Unflexible Personallage, langwierige Verfahren: Der Präsident des OLG Dresden, Gilbert Häfner, bemängelt die Zustände in Deutschland und Sachsen. Dabei gebe es Möglichkeiten, die Situation zu entspannen, sagt er.
Aufwendige Strafprozesse bringen bundesweit vor allem Großstadtgerichte an die Grenzen ihrer Kapazität. In einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa) kritisiert Gilbert Häfner, Präsident des Oberlandesgerichts (OLG) Dresden, die angespannte Personallage, aber auch die Länge der Verfahren.
Laut Häfner brauchen Strafprozesse in Deutschland überdurchschnittlich lange. "Die Niederlande und Frankreich etwa machen kein so großes Federlesen, da werden frühere Vernehmungen und anderes eben vorgelesen. Ein Mordprozess ist dort oft schon in ein paar Tagen zu Ende", so Häfner gegenüber der dpa. Ab einem bestimmten Zeitpunkt sei der weitere Erkenntnisgewinn in einem Verfahren nur noch minimal. "Ein komplexer Prozess braucht Zeit, aber nicht drei, vier oder fünf Jahre. Das ist irrational."
Zwar würden mehr Richter die Situation entspannen, die Justiz ist aber laut dem Dresdner OLG-Präsidenten "rechnerisch ordentlich ausgestattet". Das bundesweit einheitliche Berechnungssystem für den Personalbedarf richte sich nach der Zahl der Eingänge und lege durchschnittliche Bearbeitungszeiten zugrunde. Bei aufwendigen Strafverfahren, wo mehrere Richter über Jahre gebunden sind, reicht das laut Häfner aber "nicht ansatzweise".
"Erledigungsdruck ist eine große Gefahr"
Die Richterschaft werde in anderen Bereichen verknappt, so der 64-jährige Jurist. "Es wäre angemessen, für solche Verfahren einen Sonderbedarf anzuerkennen. Denn wenn Richter unter ständigem Erledigungsdruck stehen, ist das eine große Gefahr. Die Menschen haben Anspruch darauf, dass ihr Fall mit der gebotenen Sorgfalt und dem erforderlichen Zeitaufwand bearbeitet und nicht eine möglichst schlanke Erledigung gesucht wird. "
In Sachsen seien die Strafverfahren in erster Instanz bei den Strafkammern der Landgerichte der kritischste Bereich, erklärte der OLG-Präsident. Sie hätten oft mehrere Angeklagte und Nebenkläger, häufig zögen sich die Verfahren über mehrere Monate, teils weit über ein Jahr. "Das bindet ohne Ende Personal im richterlichen Bereich, aber auch bei Wachtmeistern und den Geschäftsstellen", sagte Häfner weiter. "Und da pfeifen wir im Moment aus dem letzten Loch."
dpa/acr/LTO-Redaktion
Dresdner OLG-Präsident moniert lange Strafverfahren: . In: Legal Tribune Online, 03.06.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/35717 (abgerufen am: 24.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag