Das BVerwG arbeitet "auf Kante". Trotz sinkender Eingangszahlen ächzt das Gericht unter langwierigen und komplexen Verfahren. Noch für März kündigte der Gerichtspräsident aber drei spannende Urteile an.
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) klagt über erhebliche Arbeitsbelastung. "Alle Senate des Hauses sind stark belastet", informierte Gerichtspräsident Prof. Dr. Klaus Rennert am Mittwoch im Rahmen des jährlichen Pressegesprächs in Leipzig. Besonders viel Aufwand erfordern laut Rennert die Verfahren, die sich mit komplexen Infrastrukturprojekten befassen. Betroffen seien die Senate, die sich mit Klagen zum Fernstraßenrecht, Eisenbahnverkehr und Wasserstraßen befassten. Aber auch der erste Senat, der für Asyl.- und Ausländerrecht zuständig ist, habe, so Rennert, weiterhin "gut zu tun".
Insgesamt ist die Zahl der Verfahrenseingänge beim BVerwG* im Vergleich zum Jahr 2017 im Jahr 2018 um knapp acht Prozent leicht zurückgegangen. 1.344 Verfahren wurden 2018 in Leipzig anhängig gemacht. Gleichzeitig konnten die Erledigungen mit 1.441 Verfahren im Vergleich zum Vorjahr leicht gesteigert werden.
Rennert betonte, dass die Abnahme der Eingänge keineswegs bedeute, dass das Gericht weniger Arbeitsbelastung habe. Im Gegenteil: Bei den sogenannten "A-Sachen", also solchen Angelegenheiten, für die das BVerwG als erste Instanz zuständig ist, seien im Jahr 2018 mehr Klagen als im Vorjahr eingegangen. Verfahren etwa, die Autobahnprojekte zum Gegenstand haben, hätten sich im Vorjahr im Vergleich zu 2017 mehr als verdoppelt. Und auch wenn es sich dabei de facto nur um 27 Neueingänge (2017: 13) handele, handele es sich um äußerst komplexe Verfahren, die einen Senat durchaus ein halbes Jahr befassen könnten. "Im Vergleich zu anderen Bundesgerichten haben wir zwar die niedrigsten Eingangszahlen, darunter aber einen sehr hohen Anteil komplexer Verfahren", sagte Rennert.
Der Gerichtspräsident wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass auch die Gerichte der unteren Instanzen dem BVerwG zunehmend Arbeit machten. So seien in den vergangenen Jahren die Gerichtsurteile, die es vom BVerwG zu überprüfen gelte, immer länger geworden. Weiter stelle auch das EU-Recht immer höhere Anforderungen an das Gericht, so Rennert.
BVerwG-Präsident sieht "blinde Flecken" in manchen Rechtsgebieten
Im Rahmen des Pressegesprächs äußerte der Gerichtspräsident auch diverse Erwartungen an den Gesetzgeber: Rennert wiederholte die seit längerem erhobene Forderung, dass das BVerwG in asylrechtlichen Revisionssachen künftig auch etwas mehr als Tatsacheninstanz fungieren und so die tatsächliche Verfolgungssituation in den Staaten selbst beurteilen dürfen sollte.
Im Moment sei hier von Bundesland zu Bundesland die Einschätzung der Verwaltungsgerichte sehr unterschiedlich, das erschwere dem BVerwG die Arbeit. Für Rennert wäre es daher akzeptabel, wenn das BVerwG diese zusätzliche Kompetenz – allerdings maximal nur für einen Zeitraum von fünf Jahren – eingeräumt bekäme. Allerdings auch nur dann, wenn in diesem Zusammenhang ein weiterer Asylsenat geschaffen würde.
Weiteren Handlungsbedarf seitens des Gesetzgebers sieht der BVerwG-Präsident beim Thema Nichtzulassungsbeschwerde und einstweiligem Rechtsschutz im Verwaltungsgerichtsverfahren: Obwohl es sich bei den aktuell rund 1.400 Verfahrenseingängen in Leipzig bereits jetzt schon überwiegend um Nichtzulassungsbeschwerden (mit denen die Nicht-Zulassung einer Revision gerügt wird) handele, ist diese Zahl dem Gerichtspräsidenten eigentlich noch zu gering. Der Grund: Um sich in diversen Rechtsgebieten eine "größere Anschauungsbreite" zu verschaffen, müssten mehr dieser Beschwerden nach Leipzig gelangen, forderte Rennert. Voraussetzung hierfür sei aber, dass der "Filter zwischen erster und zweiter Instanz" nicht so eng sein dürfe, damit mehr Berufungen zugelassen würden.
Ein ähnliches Motiv äußerte Rennert auch beim Thema einstweiliger Rechtschutz: Hier beklagte der BVerwG-Präsident, dass das höchste deutsche Verwaltungsgericht in bestimmten Rechtsgebieten – wie etwa dem Versammlungsrecht oder auch bei beamtenrechtlichen Konkurrentenklagen - regelrecht "blinde Flecken" aufweise, wenn sich die überwiegende Anzahl der Verfahren bereits im einstweiligen Rechtsschutz erledigten.
Auch in puncto personelle Ausstattung fallen Bilanz und Ausblick beim BVerwG eher gemischt aus: Rennert beklagte, dass nunmehr seit 15 Monaten die Stelle des Vizepräsidenten, die Rennert auch bei seiner persönlichen Arbeit entlasten würde, vakant sei. Und auch vom "Pakt für den Rechtstaat", durch den 2.000 neue Stellen in der Justiz geschaffen werden sollen, profitiere das BVerwG nicht – zumindest nicht, wenn es um zusätzliche Richterstellen geht. Allerdings bekommt das BVerwG künftig Unterstützung bei seiner Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. So werde die Stelle eines Pressesprechers in Kürze ausgeschrieben, die PR-Arbeit des Gerichts soll professionalisiert und "pro-aktiver" gestaltet werden, kündigte Rennert an.
Coming soon: Polizeigebühren in der Bundesliga, Cannabis und Altbier
Einen Ausblick gab das BVerwG am Mittwoch auch auf wichtige Verfahren des Jahres 2019. Dem Gericht steht vor allem ein "heißer" März bevor. Dabei wird es – vorbehaltlich eines entsprechenden Beschlusses seitens des 9.Senats – am 26. März zu einer Premiere in Leipzig kommen. Erstmals würde die Urteilsverkündung eines BVerwG-Urteils im TV übertragen. Auf Antrag des ZDF soll das mit Spannung erwartete Urteil zu Gebühren für Polizeieinsätze bei Bundesligaspielen gefilmt werden. Ebenso auf gesteigertes mediales Interesse dürfte wenige Tage später, am 28.März, eine weitere Entscheidung des BVerwG stoßen, in der es um die Entziehung der Fahrerlaubnis bei "gelegentlichem Cannabiskonsum und erstmaligem Verkehrsverstoß" geht.
Um eine legale Droge geht es auch schon eine Woche zuvor in Leipzig: Geklärt wird am 20. März vor dem BVerwG, ob eine bekannte Düsseldorfer Altbier-Brauerei in einem allgemeinen Wohngebiet eine Gaststätte als Brauhaus betreiben darf.
Und natürlich dreht es sich 2019 in Leipzig auch wieder schwerpunktmäßig um Verkehrsprojekte: Von April bis Juni stehen beim 9. Revisionssenat des BVerwG allein fünf Entscheidungen an, in denen es um die Überprüfung von Planfeststellungsbeschlüssen von Bundesautobahnen geht.
* Anm. d. Red: Hier stand versehentlich "BVerfG". Selbstverständlich geht es um die Eingänge beim BVerwG. Korrieigert am 07.03., 13:30 Uhr.
Jahrespressegespräch 2019 beim BVerwG: . In: Legal Tribune Online, 06.03.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/34229 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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