Der Hamburger Generalstaatsanwalt hatte im Hamburger Abendblatt massive Vorwürfe gegenüber der Politik erhoben. Nach einem Gespräch mit Justizsenator Steffen klingt das ganz anders.
Der Hamburger Generalstaatsanwalt Dr. Jörg Fröhlich hat im Hamburger Abendblatt scharfe Worte gewählt: "Wir als Staatsanwälte haben das Gefühl, dass man uns zunehmend in unserer originären Rolle entmündigt und für justizfremde Zwecke missbraucht." Die Staatsanwaltschaften hätten in der Öffentlichkeit einen "immer schlechteren Leumund." Ihnen werde vorgeworfen, "Handlanger der jeweiligen Regierung" zu sein. Fröhlich sagte weiter: "Wir wären heilfroh, wenn wir aus diesem Dunstkreis herauskämen."
Laut Hamburger Abendblatt kritisierte Fröhlich "Vereinnahmungstendenzen" der Justizverwaltungen und forderte insbesondere "die Berichtspflicht aufzuheben oder jedenfalls stark einzugrenzen." Fröhlich warnte davor, dass Regierungspolitiker sensible Informationen aus Strafverfahren erhielten und sie in ihrem Interesse nutzen könnten. Sie bekämen damit einen "Handlungsvorsprung gegenüber Nichtregierenden".
Fröhlich bezog sich dabei nicht ausdrücklich auf die Hamburger Justizverwaltung. Dennoch konnte man seine Äußerungen im Hamburger Abendblatt als Angriff auf Justizsenator Dr. Till Steffen (Die Grünen) verstehen. In einem ergänzenden Leitartikel der Zeitung heißt es, die Vorwürfe seien "politischer Sprengstoff erster Ordnung".
So wollte man das bei der Hamburger Staatsanwaltschaft nicht verstanden wissen. Sprecherin Nana Frombach sagte nach Erscheinen der Berichte gegenüber LTO: "Es ging Herrn Dr. Fröhlich nicht darum, Einzelfälle in Hamburg anzusprechen, er wollte auf ein strukturelles Problem aufmerksam machen. Es geht auch nicht um bestimmte Beispiele, es geht um allgemeine Vereinnahmungstendenzen, das betrifft die Justiz in ganz Deutschland." Die wörtlichen Zitate im Hamburger Abendblatt seien aber alle richtig wiedergegeben worden.
Gespräch zwischen Steffen und Fröhlich
Noch am Mittwoch fand ein Gespräch zwischen Steffen und Fröhlich statt. Anschließend gaben der Justizsenator und der Generalstaatsanwalt eine gemeinsame Pressemitteilung heraus – in der beide ausgesprochen versöhnliche Töne anschlagen.
"Ich möchte klarstellen, dass es in Hamburg keine Einflussnahme seitens der Politik auf die Ermittlungsarbeit der Staatsanwaltschaften gegeben hat", so Fröhlich in der Erklärung. "Auch einen Missbrauch der Berichtspflicht gibt es in der Hamburger Praxis nicht." Er habe "gleichwohl in allgemeiner Form auf die mit der Anbindung der Staatsanwaltschaften an die Exekutive verbundenen Gefahren und eine dementsprechende Wahrnehmung in der Öffentlichkeit" hingewiesen. Damit verfolge er das Ziel, "für eine stärke Unabhängigkeit und eine größere Nähe der Staatsanwaltschaften zur Judikative zu werben". Die Berichtspflicht gehörte zum gegenwärtigen Hierarchiemodell und sei "dort ein grundsätzlich geeignetes Instrument zur Ausübung von Dienstaufsicht", so Fröhlich weiter. "ich wünsche mir allerdings auch aus ökonomischen Gründen, diese Ressourcen für die Strafverfolgung zur Verfügung zu haben".
Steffen betonte nach dem Gespräch, die Übertragung der Fach- und Dienstaufsicht der Landesjustizverwaltungen leite sich aus dem Grundgesetz ab: "Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus, das heißt, die Staatsanwaltschaften brauchen eine Kontrolle durch gewählte Institutionen, sonst fehlt ihnen die demokratische Legitimation." Er sei jedoch offen dafür, die Diskussion über eine stärkere Unabhängigkeit wieder aufzunehmen. "Parlamentarische Kontrolle in Kombination mit der Einführung eines Klageerzwingungsverfahren, wie sie beispielsweise vom Richterbund vorgeschlagen worden sind, halte ich grundsätzlich für einen guten Ansatz," so Steffen.
Über die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaften und insbesondere über die Abschaffung des Weisungsrechts wird seit Jahren diskutiert. Der Deutsche Richterbund hatte zuletzt nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs erneut eine Reform des Gerichtsverfassungsgesetzes gefordert– was allerdings Sache des Bundesgesetzgebers wäre.
Opposition bleibt bei Vorwürfen
Gegenwind kommt allerdings von der Opposition. Richard Seelmaecker, justizpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, forderte gleich nach Bekanntwerden der Vorwürfe Fröhlichs, der Justizausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft müsse sich damit befassen. Die AfD schloss sich dieser Forderung an. Die FDP-Fraktionschefin Anna von Treuenfels-Frowein sagte gegenüber der dpa: "Der vom Generalstaatsanwalt geäußerte Vorwurf, dass Senatsmitglieder ihre Stellung ausnutzen, um zu ihrem Machterhalt an Daten aus Strafverfahren zu gelangen, wiegt außerordentlich schwer. Wenn dem so ist, hat der Senat die Gewaltenteilung ausgehebelt und ist rechtsstaatswidrig vorgegangen."
Seelmaecker betonte gegenüber LTO: "Wenn sich der Hamburger Generalstaatsanwalt zu 'Vereinnahmungstendenzen' der Justizverwaltung und der Exekutive äußert – und zwar öffentlich in einem großen Hamburger Medium – dann richtet sich das eindeutig gegen den Hamburger Senat. Eine andere Landesregierung kann die Hamburger Staatsanwaltschaft ja schlecht 'missbrauchen'. Unter den kritisierten 'Regierungspolitikern' liegt die politische Verantwortung beim zuständigen Justizsenator, der nicht zum ersten Mal auffällig geworden ist." Umstritten war etwa die Rolle des Justizsenators bei Ermittlungen gegen den Linken-Politiker Gregor Gysi im Zusammenhang mit Stasi-Vorwürfen im Jahr 2015.
Generalstaatsanwalt kritisiert Einflussnahme: . In: Legal Tribune Online, 16.10.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/38221 (abgerufen am: 22.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag