Mehr als 40.000 ehrenamtliche Richter arbeiten an den Gerichten, rechte Gruppen hatten zur Bewerbung aufgerufen. Der Bundesjustizminister will einen Gesetzespassus ändern, denn im kommenden Jahr steht die nächste Schöffenwahlrunde an.
Lange Zeit war die Gefahr durch Verfassungsfeinde in der Justiz ein wenig beachtetes Thema. Die Einschätzung: Alles nur exotische Einzelfälle, rechtspolitisch kein Handlungsbedarf, außerdem politisch ein undankbares Thema. Spätestens der Fall des rechtsextremistischen Richter-Rückkehrers Jens Maier hat aber eine breitere Diskussion ausgelöst. Wie auch immer die Rückkehr des ehemaligen AfD-Abgeordneten in die sächsische Justiz am Ende ausgehen wird, sein Fall hat den Justizpolitikerinnen und -politikern bundesweit klar gemacht, wie ernst und unangenehm es werden kann.
Neben den Berufsrichterinnen oder Berufsrichtern sitzen in deutschen Gerichten auch noch rund 40.000 ehrenamtliche Richter, sogenannte Schöffen. Sie entscheiden bei bestimmten Strafverfahren mit, ihre Stimme zählt so viel wie die der Berufsrichter, sie könnten theoretisch sogar einen Einzelrichter überstimmen. Bei der bisher letzten Bewerbungsrunde 2018 hatten unter anderem NPD, Pegida und die mittlerweile vom Verfassungsschutz beobachtete AfD ihre Anhänger aufgerufen, Schöffen-Posten zu besetzen. Dass Berichte über diese Aufrufe keine Panikmache sind, zeigt ein Fall aus Baden-Württemberg. Das dortige Landesarbeitsgericht hatte 2008 einen Schöffen aus seinem Amt entfernt, der jahrelang Band-Mitglied einer Rechtsrockgruppe war.
Gesetzesänderung verschriftlicht die geltende Rechtslage
Bereits 2008 hatte auch das Bundesverfassungsgericht in dem Fall aus Baden-Württemberg entschieden, dass die Pflicht zur Verfassungstreue nicht nur für Berufsrichter, sondern auch für ihre ehrenamtlichen Kollegen, die Schöffen, gilt. Anders als für die Berufsrichter steht das bislang so nicht im Gesetz. Das soll sich nun ändern. Aus dem Bundesministerium der Justiz (BMJ) kommt dazu ein Formulierungsvorschlag.
Bisher sind Hindernisse für die Berufung ehrenamtlicher Richter in § 44a des Deutschen Richtergesetzes (DRiG) geregelt. Sie sollen Schöffen ausschließen, die gegen Grundsätze der Menschlichkeit oder des Rechtsstaats verstoßen oder die eine Stasi-Vergangenheit haben. Der Katalog soll nach den Plänen des BMJ erweitert werden um folgenden Zusatz: Nicht berufen werden soll, wer "keine Gewähr dafür bietet, dass er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintritt".
Hessen: "Der Bundesjustizminister akzeptiert Ausnahmen von der Verfassungstreue dieser Personen"
Bevor es begann, seinen Vorschlag zu erarbeiten, hatte das BMJ die Länder und Verbände um ihre Stellungnahmen gebeten. Mindestens ein Land ist mit der nun vom BMJ vorgeschlagenen Lösung aber nicht zufrieden: Der hessischen Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU) ist die Formulierung nicht streng genug. Denn der Zusatz landet in einem Paragraphen, in dem es heißt "soll nicht berufen werden" statt "darf nicht berufen werden". Ist die geplante BMJ-Regelung zu weich?
"Mit der vom Bundesjustizminister geplanten 'Soll-Regelung' bei der Einstellung dieser Richterinnen und Richter akzeptiert er Ausnahme von der Verfassungstreue dieser Personen. Ich sage ganz deutlich: Dieses wichtige Amt lässt keine Ausnahmen zu“, so die Ministerin gegenüber LTO.
Im BMJ ist man darüber erstaunt. Man geht dort unter den Fachjuristinnen und -juristen nicht davon aus, dass eine "Soll"-Formulierung in der Vorschrift Ermessen bei der Entscheidung einräumt. Soll heißen: Entweder jemand wird angenommen oder abgelehnt.
Auch der Blick in den Nachbarparagraph des 44a, der 44b im DRiG, legt nahe, dass der Gesetzgeber mit der "Soll"-Formulierung in § 44a wohl keinen allzu großen Spielraum bei der Entscheidung über die Verhinderung extremistischer Schöffen einräumen wollte. Denn dort heißt es für ehrenamtliche Richter, die bereits im Dienst sind und bei denen nachträglich Ablehnungsgründe bekannt werden: "ist von seinem Amt abzuberufen" – hier ist die Formulierung strenger gefasst. Warum bei der Auswahl etwas anderes gelten soll, ist der Systematik des Gesetzes nicht zu entnehmen.
Das BMJ hat mit seiner Formulierung auch eine Begründung zur "Soll"-Vorschrift mitgeliefert. Die Beamtinnen und Beamten wollen damit vermeiden, dass ein Fehler bei der Auswahl – ein Schöffe, der nie hätte Schöffe werden dürfen – in einem laufenden Prozess Anlass zu einer Verfahrensrüge gibt, weil der Spruchkörper des Gerichts falsch besetzt ist.
Verfahrensrügen können einen Prozess ausbremsen, aus Sicht von Justizpraktikern ein durchaus gefürchtetes Instrument. Außerdem liefert ein fehlerhaft besetztes Gericht einen absoluten Revisionsgrund nach § 547 der Zivilprozessordnung, ein nicht rechtskräftiges Urteil lässt sich damit angreifen. Deshalb soll der Tatbestand offen formuliert bleiben.
Am Ende wird es auf das System der Überprüfung ankommen
Das BMJ wird sich nun zu den deutlichen Einwänden der hessischen Justizministerin verhalten müssen, danach müsste ein Gesetzentwurf angefertigt werden. In Baden-Württemberg, das ursprünglich mal den Anstoß für die Änderung auf Bundesebene gab, haben 2021 CDU und Grüne sogar bereits in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, dass in Sachen Verfassungstreue für Berufsrichter die gleichen Zugangsvoraussetzungen gelten wie für die ehrenamtlichen Kollegen. Auch im Ländle soll das deklaratorische Signal im Gesetz wirken, einen Gesetzentwurf gibt es auch dort noch nicht.
Am Ende wird es aber auch für die Berufung der Schöffen genauso wie bei Staatsanwälten und Richterinnen darauf ankommen, mit welchem System eigentlich am Ende auf Verfassungstreue geprüft werden soll. Zuständig für die Vorschläge sind die Gemeinden. Wer soll dort also genau dafür Sorge tragen, dass aus der gesetzlichen Warnung auch Konsequenzen gezogen werden? Dazu enthält der Vorschlag bislang keine Aussagen. Im kommenden Jahr steht die nächste Schöffenwahlrunde an.
Neue Gesetzeshürden fürs Ehrenamt am Gericht: . In: Legal Tribune Online, 24.03.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/47939 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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