Das Kartellamt schränkt die Sammelwut von Facebook drastisch ein. Das Unternehmen darf künftig nicht mehr automatisch Daten von anderen Websites oder Diensten wie WhatsApp und Instagram mit den Facebook-Accounts seiner Nutzer verknüpfen.
Eine "krachende Niederlage" für Facebook – so wertete ein Beobachter die Entscheidung des Bundeskartellamts (BKartA) im Verfahren gegen das Online-Netzwerk. Die Behörde untersagt Facebook die Datensammlung außerhalb seines Netzwerks, weil es darin einen "Ausbeutungsmissbrauch" sieht. Facebook besitze in Deutschland eine marktbeherrschende Stellung und missbrauche sie, erklärte die Behörde am Donnerstag.
Zentraler Kritikpunkt der Wettbewerbshüter ist, dass Nutzer der Datenerhebung auf den Drittseiten zustimmen müssen, um Facebook überhaupt verwenden zu können. Die anderswo gesammelten Daten verknüpfe Facebook dann mit Informationen über die Nutzer von der Plattform selbst, erklärt das Bundeskartellamt. Das Kartellamt ist der Auffassung, dass die Nutzungsbedingungen sowie Art, Umfang und Verwertung der Daten gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGV) verstoßen und untersagt diese Praxis nun.
Die Behörde betrachtet bei ihrer Entscheidung auch zum Konzern gehörende Apps wie Instagram und WhatsApp als Drittquellen. Facebook könne dort zwar weiterhin Daten sammeln, dürfe sie aber nur mit freiwilliger Zustimmung des Nutzers mit dessen Profilen verknüpfen, erklärte die Behörde. Werde die Einwilligung nicht erteilt wird, müssten die Daten bei den anderen Diensten verbleiben und dürften nicht kombiniert mit den Facebook-Daten verarbeitet werden. Gleiches gelte für Daten, die auf Websites von Dritten gesammelt werden. "Wir nehmen bei Facebook für die Zukunft eine Art innere Entflechtung bei den Daten vor", sagt Kartellamtspräsident Andreas Mundt.
"Leitplanken für die Internetökonomie"
Nach Auffassung der Behörde hat die Kombination von Datenquellen ganz maßgeblich dazu beigetragen, dass Facebook einen so einzigartigen Gesamtdatenbestand über jeden einzelnen Nutzer erstellen und seine Marktmacht erreichen konnte. Durch die Datensammlung werde Facebook auch "für Werbekunden immer unverzichtbarer". Das könne dem Wettbewerb und den Werbekunden schaden, die auf einen "mächtigen Anbieter" träfen. "Wir sind dabei, kartellrechtliche Leitplanken in die Internetökonomie einzuziehen", so der Kartellamtschef.
Aus Sicht von Dr. Michael Dietrich, Kartellrechtler bei Clifford Chance in Düsseldorf, war eine solche Entscheidung der Wettbewerbshüter zu erwarten, "wenn auch nicht in dieser Deutlichkeit". "Das BKartA scheint sich mit dieser Bewertung jetzt sehr komfortabel zu fühlen", meint er gegenüber LTO. "Offenbar haben die Ermittlungen im Laufe der Zeit so viele klare Anhaltspunkte für das Bestehen einer marktbeherrschenden Stellung von Facebook ergeben, dass das Amt die Normadressatenstellung auf einem Markt für soziale Netzwerke - die Seite der Plattform, auf der Facebook den Nutzern gegenübersteht - im Ergebnis bejahen konnte." Wenn man bedenke, dass die nächsten Wettbewerber WhatsApp und Instagram ebenfalls zu Facebook gehören, erscheine diese Sichtweise des Amtes mehr als plausibel, so Dietrich.
Facebook will sich gegen die Entscheidung wehren
Die Wettbewerbsbehörde gibt Facebook vier Monate Zeit, Lösungsvorschläge zu erarbeiten. Innerhalb von zwölf Monaten muss das Unternehmen sein Verhalten ändern. Allerdings kann das Online-Netzwerk nun innerhalb eines Monats Beschwerde gegen die Entscheidung beim Oberlandesgericht Düsseldorf einlegen. Und Facebook hat bereits angekündigt, dass es sich vor Gericht wehren will.
Facebook könnte außerdem die aufschiebende Wirkung der Beschwerde beantragen, um zu verhindern, dass die Anordnungen des BKartA sofort umzusetzen sind, sagt Dietrich. "Das halte ich mit Blick auf die vom Amt gesetzten Fristen auch für naheliegend. Andernfalls muss Facebook Vorschläge für die Änderungen an seinem Geschäftsmodell präsentieren, bevor das Oberlandesgericht über die Beschwerde entscheiden konnte."
Facebook argumentiert, dass das Online-Netzwerk zwar populär sei, aber keine marktbeherrschende Stellung habe. Man verstoße auch nicht gegen die DSGVO. Außerdem seien für die Aufsicht über ihre Einhaltung die Datenschutzbehörden und nicht Wettbewerbshüter zuständig, so Facebook weiter.
Das Bundeskartellamt zählt zu den "Drittquellen" für die Daten auch WhatsApp und Instagram, die zum Facebook-Konzern gehören – auch damit ist Facebook nicht einverstanden. Nachdem die Übernahmen durch Wettbewerbshüter freigegeben wurden, sei eine wirtschaftliche Einheit entstanden, in der Daten frei fließen könnten.
Neuland für das Kartellamt
Das Kartellamt habe mit dem Facebook-Verfahren "in gewisser Weise Neuland" betreten, sagt Kartellrechtler Dietrich. Es habe innerhalb der anerkannten Fallgruppen - wie hier dem Ausbeutungsmissbrauch - eine neue Art des Missbrauchs kreiert, indem es für die Interessenabwägung außer-kartellrechtliche Normen als Wertungsmaßstab heranziehe, nämlich das exzessive Sammeln persönlicher Daten in einer nicht-datenschutzkonformen Art und Weise, für das es keine Rechtfertigung gebe. "Das ist aber nur konsequent, da digitale Märkte mit Netzwerkeffekten anders funktionieren als analoge Märkte, so dass es auch Unterschiede bei der Frage geben muss, welches Verhalten missbräuchlich ist", sagt Dietrich.
Der IT- und Datenschutzrechtler Prof. Dr. Niko Härting kritisiert die Entscheidung des Kartellamts dagegen deutlich: "Die Durchsetzung der DSGVO ist Aufgabe der Datenschutzbehörden. Schützenhilfe durch nationale Wettbewerbsbehörden ist weder nötig noch vorgesehen." Querschüsse nationaler Behörden seien auf dem Weg zu einem einheitlichen europäischen Datenschutzrecht kontraproduktiv. Dies gelte auch für das deutsche Kartellamt. Zudem beruhe die Entscheidung auf einer "höchst eigenwillige Interpretation der DSGVO", die vielen deutschen Datenschützern nicht gefallen werde.
Wäre es richtig, dass Facebooks angeprangerte Praktiken gegen die DSGVO verstoßen, läge dies nicht an der Marktmacht des amerikanischen Unternehmens, sondern am fehlenden Handeln der Datenschutzbehörden, so Härting weiter. "Hätten die Kartellhüter mit ihrer datenschutzrechtlichen Einschätzung recht, wären nicht Facebooks Marktanteile das Problem, sondern die Untätigkeit der für den Datenschutz zuständigen Behörden."
Aus Sicht des Kartellamts ist die Frage, wie ein Unternehmen mit personenbezogenen Daten des Nutzers umgeht, nicht nur ein Fall für Datenschutzbehörden, sondern auch für die Kartellbehörden, wenn die Datensammlung und –verwertung ein wesentlicher Faktor für die Stellung eines Unternehmens im Wettbewerb ist. Auch der Gesetzgeber habe den Zugang zu Daten in § 18 Abs. 3a GWB ausdrücklich als marktmachtrelevant vor allem bei Online-Plattformen und -Netzwerken eingestuft, so die Behörde. Man habe in dem Verfahren eng mit Datenschutzbehörden zusammengearbeitet, die es auch ausdrücklich unterstützt hätten.
Mit Material von dpa
BKartA fordert "innere Entflechtung" der Daten: . In: Legal Tribune Online, 07.02.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/33729 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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