Durchbruch beim Pakt für den Rechtsstaat? Auf einer Sitzung am Mittwoch mit den Ministerpräsidenten will die Bundeskanzlerin den Ländern finanzielle Unterstützung für die Schaffung von 2.000 Stellen in der Justiz anbieten.
Nach LTO-Informationen will die Bundesregierung den Ländern 220 Millionen Euro für den geplanten Ausbau der Justiz zur Verfügung stellen. Das geht aus einer Beschlussvorlage hervor, die Bundeskanzlerin Angela Merkel am Mittwoch den Regierungschefs der Länder unterbreiten will. Mit der Sitzung am Mittwoch und der Beteiligung der Kanzlerin wird bereits seit längerem die Hoffnung verknüpft, dass der Stillstand beim Pakt für den Rechtsstaat, auf den sich die Koalition im Grundsatz verständigt hat, endlich beendet wird.
Laut dem Papier, das LTO mit Stand vom 29. November 2018 vorliegt, stellt der Bund den Ländern einmalig Mittel in Höhe von 220 Millionen Euro durch Festbeträge im Rahmen der Umsatzsteuerverteilung zur Verfügung. "Der Betrag wird gezahlt, sobald die Länder im Zuständigkeitsbereich der Justiz ihrer Selbstverpflichtung zur Schaffung und Besetzung von 2.000 Stellen (zuzüglich Stellen für den nicht-staatsanwaltschaftlichen und nicht-richterlichen Bereich) nach dem Königsteiner Schlüssel nachgekommen sind," heißt es im Beschlussvorschlag des Bundes.
Im sog. Königsteiner Schlüssel ist festgelegt, wie die einzelnen Länder der Bundesrepublik Deutschland an gemeinsamen Finanzierungen zu beteiligen sind. Der Anteil, den ein Land danach tragen muss, richtet sich zu zwei Dritteln nach dem Steueraufkommen und zu einem Drittel nach der Bevölkerungszahl.
Vom Tisch ist damit offenbar der ursprüngliche Plan von Bundesjustizministerin Katarina Barley, dass diese Summe den Ländern ausschließlich für die Bewältigung von Asylverfahren zur Verfügung gestellt werden solle.
2.000 neue Stellen
Die Umsetzung des Paktes gehöre "zu den zentralen gemeinsamen Gestaltungsaufgaben von Bund und Ländern in dieser Legislaturperiode, um den Rechtsstaat nachhaltig zu stärken" heißt es einleitend in der Vorlage der Bundesregierung. Sieben Maßnahmen werden in dem Papier genannt: Personalaufbau, Digitalisierung, Beschleunigung von Gerichtsverfahren, Opferschutz, Qualitätssicherung in der Rechtspflege, Öffentlichkeitsarbeit und eine Offensive für den Rechtsstaat.
Der Bund beabsichtigt, im Zeitraum 2018/2019 die Anzahl der Stellen beim Generalbundesanwalt um 71 (30,4 Prozent) zu erhöhen. Er schafft darüber hinaus beim Bundesgerichtshof 24 neue Stellen für einen Zivilsenat in Karlsruhe und einen Strafsenat in Leipzig sowie jeweils eine Planstelle für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei Bundesgerichtshof, Bundesfinanzhof und Bundesverwaltungsgericht.
Im Rahmen ihrer Personalhoheit würden die Ländern im Justizbereich in der Zeit vom 01.01.2018 – 31.12.2020 insgesamt 2.000 neue Stellen im Justizdienst schaffen und besetzen, wie das Papier vorsieht.
Für Polizeiaufgaben würden Bund und Länder in ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereichen je 7.500 neue Stellen in den Jahren 2018 bis 2021 in ihren Haushalten ausbringen.
Gerichtsverfahren sollen schneller werden
Aber nicht nur in Masse, sondern auch in Qualität soll investiert werden. Bund und Länder sollen „gemeinsam die weitere Spezialisierung innerhalb der Justiz voranbringen und Konzepte zur Vermittlung psychologischer Kompetenz (…) sowie digitaler und interkultureller Kompetenz entwickeln und verbessern", heißt es in der Beschlussvorlage. Ziel sei es, allen Justizbediensteten die Möglichkeit zur Teilnahme an Weiterqualifizierungsmaßnahmen zu eröffnen. Der Bund werde zudem die Regelungen zur Qualifizierung der rechtsberatenden Berufe fortentwickeln.
Wie LTO bereits berichtete, sollen außerdem Gerichtsverfahren beschleunigt und vereinfacht werden. Vorschriften "insbesondere in der Strafprozessordnung, in der Zivilprozessordnung, im Verwaltungsverfahrensrecht" sollen "modernisiert und überprüft werden, ohne dabei die rechtsstaatlichen Verfahrensgarantien anzutasten".
Im Bereich der gerichtlichen Asylverfahren sollen – "unter Berücksichtigung von Beschlüssen der Fachministerkonferenzen Leitentscheidungen ermöglicht werden, um eine stärkere Vereinheitlichung der Rechtsprechung und eine schnellere Erledigung von ähnlich gelagerten Fällen zu erreichen."
Ein positives Image für die Justiz
Wie von Bundesjustizministerin Barley kürzlich im LTO-Interview bereits angekündigt, soll es außerdem Maßnahmen für eine verbesserte Öffentlichkeitsarbeit der Gerichte sowie ein besseres Image der Justiz geben: Voraussetzung für eine positive Wahrnehmung des Rechtsstaates sei, dass er erfahrbar und erfassbar werde, heißt es in der Vorlage.
Daher sei es wichtig, dass Entscheidungen der Gerichte transparent seien und verständlich erläutert würden. "Die Bundeskanzlerin und die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder sind sich einig, dass diese Aufgabe von dafür speziell ausgebildeten Pressesprechern wahrgenommen wird."
Kritik der Landesjustizminister
Mit der von Barley ausgearbeiteten "Offensive für den Rechtsstaat" wollen die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidenten darüber hinaus "ihre Anerkennung für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Polizei und Justiz zum Ausdruck bringen, die täglich dafür arbeiten, dass der Rechtsstaat funktioniert". Geplant ist "eine Kampagne, die sich an die Bürgerinnen und Bürger mit dem Ziel wenden soll, den Rechtsstaat sichtbar und verständlicher zu machen". Zudem sollen Jobs in der Justiz attraktiver werden.
Ob den Ländern allerdings die versprochenen 220 Millionen Euro für die Maßnahmen des Paktes reichen werden, darf bezweifelt werden. Auf ihrer letzten Konferenz haben die Justizminister der Länder diese Summe als viel zu niedrig abgelehnt: Schließlich würden Stellen geschaffen, die "die 40 oder mehr Jahre finanziert werden müssen. Diese Folgekosten müssten dann die Länder schultern", beklagte etwa Thüringens Justizminister Dieter Lauinger. Die Landesjustizminister hatten bei ihrer Sitzung im November einhellig ihre Unzufriedenheit mit den Plänen von Bundesministerin Barley zum Ausdruck gebracht und sogar eine Sonder-JuMiKo erwogen.
Auch Teile der Opposition im Bundestag sehen für den Pakt des Rechtsstaates offenbar weiterhin schwarz: "Die Bundesregierung und die federführende Bundesjustizministerin führen Justiz und Öffentlichkeit an der Nase herum, wenn es nun heißt, dass alle bereits von den Ländern seit 2017 geschaffenen Richterstellen Teil des Paktes, sozusagen auf diesen anzurechnen seien. Die Ministerin schmückt sich mit fremden Federn und will die zeitlich vor ihrer Ministerzeit erfolgten Einstellungen - auf Kosten der Länder - als ihren Erfolg verkaufen“ kritisierte die rechtpolitische Sprecherin der Grünen, MdB Katja Keul, im Gespräch mit LTO.
Vorschlag zum Pakt für den Rechtsstaat: . In: Legal Tribune Online, 04.12.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/32527 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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