Legal Tech scheint in der Anwaltschaft anzukommen, die 7. Satzungsversammlung hat einen neuen Ausschuss ins Leben gerufen. Das Thema stieß auf reges Interesse bei den Anwälten. Was genau der Ausschuss tun soll, ist allerdings noch unklar.
In ihrer Sitzung am Montag hat die 7. Satzungsversammlung beschlossen, einen neuen Ausschuss für das Thema Legal Tech einzurichten. Der mit großer Mehrheit beschlossene Legal-Tech-Ausschuss wird unter dem Vorsitz von Timo Hermesmeier stattfinden, Rechtsanwalt und Senior Manager bei Price Waterhouse Coopers in Frankfurt mit Schwerpunkten im Gesellschafts-, Bilanz- und Sanierungsrecht sowie Berufsrecht, der auch dem Vorstand des Bundes der Unternehmensjuristen (BUJ) angehört. Stellvertretende Vorsitzende wird Ina Jähne, Fachanwältin für Arbeits- sowie für Handels- und Gesellschaftsrecht bei Römermann Rechtsanwälte in Hannover. Dem Ausschuss gehören unter anderem auch die amtierende Präsidentin des Deutschen Anwaltvereins (DAV) Edith Kindermann sowie dessen ehemaliger Präsident Prof. Dr. Wolfgang Ewer an.
Noch nicht klar ist, womit genau der Ausschuss sich befassen wird. Die Satzungsversammlung, das sog. Parlament der Anwaltschaft, ist ein unabhängiges Beschlussorgan, das organisatorisch bei der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) angesiedelt ist. In der sich selbst verwaltenden Anwaltschaft beschließt sie die Regeln der Berufsordnung der Rechtsanwälte (BORA) und der Fachanwaltsordnung (FAO). Damit liegt es in der Natur der Sache, dass sie nur regeln kann, was das Verhalten von Anwälten betrifft. Viele der sog. Legal-Tech-Themen tangieren die Anwaltschaft aber gerade deshalb, weil die Unternehmen, die Verbrauchern einen niederschwelligen Zugang zum Recht gewähren wollen, gerade nicht von Anwälten betrieben werden, die an den Geschäftsmodellen durch ihr Berufsrecht gehindert sind, sondern häufig aufgrund einer Inkassolizenz.
BRAK zu Legal Tech: "Grundsätzlich eine Chance für die Anwaltschaft"
Hintergrund des mit deutlicher Mehrheit gefassten Beschlusses, einen Ausschuss für Legal Tech einzurichten, seien unter anderem die rasanten Entwicklungen im Bereich der Digitalisierung und der Wandel des Anwaltsberufes und des Rechtsberatungsmarktes, so die BRAK in einer Mitteilung, die allerdings gleich zweimal den einschränkenden Begriff "grundsätzlich" enthält. So begrüße BRAK-Präsident Dr. Ulrich Wessels die grundsätzliche Einrichtung des Legal-Tech-Ausschusses, heißt es dort. Und: "Die Entwicklungen im Bereich Legal Tech sind grundsätzlich positiv, zukunftsorientiert und als Chance für die Anwaltschaft zu betrachten. Insofern ist es sachgerecht und sinnvoll, dass sich auch das Parlament der Anwaltschaft intensiv mit dem Thema befasst", so BRAK-Präsident Ulrich Wessels.
Es war der ehemalige DAV-Präsident Ewer, der eindringlich angeregt hatte, dass die Satzungsversammlung einen Ausschuss für Legal Tech einrichten solle. Den Antrag stellte in der Folge Dr. Sven-Joachim Otto von der Anwaltskammer Düsseldorf, angenommen wurde er mit deutlicher Mehrheit. Stimmberechtigt sind die Mitglieder der Satzungsversammlung, die aus den regionalen Anwaltskammern je nach deren Größe kommen, nicht stimmberechtigte Mitglieder sind neben den Präsidenten der regionalen Anwaltskammern die Präsidiumsmitglieder der BRAK.
Teilnehmer berichten, es habe in der Diskussion um den Legal-Tech-Ausschuss keinen Zweifel daran gegeben, dass die Advokaten sich mit dem Thema Legal Tech beschäftigen müssen; debattiert worden sei vielmehr im Wesentlichen darüber, ob die Themen nicht schon von den anderen sechs Ausschüssen der Satzungsversammlung abgedeckt werden, deren Beibehaltung am Montag ebenfalls beschlossen wurde.
Was hat die Satzungsversammlung in Sachen Legal Tech eigentlich zu melden?
Fraglich ist vor allem, welche Themen das genau sein sollen. Was die Satzungsversammlung überhaupt regeln darf, die sog. Satzungskompetenz, ist in § 59b Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) geregelt. Allgemeine Berufs- und Grundpflichten, besondere Berufspflichten im Zusammenhang mit dem Führen von Fachanwaltstiteln, anwaltliche Werbung und die Entziehung der Anwaltszulassung, so etwas dürfen die Anwälte selbst regeln. Nicht regeln dürfen sie im Rahmen ihrer anwaltlichen Selbstverwaltung naturgemäß alles, was nichts mit den anwaltlichen Grundpflichten zu tun hat, schon mal gar nicht etwas, was nichts mit der Anwaltschaft zu tun hat.
Die Schwierigkeiten der Anwaltschaft mit den Legal-Tech-Unternehmen liegen aber in der Regel in einem anderen Bereich, nämlich dem des Rechtsdienstleistungsgesetzes: Ist, was Legal-Tech-Unternehmen vom Fluggastentschädigungsportal bis zum Vertragsgenerator tun, eine Rechtsdienstleistung i.S.d. Gesetzes? Ist es eine Umgehung des anwaltlichen Berufsrechts mit seinen strengen Schranken, die Geltendmachung von zu viel gezahlter Miete nach der "Mietpreisbremse" im Rahmen einer Inkassolizenz zu betreiben? Brauchen Anwälte dieselben Möglichkeiten wie die Legal-Tech-Unternehmen, vom Wegfall des Provisionsverbots bis zur Akzeptanz von Erfolgshonoraren?
All diese Fragen kann ein Legal-Tech-Ausschuss der Satzungsversammlung nicht regeln, sondern bestenfalls Anregungen geben. Aber vielleicht kristalisiert sich im Laufe der Zeit so manche Rechtsfrage heraus, an die jetzt noch niemand denkt. Bei der Konstituierung des neuen Ausschusses am Montag war jedenfalls so viel los wie nirgends sonst, nach Angaben von Teilnehmern wurde diskutiert, gefragt, beleuchtet, auch die Mitglieder anderer Ausschüsse beteiligten sich. Deutschlands Anwälte haben offenbar verstanden, dass Legal Tech nicht mehr weg geht - ob mit oder ohne sie. Im Rahmen der eigenen Möglichkeit mitgestalten zu wollen, dürfte allemal erfolgversprechender sein als die Augen zu schließen und zu hoffen, dass einen keiner sieht.
Legal Tech ab jetzt in der Satzungsversammlung: . In: Legal Tribune Online, 05.11.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/38545 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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