homeoffice befinden und sich auf diese Weise ein Austausch über Telefonate oder Videokonferenzen ergibt, der teils auch persönlicher und privater ist als in Nicht-Corona-Zeiten. Der Fokus hat sich also nicht verändert, aber die Kommunikationswege sind anders und kreativer. Covid-19 hat auch gezeigt, dass es sinnvoll ist, Digital Natives und Millennials im BD-Team zu haben."
Manche Kanzleien richten sogar eigene Studios ein
Nicht nur auf Digital Natives setzen etwa Allen & Overy und Morrison Foerster. Die beiden Kanzleien haben eigene Bild- und Tonstudios eingerichtet, in denen Live-Diskussionen stattfinden können. Hybrid-Veranstaltungen, mit Anwesenden im Studio und Zuschauern zuhause.
Ulrich Horstschäfer, Head of Marketing and Business Development von Allen & Overy, berichtet, dass die Kanzlei mit diesem neuen Format schon einmal 350 Teilnehmer verzeichnen konnte. "Hätten wir das als Veranstaltung im Büro gemacht, wären vielleicht 35 gekommen", so Horstschäfer. Logisch, dass man so ein Studio auch nach der Bewältigung der Pandemie für Pitches, Rehearsals und anderes nutzen kann. Sinnvoll angelegtes Geld also.
Auch Susanne Krüger, Director Business Development and Corporate Communications bei Greenberg Traurig, berichtet, dass ihre Kanzlei im Vergleich zu analogen Veranstaltungen höhere Teilnehmerzahlen registriert hat. Positiv sei auch, dass sie Inhalte später breiter über die sozialen Medien ausspielen könnten. Aber, so sagt sie weiter, "wo Chancen sind, gibt es auch oft Herausforderungen, zum Beispiel in der Akquise von Neugeschäft. Wir haben letztes Jahr zwar viele neue Mandanten gewinnen können, aber einige kamen über unsere globale Partnerschaft. Live-Konferenzen, Events und Branchentreffen fehlen aber schon sehr, um persönlich zu netzwerken und Kontakte zu knüpfen. Eine große Chance sehe ich daher in ausgeklügelten Teststrategien für Veranstaltungen, solange die Impfraten noch nicht hoch genug sind", so Susanne Krüger weiter.
Voll ausgelastete Teams
Es gibt kaum eine Kanzlei, die ihre Business-Development- und Marketing-Teams in der Pandemie verkleinert hat. Denn die Arbeit ist da, sie hat sich nur verlagert. "Unser Event-Team ist voll ausgelastet mit virtuellen Veranstaltungen. Wir begleiten unsere Anwälte in Web-Seminaren, kreieren spannende Formate, unterstützen den gesamten Online-Prozess vom Einladungsmanagement bis zur Moderation und Nachbereitung. Das war eine riesige Umstellung. Wir mussten vieles neu lernen. Wie gestaltet man rein digitale Produkte interessant und unterhaltsam?", so Christoph Tillmanns, Director Marketing bei Clifford Chance.
"Tolles Feedback" für die Anstrengungen habe es von Mandanten und Anwälten gegeben, sagt er. Seiner Meinung nach wird es ab jetzt im gesamten Marketing darum gehen, virtuelle mit analogen Formaten und Kanälen zu verbinden.
Keine Häppchen und Champagner mehr?
Ein Zurück zur Normalität wird es also nicht geben. Nie mehr ohne Kamera, ohne Möglichkeit, vom Sofa aus teilzunehmen? Vielleicht. So ganz festlegen will sich noch keiner. Einig sind sich aber fast alle: Langatmige Veranstaltungen mit edlen Häppchen und Champagner auffangen – das wird nicht mehr gehen. "Content ist King", sagt dazu Ulrich Horstschäfer. "Wir müssen weg von langangelegten, langwierigen und im Vorfeld endlos abgestimmten Kampagnen, hin zu schnelleren und spontaneren Formaten."
"Die Arbeit der Marketing- und BD-Teams ist insgesamt anspruchsvoller geworden, die Themen wechseln viel schneller als noch vor der Pandemie", so Janine Weller-Beuning von Beiten Burkhard. Jetzt sind also die Ideen- und Impulsgeber gefragt, die aktuelle Trends aufgreifen oder antizipieren. Veränderungen in der Politik, Gesellschaft, Technologie, Wirtschaft - die Arbeit der BD-Teams wird deutlich anspruchsvoller.
"Global tätige Kanzleien benötigen BD-Manager, die komplexe volkswirtschaftliche und technische Sachverhalte verstehen und aus diesen Opportunities identifizieren können – Berufsbild, aber auch marktübliche Vergütungen werden unter diesen sich wandelnden Bedingungen sicher noch attraktiver", so Ulrich Horstschäfer. Es klingt nach guten Zeiten, die den Marketing- und Business Development-Teams bevorstehen.
Autorin: Barbara Helten, Geschäftsführerin von Helten Bischof Communications, spezialisiert auf die strategische PR-Beratung von Kanzleien, tätig in der Unternehmenskommunikation und bei Medientrainings.
Interviews: Adrian Raub, Principal Consultant der PSFI Gruppe. Sein Fokus liegt auf den Themen Business Development und Client Relationship Management. Außerdem ist er als Wirtschaftsmediator tätig.
Kanzlei-Marketing in der Pandemie: . In: Legal Tribune Online, 18.03.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44526 (abgerufen am: 19.11.2024 )
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