Die Bemühungen, einen Alleingang zu verhindern, sind gescheitert: 31 Wirtschaftskanzleien gründen einen eigenen Bundesverband, in dem sie die Vertretung ihrer Interessen bündeln und organisieren wollen. Der DAV ist not amused.
Nun also doch. Der Bundesverband der Wirtschaftskanzleien in Deutschland (BWD) kommt. In Frankfurt treffen sich heute Vertreterinnen und Vertreter von 31 auf dem deutschen Markt tätigen Wirtschaftskanzleien, um den Grundstein für eine Interessenvertretung abseits des Deutschen Anwaltverein (DAV) zu legen.
Die Gründungsmitglieder beschäftigen nach eigenen Angaben 4.600 Anwältinnen und Anwälte sowie weitere 8.000 Mitarbeitende und erwirtschaften einen Jahresumsatz von 2,1 Milliarden Euro.
Initiatoren des Projekts BWD sind Stefan Rizor und Prof. Dr. Thomas Wegerich. Rizor war zu Beginn seiner anwaltlichen Laufbahn für Friedrich Graf von Westphalen tätig. 2001 wechselte er zur Kanzlei Osborne Clarke, wo er von 2002 bis 2013 deutscher Managing Partner war und inzwischen als Of Counsel berät. Wegerich ist Verleger und gehört German Law Publishers an.
DAV-Initiative steht bereits in den Startlöchern
Wenige Tage vor dem geplanten Start des 'Forums für Wirtschaftskanzleien' am 7. April, mit dem der DAV einen Versuch unternehmen wollte, bestehende Differenzen auszuräumen, den unzufriedenen Wirtschaftskanzleien mehr Einflussnahme zu ermöglichen und so eine Abnabelung zu verhindern, schaffen die Adressaten nun Tatsachen.
Zwar stieß die Initiative des DAV in den Kanzleien auf positive Resonanz, die angedachten Zugeständnisse waren aber dem Vernehmen nach nicht weitreichend genug. Zudem kam der Vorstoß zu einem Zeitpunkt, als die Gespräche zur Gründung einer eigenen Interessenvertretung schon deutlich weiter fortgeschritten waren, als die Beteiligten offiziell kommunizieren wollten.
Gegenüber dem DAV ist mindestens der Zeitpunkt der Bekanntgabe ein Affront. Erwartungsgemäß kommt dessen Bewertung der Pläne in der Tonlage Moll daher: "Als Spitzenverband der Anwaltschaft gegenüber der Politik bedauern wir das natürlich. Mehrere parallele Verbände schwächen eher die Stimme der Anwaltschaft insgesamt, als die der Wirtschaftskanzleien zu stärken. Insofern hätten wir eine Bündelung der Bedürfnisse und Interessen unter dem Dach des DAV bevorzugt", so der Verband auf Anfrage gegenüber LTO. Eine Zersplitterung in Einzelinteressen helfe niemandem.
Miteinander oder Gegeneinander?
Abzuwarten ist, wie sich BWD und DAV voneinander abgrenzen und ob es dem BWD gelingt, weitere Kanzleien zu einer Mitgliedschaft zu bewegen. Einige große Namen der Branche begegnen der Initiative zunächst mit Zurückhaltung. Hengeler Mueller bestätigte LTO, dass man nicht zu den Gründungsmitgliedern des neuen Verbands gehört.
Grundsätzlich bleibt genug Spielraum für ein Nebeneinander. Auch, weil eine neue Herangehensweise gewählt wird. Während in den vorhandenen Lobbyorganisationen Mitgliedschaften mit Einzelpersonen verbunden sind, geht es hier um die Kanzleien, die dem neuen Verband als vollständige Einheiten angehören werden.
Dass sich der Ausgangslage durchaus etwas Positives abgewinnen lässt, zeigt Andreas Okonek, Partner bei Redeker Sellner Dahs, auf. Die Gründung des BWD könne in einem pluralistischen System sogar durchaus förderlich sein, jedenfalls solange es nicht zu Konkurrenz- und damit möglicherweise Konfliktsituationen komme, so Okonek, dessen Kanzlei ebenfalls nicht zu den Gründungsgesellschaftern des BWD gehören wird, gegenüber LTO.
DAV: Parallele Mitgliedschaften möglich
Der DAV hält an seiner Bereitschaft fest, die Belange der Wirtschaftskanzleien stärker zu repräsentieren. Das 'Forum für Wirtschaftskanzleien' ist gekommen, um zu bleiben. "Dieser Austausch ist uns wichtig, um uns gemeinsam über die spezifischen Bedürfnisse auszutauschen. Dieses Forum ist auf Dauer angelegt", so der Verband zu LTO.
Eine Abwendung von Anwältinnen und Anwälten erwartet der DAV nicht, es werde "parallele Mitgliedschaften" geben. Und im Hinterkopf scheint durchaus auch die Hoffnung auf eine mittelfristige Wiedervereinigung präsent zu sein.
"Der Weg zwischen dem Wahrnehmen einer vermeintlichen Lücke und der eigenständigen Ausfüllung kann manchmal länger sein als gedacht", gibt man den Abtrünnigen noch als Denkanstoß mit auf die Reise.
Neue Interessenvertretung abseits des DAV: . In: Legal Tribune Online, 29.03.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/47978 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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