Seit über drei Jahren hat das OVG NRW keinen Präsidenten. Nun ist auch der Vizepräsident im Ruhestand. Das heftig kritisierte Besetzungsverfahren beschäftigt die Gerichte. Vor diesen geht es im November weiter – allerdings nicht öffentlich.
Am vergangenen Donnerstag hatte der Vizepräsident des Oberverwaltungsgerichts (OVG) für das Land Nordrhein-Westfalen, Sebastian Beimesche, seinen letzten Arbeitstag. Nun ist er im Ruhestand. Damit ist auch die Position des Vizepräsidenten vakant, nachdem bereits seit Juni 2021 die Stelle des Präsidenten nicht besetzt ist. Die Leitung übernimmt nun die Vorsitzende Richterin am OVG Kathrin Junkerkalefeld (50). Sie war bereits für Personalangelegenheiten zuständig und hat nach LTO-Informationen damit die notwendige Verwaltungserfahrung für diese Position.
Junkerkalefeld ist seit 2015 Richterin am OVG, leitete neben dieser Tätigkeit seit 2019 die Stabsstelle zur Einführung der elektronischen Akte in der Verwaltungsgerichtsbarkeit in NRW. Seit September 2021 ist sie Vorsitzende Richterin im 14. Senat, der Verfahren vor allem aus dem Wohnrecht, Prüfungsrecht, kommunalen Steuerrecht und Asylrecht bearbeitet. Beimesche selbst hatte Junkerkalefeld die Ernennungsurkunde ausgehändigt.
In seinen letzten Amtsjahren hatte Beimesche viel zu tun. In seiner Abschiedsrede am Donnerstag betonte der Richter laut einer Mitteilung des OVG, dass die fortbestehende Vakanz der Präsidentenstelle aus allen Blickwinkeln und in jeder Hinsicht unzuträglich sei. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit sei vielen Erwartungen ausgesetzt. Aktuell stehe – wieder einmal – die schnellere Bearbeitung von Asylstreitigkeiten im Fokus der Politik und Öffentlichkeit.
Die zügige Neubesetzung der Präsidentenstelle sei dringend erforderlich, um im Dialog mit den anderen Staatsgewalten über die notwendigen Ressourcen und die Grenzen des Machbaren auf Augenhöhe zu sein und die Gerichtsbarkeit an allen Standorten im Land bestmöglich aufzustellen, teilte das OVG mit.
Streit um Besetzung geht im November weiter
Die Neubesetzung der Präsidentenstelle ist seit Jahren ein Politikum und beschäftigt die Gerichte. Am Dienstag tagt erneut im Düsseldorfer Landtag der Parlamentarische Untersuchungsausschuss (PUA) zu der Thematik. Der grüne NRW-Justizminister Benjamin Limbach hatte sich bei der Besetzung für eine Bewerberin entschieden, die erst spät ins Verfahren eingestiegen war. Die unterlegenen Bewerber hatten Eilanträge bei den Verwaltungsgerichten Münster und Düsseldorf gestellt, die das Besetzungsverfahren stoppten. In den Entscheidungen übten die Gerichte deutliche Kritik an diesem.
Dann entschied das OVG selbst, die Präsidentenstelle dürfe mit der von Limbach favorisierten Bewerberin besetzt werden (Beschl. v. 29.02.2024, Az. 1 B 1082/23 u. a.). Ein Bewerber ließ es damit bewenden, ein zweiter – ein Richter am Bundesverwaltungsgericht – zog vor das Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Das entschied: Es muss noch gerichtlich intensiv überprüft werden, ob die von Limbach seinerzeit favorisierte Kandidatin rechtlich einwandfrei ausgewählt wurde (Beschl. v. 07.08.2024, Az. 2 BvR 418/24). Nun ist also wieder das OVG in Münster dran.
Weiter geht es im 1. Senat des OVG am 25. November und am 5. Dezember. Dann finden in Münster Erörterungstermine statt, mit Zeugen- und Parteivernehmungen – allerdings in nicht-öffentlichen Sitzungen. In Eilverfahren muss nicht mündlich verhandelt werden, es obliegt dem Senat, wie er die Sitzungen handhabt.
Hochrangige Politiker als Zeugen
Als Zeugen sind geladen der Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, Internationales sowie Medien und Chef der NRW-Staatskanzlei, Nathanael Liminiski, zudem der Bundestagsabgeordnete Ansgar Heveling, der Ministerialdirigent Dr. Andreas Christians, Ministerialdirigent Kay Holtgrewe sowie eine zurzeit an das Ministerium der Justiz abgeordnete Richterin am OVG.
Zudem sollen die Verfahrensbeteiligten förmlich als Partei vernommen werden. Die Beteiligten sind der unterlegene Bewerber als Antragsteller, die ausgewählte Bewerberin als Beigeladene und für das Land Nordrhein-Westfalen als Antragsgegner Justizminister Limbach. Eine Entscheidung des Eilverfahrens wird im Erörterungstermin nicht ergehen, teilte das OVG mit. Diese erfolge nachfolgend im schriftlichen Verfahren.
Das OVG wies darauf hin, dass die Beteiligten denselben Wahrheitspflichten obliegen wie Zeugen und erforderlichenfalls wie diese beeidigt werden können.
Postenstreit in Münster: . In: Legal Tribune Online, 05.11.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55784 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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