Darf die AfD als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft und beobachtet werden? Die Frage erreicht nun Deutschlands oberstes Verwaltungsgericht. Nachdem das OVG NRW bei seinem Nein zur Revision bleibt, muss das BVerwG nun prüfen.
Der Rechtsstreit der AfD mit dem Verfassungsschutz um die Einstufung und Beobachtung der Bundespartei erreicht das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG). Deutschlands oberste Verwaltungsrichterinnen und -richter kommen nun bei der Prüfung zum Zug, weil das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalens die Revision abgelehnt hat. Das OVG hatte das Rechtsmittel mit seinem Urteil vom 13. Mai 2024 (Az.: 5 A 1216/22, 5 A 1217/22 und 5 A 1218/22) nicht zugelassen. Das OVG entschied, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD und deren Jugendorganisation JA zu Recht als extremistischen Verdachtsfall eingestuft hat. Der 5. Senat des OVG führte aus, dass im Fall der AfD hinreichend verdichtete Umstände vorliegen, die auf Bestrebungen der Partei gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung hinweisen.
Dagegen will die AfD in die nächsthöhere Instanz. Nur hat das OVG ihr den Weg nicht frei gemacht. Zur Begründung führte es aus, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht gegeben seien. Insbesondere bestehe keine grundsätzliche Bedeutung, weil die maßgeblichen Rechtsfragen in der höchstrichterlichen und verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung geklärt seien. Auch einer Beschwerde gegen die Nicht-Zulassung der Revision hat das OVG nun nicht abgeholfen, wie am Montag bekannt wurde.
"Die Verfahren sind dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerden vorgelegt worden", schreibt das OVG in einer Mitteilung. Das muss nun über die Nichtzulassung der Revision entscheiden. Die Revision ist möglich, wenn das Gericht eine grundsätzliche Bedeutung des Falls sieht, es Abweichungen von der bisherigen Rechtsprechung gibt oder aber Verfahrensfehler vorliegen (§ 132 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung, VwGO).
Drei Emojis für eine Revision?
Ein möglicher Fehler, mit dem die AfD und ihre Anwälte argumentieren, hat mit drei "Daumen-Hoch"-Emojis zu tun. So hat ein Mann einen Post zu einer Demo im März 2024 auf LinkedIn kommentiert. "Das Schwadronieren über die so genannte 'Remigration' ist nicht nur erbärmlich und menschenunwürdig – es ist auch ein Faustschlag ins Gesicht der #Kollegialität."
Der Mann, der den Post kommentierte, hat in dem Verfahren beim OVG NRW eine wichtige Aufgabe. Er saß dort als einer von zwei Laienrichtern neben drei Berufsrichtern mit auf der Richterbank. Über "Remigration" wurde auch in Münster vor Gericht gesprochen, auch im Urteil spielt das eine Rolle. Zuerst hatte die SZ berichtet.
Die Anwälte der AfD fragen: Hatte der Laienrichter schon eine zuvor gefasste Meinung zu dem Thema? Ist der ganze Vorgang ein Grund zur Sorge um Befangenheit? Die Anwälte sehen das in einem Schriftsatz ans Gericht aus dem August so. Es ist nur einer der vielen Punkte, die der Schriftsatz rügt. Insgesamt sind es rund 50 Punkte, um die es den Anwälten geht.
"Kurze" Auseinandersetzung mit 400 Seiten
In ihre aktuelle Argumentation haben die Anwälte der Kölner Kanzlei Höcker auch noch die jüngste Entscheidung des BVerwG zum Verbot des rechtsextremen Magazin Compact aufgenommen. Sie führen Passagen des Gerichts an, die dafür sprechen sollen, die Meinungsfreiheit nach Art. 5 Grundgesetz im Rahmen einer abschließenden Gesamtschau zu berücksichtigen. Sind sie prägend für das Gesamtbild? Erst Mitte August hatte das BVerwG darüber im Eilverfahren entschieden – und gegen ein Compact-Verbot einstweilen durchgreifende Bedenken gehabt.
Selbst wenn das BVerwG sich nicht von der Beschwerde überzeugen lässt, so wird es sich doch zu den von der AfD gerügten Punkten äußern müssen. "Der Beschluß soll kurz begründet werden", schreibt § 133 VwGO vor. Und aus "kurz" könnte insgesamt auch lang werden in diesem Fall. Die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde der AfD-Anwälte umfasst knapp 400 Seiten.
Sollte das BVerwG die Beschwerde ablehnen, so wird das Urteil des OVG NRW rechtskräftig. Auch wenn die OVG-Urteile derzeit noch nicht rechtskräftig sind, darf der Verfassungsschutz die Partei bereits mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachten. Allerdings unter ohnehin hohen rechtlichen Voraussetzungen.
OVG lehnt Revision ab: . In: Legal Tribune Online, 16.09.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55424 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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