Das LG Köln hatte den Vertragsgenerator "Smartlaw" für rechtswidrig erklärt. Das OLG Köln machte am Freitag dagegen sehr deutlich, das Legal-Tech-Modell für zulässig zu halten, berichtet Martin W. Huff. Das Gericht will die Revision zulassen.
Verstößt der Vertragsgenerator www.smartlaw.de aus dem Hause Wolters Kluwer gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz? Das Landgericht (LG) Köln hatte einer auf die Feststellung ebendieser Rechtswidrigkeit gerichteten Klage der Rechtsanwaltskammer Hamburg gegen den Informationsdienstleister, zu dem auch LTO gehört, stattgegeben.
Mit ihrem Urteil (v. 08.10.2019, Az. 33 O 35/19) hatten die Kölner Richter für bundesweite Aufmerksamkeit in der Rechtsbranche gesorgt. Die Rechtsanwaltskammer (RAK) Hamburg hatte gegen die Vertragssoftware ein wettbewerbsrechtliches Verfahren gegen den anbietenden Informationsdienstleister eingeleitet. Zum einen sei die Werbung für den Vertragsgenerator unzulässig, zum anderen verstoße das Angebot ganz grundsätzlich gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG), weil solche Dienstleistungen nur Rechtsanwälte erbringen dürften.
Das LG Köln hatte der Klage vollumfänglich stattgegeben. In dem Vertragsgenerator, mit dem Verbraucher sich mit Hilfe eines Frage-Antwort-Katalogs bestimmte Rechtsdokumente generieren können, sah es einen Verstoß gegen § 2 des Rechtsdienstleistungsgesetzes. Einen Vertrag durch eine Software generieren zu lassen, die vorher entsprechend programmiert sei, sie wie eine Rechtsdienstleistung durch einen Rechtsanwalt anzusehen.
Gegen dieses Urteil hat die Wolters Kluwer Deutschland GmbH Berufung eingelegt, über die am Freitag vor dem 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Köln (Az. 6 U 263/19), dem Wettbewerbssenat, ausführlich mündlich - und unter Einhaltung aller Corona-Regelungen - verhandelt wurde.
Vergleich mit Anwaltsdienstleistung irreführend
In dem Berufungsverfahren ging es um die beiden getrennten Klageanträge der Rechtsanwaltskammer Hamburg. In dem detailliert und umfangreich vorgetragenen Ergebnis der vorläufigen Beratung des Senats macht der Vorsitzende Richter, Hubertus Nolte, zweierlei deutlich:
Zum einen sei die – von Wolters Kluwer zwischenzeitlich bereits veränderte – Werbung irreführend gewesen. Formulierungen wie "günstiger und schneller als der Anwalt" oder "Rechtsdokumente in Anwaltsqualität" hält der Senat für einen unzulässigen Vergleich einer reinen Softwarelösung mit einer anwaltlichen Dienstleistung.
Daraufhin nahm das Unternehmen seine Berufung in diesem Punkt zurück. In der aktuellen Werbung für das Produkt wird deutlich, dass das Vertragsdokument aufgrund der Eingaben des Kunden erstellt wird.
Überhaupt fremde Angelegenheiten?
In Bezug auf die Grundsatzfrage, ob solche Vertragsgeneratoren grundsätzlich zulässig sind, wird die Berufung von Wolters Kluwer Deutschland nach der vorläufigen Einschätzung des Senates aber Erfolg haben.
Der Senat begründete das mit verschiedenen Überlegungen. Zum einen definiert § 2 RDG die Rechtsdienstleistung als "jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert."
Smartlaw bietet seinen Kunden gegen Entgelt die Möglichkeit an, sich einen Vertrag selbst zu gestalten. Das geschieht, indem der Kunde anhand eines Fragenkatalogs bestimmte Eingaben macht, das Programm wählt auf dieser Grundlage dann entsprechend seiner Programmierung bestimmte Formulierungen aus. Die umfangreiche Programmierung berücksichtigt verschiedenste Möglichkeiten der Eingaben. Eine individuelle – menschliche – Prüfung durch den Anbieter findet nicht statt.
Der Senat hatte schon Bedenken in Bezug auf die Frage, ob es sich überhaupt um eine "fremde Angelegenheit" handelt. Der Nutzer mache ja eigene Angaben in eigenen Angelegenheiten.
Die zugrunde liegende Programmierung sei dabei unbeachtlich, sie führe zu keiner Zurechnung des Ergebnisses der Eingaben als konkrete Rechtsberatung des Verlags. Dies sei auch vom Gesetzgeber bei der Schaffung des Rechtsdienstleistungsgesetzes so gewollt gewesen. Der Senat wies auch darauf hin, dass der Bundesgerichtshof in einer Randbemerkung in seinem Urteil zum Fall "wenigermiete.de" Vertragsgeneratoren als nicht unter das Rechtsdienstleistung Gesetz fallend angesehen habe.
"Ein naheliegendes digitales Hilfsmittel"
Der Senat vertrat auch die Auffassung, dass erst dann eine Rechtsdienstleistung vorliegen könne, wenn eine menschliche Aktivität entfaltet wird. "Computerprogramme erbringen keine Rechtsdienstleistungen", so der Vorsitzende Nolte in der Mitteilung des Beratungsergebnisses.
Der Verbraucher gehe auch nicht davon aus, dass bei dem Produkt eine konkrete persönliche Beratung angeboten werde. Das Angebot von smartlaw sei eine Weiterentwicklung der bekannten Verträge aus dem Autokauf und Mietrecht, die auch schon Möglichkeiten zur Auswahl verschiedener Formulierungen hätten. Es sei ein "naheliegendes digitales Hilfsmittel". Nolte wies auch darauf hin, es nicht Zweck des Rechtsdienstleistungsgesetzes sei, die Anwaltschaft vor konkurrierenden Produkten zu schützen. Der Verbraucher wisse sehr wohl, dass es keine rechtliche Prüfung gebe.
Sein Urteil will der Senat am 19.6.2020 verkünden. Überraschungen dürften nach diesen klaren Aussagen des Senats nicht mehr zu erwarten sein, die Berufung von Wolters Kluwer Deutschland dürfte Erfolg haben. Der Senat kündigte aber an, egal wie das Verfahren ausgeht, die Revision zum Bundesgerichtshof zuzulassen, da die Rechtsfrage einer grundsätzlichen Klärung bedürfe. Die auch in der Literatur umstrittene Frage nach der Zulässigkeit von Vertragsgeneratoren endgültig zu beantworten, wäre dann Aufgabe des I. Zivilsenat des BGH.
Der Autor Martin W. Huff ist Rechtsanwalt in der Kanzlei LLR in Köln und Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Köln. Er ist u.a. Lehrbeauftragter an der RFH Köln und hält dort eine Vorlesung u.a. zu Rechtsfragen von Legal Tech Angeboten.
OLG Köln verhandelt über Vertragsgenerator Smartlaw: . In: Legal Tribune Online, 15.05.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41641 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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