Die Rechtsanwaltskammer Köln will eine Assessorin nicht zulassen, weil sie ihren Ausbilder im Referendariat beleidigt hatte. Inzwischen ist die Juristin mit einer Verfassungsbeschwerde zum BVerfG gezogen. Und bekommt nun Schützenhilfe vom DAV.
Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist für viele Absolventen des Zweiten juristischen Staatsexamens der nächste Schritt und die Voraussetzung für die anstehende berufliche Laufbahn als Rechtsanwalt. In aller Regel dürfen Assessoren mit einer positiven Bescheidung ihres Antrags rechnen, ist doch mit der erlangten Befähigung zum Richteramt die wichtigste Voraussetzung erfüllt.
Garantiert ist die Zulassung damit aber nicht, wie der Fall einer Absolventin und ehemaligen Referendarin am Landgericht (LG) Aachen zeigt. Die Frau hatte 2012 ihr Zweites Examen bestanden und war im Anschluss zunächst als wissenschaftliche Mitarbeiterin in einer Kanzlei tätig. 2014 beantragte sie die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft, die zuständige Rechtsanwaltskammer (RAK) Köln lehnte aber ab*. Die Frau habe während ihres Referendariats ein Verhalten gezeigt, welches sie als für den Anwaltsberuf als unwürdig erscheinen lasse, lautete die Begründung.
Ausbilder beschimpft, OStAin zu Grundkurs geraten
Gemeint war eine E-Mail, die die Juristin ihrem Ausbilder während der Strafrechtsstation geschickt und in der sie ihn wegen seiner angeblich unsachgemäßen Bewertung ihrer Leistungen scharf angegangen hatte. Dort schrieb sie unter anderem, er sei "ein provinzieller Staatsanwalt, der nie aus dem Kaff rausgekommen ist, in dem er versauert". Sein Weltbild entspreche dem "des typischen deutschen Staatsbürgers von 1940", mit seinem Leben und seiner Person sei er "so zufrieden wie das Loch vom Plumpsklo".
Weiter hieß es in ihrer Mail u.a.: "Als Sie mich vor sich hatten, sind Sie vor Neid fast erblasst. Ich konnte Ihren Hass geradezu sinnlich wahrnehmen. Am liebsten hätten Sie mich vergast, aber das ist ja heute out. Also taten Sie das einzige, wozu Ihnen Ihre begrenzte Position die Möglichkeit bietet: Sie stellten mir ein wirres Zeugnis aus, das an jeder Realität vorbeigeht.
Wegen dieser E-Mail war die Referendarin vom Amtsgericht (AG) Aachen wegen Beleidigung nach § 185 Strafgesetzbuch (StGB) zur Zahlung einer Geldstrafe verurteilt worden. In diesem Zusammenhang hatte auch die an diesem Verfahren beteiligte Oberstaatsanwältin Post von ihr erhalten, weil sie einer Verfahrenseinstellung nicht zugestimmt hatte. Die Referendarin hatte dabei die rechtlichen Fähigkeiten der Oberstaatsanwältin in Frage gestellt und ihr insbesondere zu einem Besuch einer Grundstudiumvorlesung geraten.
Die RAK sah darin einen Versagungsgrund nach § 7 Nr. 5 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO), ein Verhalten nämlich, das die Frau als unwürdig erscheinen lasse. Die Entscheidung der Kammer wurde vom Anwaltsgerichtshof (AGH) NRW und auch vom Bundesgerichtshof (BGH) bestätigt, der Ablehnungsbescheid blieb bestehen. Von anderer Seite wurde dagegen kritisch bemerkt, dass auf eine Tat abgestellt wurde, die nicht als Anwältin begangen worden war, sondern als Referendarin.
Nun liegt die Sache beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Die Betroffene sieht sich durch die Versagung in ihrem Grundrecht auf Berufsfreiheit nach Art. 12 Grundgesetz (GG) verletzt. Mit dieser Einschätzung steht sie nicht allein da. Rückendeckung kommt etwa vom Deutschen Anwaltsverein (DAV), wie aus einer umfassenden Stellungnahme hervorgeht.
Begriff der Unwürdigkeit zu unbestimmt?
Im Kern wird es um die Auslegung von § 7 Nr. 5 BRAO gehen. Die Vorschrift solle, so der DAV, dem Interesse der Allgemeinheit an einer funktionsfähigen Rechtspflege und damit dem Schutz eines besonders wichtigen Gemeinschaftsgutes dienen. Dabei hat das BVerfG in früheren Jahren die Verfassungsmäßigkeit des unbestimmten Rechtsbegriff der Unwürdigkeit immer wieder bestätigt. Der DAV äußert allerdings Zweifel, ob das unter Zugrundelegung aktueller Maßstäbe noch verfassungsrechtlichen Anforderungen entspricht. Jedenfalls aber sei eine verfassungskonforme Auslegung notwendig.
Das bedeute auch, dass nicht gleich jede Verurteilung zur Feststellung der Unwürdigkeit führen dürfe. Die RAK hätte diese vielmehr aufgrund eigener Prüfung feststellen und die konkreten Umstände des Fehlverhaltens aufklären müssen, schreibt der DAV. Es hätte geklärt werden müssen, ob das Verhalten der Beschwerdeführerin anlassbezogen in dem Sinne war, dass es als rechtlich unter den Gesichtspunkten der Meinungsfreiheit und der Wahrnehmung berechtigter Interessen (noch) zu billigende Reaktion auf ein vorhergehendes Verhalten des Ausbilders angesehen werden könne.
Außerdem argumentiert der DAV mit § 113 Abs. 2 und § 114 Abs. 2 Nr. 5 BRAO, die für bereits zugelassene Rechtsanwälte gelten. Die dort aufgestellten hohen Hürden für einen Ausschluss aufgrund eines außerhalb des Berufs liegenden Verhaltens hätte die Kammer Köln seiner Ansicht nach auch zum Maßstab nehmen müssen, an dem das Verhalten der Frau gemessen wird. Ein Verhalten, das schon bei einem bereits zugelassenen Anwalt keinen Ausschluss rechtfertigt, könne das erst recht nicht bei einem Anwärter.
Überdies habe die vorgeworfene Tat auch zur Zeit der Antragstellung bereits einige Jahre zurückgelegen. Die Kammer hätte damit zumindest prüfen müssen, ob die Tat durch zwischenzeitliches Wohlverhalten an Bedeutung verloren habe. Wann das BVerfG über die Verfassungsbeschwerde bzw. über deren Annahme zur Entscheidung befindet, ist noch nicht bekannt.
una/LTO-Redaktion
* Zunächst missverständliche Überschrift präzisiert am Tag der Veröffentlichung des Artikels, 14:19. Es geht um die Erst-Zulassung zur, nicht etwa um einen Ausschluss von der Anwaltschaft.
Ausbilder im Referendariat beleidigt: . In: Legal Tribune Online, 22.02.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22180 (abgerufen am: 24.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag