Auf EU-Ebene findet derzeit ein veritables Gerangel um das Amt des Chefs der neuen EU-Staatsanwaltschaft statt. Unter den drei Kandidaten ist auch der deutsche Andrés Ritter. Seine Chancen sind jedoch nur gering.
Ende des Jahres 2020 soll die neue EU-Staatsanwaltschaft (EUStA) ihre Arbeit in Luxemburg aufnehmen. Darauf hatten sich 2017 die EU-Justizminister verständigt. Zukünftige Aufgabe der Behörde ist die Verfolgung von Straftaten, die gegen die finanziellen Interessen der EU gerichtet sind. Wer allerdings als Leiter der Behörde die Ermittlungen wegen Korruption, Geldwäsche und Betrug für die EU leiten wird, ist aktuell noch offen. Zur Auswahl stehen die frühere Chefin der rumänischen Anti-Korruptionsbehörde, Staatsanwältin Laura Codruta Kövesi, der französische Ermittler Jean-Francois Bohnert und eben auch Andrés Ritter, 54 Jahre alt und derzeit Chef der Staatsanwaltschaft in Rostock. Eine Entscheidung in der Personalie wird in den nächsten Tagen erwartet.
Um die Kandidatenkür des EU-Chefermittlers findet bislang noch ein heftiges politisches Tauziehen statt, bei dem allerdings der deutsche Bewerber als erster das Nachsehen haben könnte. Rat und Parlament der EU, die sich am Ende einigen müssen, zeigten bei der Personalie – jedenfalls bislang – unterschiedliche Präferenzen: Die EU-Mitgliedstaaten votierten im Rat Mitte Februar eindeutig für den französischen Staatsanwalt Bohnert. Bei einer Abstimmung erhielt der 57-Jährige 50 Stimmen, Kövesi und Ritter jeweils 29 Stimmen.
Im Parlament konnte sich Bohnert indes nicht durchsetzen: Im zuständigen Ausschuss für bürgerliche Freiheiten erzielte die Rumänin Kövesi mit 26 Stimmen die Mehrheit, während Bohnert (22 Stimmen) und Ritter (eine Stimme) auf den Plätzen landeten. Noch etwas knapper war die Abstimmung im Haushaltsausschuss des Parlamentes: Auch hier siegte Kövesi mit 12 Stimmen vor Bohnert (11 Stimmen). Ritter erhielt erneut nur eine Stimme.
EU-Mitgliedsstaaten wollen Franzosen
Klar dürfte damit sein: Die Entscheidung, wer neuer Chefankläger in Luxemburg wird, fällt in den kommenden Tagen zwischen Kövesi und Bohnert. Kövesi galt dabei lange Zeit als Favoritin.
Die 45jährige war von 2013 bis Juli 2018 Chefin der Antikorruptionseinheit der rumänischen Staatsanwaltschaft (DNA). Ihr großes Engagement im Kampf gegen korrupte Politiker im eigenen Land hatte jedoch Folgen: Im Juli 2018 setzte die sozialliberale Regierung sie von ihrem Posten ab. Und auch jetzt tut der rumänische Justizminister Tudorel Toader, der Kövesis Absetzung von der DNA-Spitze betrieben hatte, alles dafür, damit Kövesis Berufung an die Spitze der EUStA scheitert.
Offenbar um ihr im Bewerbungsverfahren besonders nachhaltig zu schaden, wurde in Rumänien just wenige Tage vor der Anhörung aller drei Kandidaten in Brüssel ein Verfahren gegen Kövesi eröffnet. Vorgeworfen werden ihr von der umstrittenen rumänischen Sonderermittlungsbehörde für Justizstraftaten (SIIJ) ausgerechnet Straftaten, derer sie sich als neue Chefin auf EU-Ebene künftig zu Lasten der EU annehmen soll: Falschangaben, Amtsmissbrauch und Bestechung.
Alles nur heiße Luft? Laut einem Bericht der Österreichischen Nachrichtenagentur APA wohl ja. So beruhe das Ermittlungsverfahren gegen Kövesi auf einer Strafanzeige des früheren sozialdemokratischen Abgeordneten Sebastian Ghita, der selbst unter Korruptionsverdacht stehe und sich daher nach Serbien abgesetzt habe. Dessen Anschuldigungen, so APA, seien von der rumänischen Generalstaatsanwaltschaft bereits geprüft und für haltlos befunden sowie auch von der rumänischen Polizei widerlegt worden.
Vor diesem Hintergrund wird das bisherige Votum des EU-Parlamentes im Bewerbungsverfahren für Kövesi auch als starkes Signal gegen die rumänische Regierung gewertet. Doch mit diesem rein politischen Zeichen könnte es im Rennen um die Spitze bei der EuStA auch sein Bewenden haben. Dass die Rumänin am Ende nach ihrer nur knappen Mehrheit in den Ausschüssen des Parlamentes auch die EU-Mitgliedstaaten überzeugen wird, erscheint eher zweifelhaft: Beobachter des Bewerbungsverfahrens rechnen damit, dass sich am Ende der Generalstaatsanwalt von Reims, Francois Bohnert, durchsetzen wird.
Neben einer gewissen internationalen Unerfahrenheit Kövesis hat dies wohl auch damit zu tun, dass man es sich mit Rumänien nicht komplett verscherzen will: Schließlich gehörte das Land im April 2017 sogar zu den ersten 16 Mitgliedstaaten, die sich darauf verständigt hatten, eine Europäische Staatsanwaltschaft einzurichten. Inzwischen sind 22 der insgesamt 28 EU-Staaten daran beteiligt.
Ritter vielleicht trotzdem nach Luxemburg?
Und Andrés Ritter? Der Vater zweier erwachsener Kinder, der seit 2013 die Rostocker Staatsanwaltschaft leitet, wäre eigentlich prädestiniert für einen Top-Job auf internationalem Parkett: Ritter wuchs in Chile auf, seine Muttersprache ist Spanisch, er spricht aber auch Englisch und Französisch. In Bonn studierte er Jura, in Saarbrücken schloss er ein Aufbaustudium für europäische Integration als Jahrgangsbester ab. Und auch die EU-Ebene ist ihm bereits vertraut: Als Rechtsexperte arbeitete er 1998/1999 bei der Europäischen Kommission in Brüssel. Und auch aus Rostock agiert der Leitende Oberstaatsanwalt durchaus "international": So betreut er nebenher Berufskollegen aus anderen europäischen Ländern, die für ein Austauschprogramm nach Deutschland kommen. Außerdem beriet er bereits Staaten, wie Mexiko, Chile und Paraguay im Bereich Straf- und Strafprozessrecht.
In einem Gespräch mit LTO wird klar, wie sehr Ritter für den Job in Luxemburgs neuer Strafverfolgungsbehörde brennt. "Betrug und Korruption schaden jedes Jahr dem Haushalt der Union und der Mitgliedstaaten in Milliardenhöhe. Zugleich beschädigen sie aber auch das Ansehen Europas in den Augen der letztlich Geschädigten, nämlich der Steuerzahler", so Ritter.
Von der Sinnhaftigkeit der neuen Institution ist der Oberstaatsanwalt absolut überzeugt: "Mit der Europäischen Staatsanwaltschaft wird eine unabhängige, im Interesse der EU und ihrer Steuerzahler handelnde Staatsanwaltschaft geschaffen, die in der Lage sein wird, Betrug und Korruption effektiver zu bekämpfen und betrügerisch erlangte Gelder zurück zu gewinnen." Aus Erfahrung weiß Ritter: Einer erfolgreicheren Bekämpfung auf jeweils nationaler Ebene hätten bislang sowohl begrenzte Mittel in den Mitgliedsstaaten als auch die Notwendigkeit langwieriger grenzüberschreitender Abstimmung und unterschiedliche Ansätze in der Strafverfolgungspolitik entgegen gestanden.
Auf die Frage von LTO, ob er denn nun enttäuscht wäre, wenn sich – wie es nun aussieht - EU-Parlament und Rat auf Francois Bohnert oder Laura Kövesi verständigen würden, winkt Ritter ab: "Sowohl Frau Kövesi als auch Herr Bohnert sind in meinen Augen absolut überzeugende und kompetente Persönlichkeiten, die das Amt würdig ausfüllen würden."
Und so ganz ist der Zug für den deutschen Juristen ohnehin noch nicht abgefahren. Schließlich werden dem künftigen Chef der EUStA 22 Staatsanwälte unterstehen, die von den jeweiligen Gründungsmitgliedern noch zu entsenden sind. Ritter wäre wohl auch hierzu bereit.
Neuer Chefankläger für EU-Staatsanwaltschaft: . In: Legal Tribune Online, 04.03.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/34183 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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