Seit 2018 müssen Anwälte das beA nutzen. Tun sie das nicht, kann es richtig teuer werden. Doch aktuelle Zahlen der BRAK zeigen, dass viele Advokaten sich dem beA komplett verweigern.
Das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) ist seit September 2018 online. Wirklich online, nachdem es erst mit großer Verzögerung 2017 online gegangen war und dann wegen diverser massiver Sicherheitslücken kurz vor Weihnachten wieder offline genommen werden musste. Seitdem gilt für alle Anwälte und Unternehmensjuristen deutschlandweit die sog. passive Nutzungspflicht, sie müssen also über das elektronische System eingehende Schriftstücke gegen sich gelten lassen.
Seitdem ist auch sonst viel geschehen. Das System lief mal mehr, mal weniger stabil. Im Arbeits- und Sozialrecht kommunizieren schon viele Gerichte elektronisch, in den übrigen Gerichtszweigen verläuft die Umstellung auf die kommende rein digitale Kommunikation auch regional sehr unterschiedlich. Ab dem 1. Januar 2022 ist die Benutzung des beA auch für den aktiven Versand von Dokumenten für die Anwältinnen und Anwälte verpflichtend, verhindern wollen das derzeit nur die Grünen. Schleswig-Holstein und Bremen fangen mit der Verpflichtung zur aktiven ausschließlich elektronischen Kommunikation sogar schon früher an.
Es gab erste Rechtsprechung zum Organisationsverschulden im elektronischen Rechtsverkehr, zur Frage, ob Schwarz-Weiß-Ausdrucke aus dem beA unzumutbar sind und was eigentlich geschieht, wenn ein Gericht seinerseits nicht in seinen elektronischen Briefkasten schaut.
Wer nicht dabei ist, das sind allerdings offenbar viele Anwältinnen und Anwälte. Die für den Betrieb des beA verantwortliche Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) hat am Donnerstag eine Auswertung des Softwaredienstleisters Wesroc an die regionalen Anwaltskammern verschickt, die LTO vorliegt. Sie zeigt, wie viele von den deutschen Advokaten sich bislang nicht einmal beim beA angemeldet haben.
Fast ein Viertel der Anwälte nicht einmal angemeldet
"Erstregistriert" nennt das die BRAK, also erstmalig mit der bei der Bundesnotarkammer zu bestellenden beA-Karte am System eingeloggt, die Software runtergeladen und installiert. Das ist die Voraussetzung dafür, überhaupt am elektronischen Rechtsverkehr teilnehmen zu können.
Am 29. Oktober 2020, über zwei Jahre nach dem Start des Postfachs und seiner verpflichtenden Nutzung, waren nach Angaben der BRAK bundesweit 77 Prozent aller beA-Postfächer erstregistriert. Die Postfächer wurden für jeden im bundesweiten Anwaltsverzeichnis gelisteten, also zugelassenen Anwalt angelegt. Im Umkehrschluss heißt das also, dass mit rund 23 Prozent fast ein Viertel der deutschen Anwältinnen und Anwälte bislang nicht einmal Zugriff auf das beA hat.
Die Anmeldungsquote variiert stark je nach Kammerbezirk. So liegt sie bei der Rechtsanwaltskammer beim BGH, in Brandenburg, in Karlsruhe, in Koblenz, in Oldenburg und in Zweibrücken bei jeweils über 90 Prozent, während die Erstregistrierungsquote in den großen Rechtsanwaltskammerbezirken Berlin, Düsseldorf, Hamburg und Köln (je 74 Prozent), Frankfurt (68 Prozent), Hamm (75 Prozent) und München (68 Prozent) deutlich niedriger ausfällt.
Insgesamt dürfte diese hohe Zahl auch viele Vertreter der Anwaltskammern überraschen. Sie relativiert sich aber ein wenig, wenn man berücksichtigt, dass vor allem die Unternehmensjuristen für diesen schlechten Wert sorgen. Bei ihnen liegt die Erstregistrierungsquote nur bei 54 Prozent, bei den niedergelassenen Advokaten hingegen bei immerhin 81 Prozent. Erklären lässt sich das zwanglos damit, dass die Syndikusanwältinnen und -anwälte kaum Korrespondenz mit Gerichten und wesentlich weniger auch mit anderen Anwälten pflegen. Sie kommunizieren also potenziell deutlich weniger mit anderen am geschlossenen System des elektronischen Rechtsverkehrs Beteiligten und müssen zudem, da sie kaum vor Gericht auftreten, praktisch auch nicht damit rechnen, gerichtliche Schreiben zu versäumen.
Jeder beA-Nutzer kann sehen, ob man registriert ist
Und doch sind sie alle, ob nun im Unternehmen oder niedergelassen, verpflichtet, ihr beA in Betrieb zu nehmen und auf Eingänge zu checken. Und nach dem Go Live des beA wurde schnell bekannt, dass nicht nur der Betreiber des Systems und die BRAK, sondern auch jeder andere beA-Nutzer sehen kann, ob jemand sich erstregistriert hat.
Das bedeutet nicht nur, dass man mit guten Gründen eine anwaltliche Pflicht annehmen könnte, gerade ein solches inaktives Postfach des gegnerischen Anwalts anzuschreiben, wenn der eigene Mandant einen Vorteil davon haben könnte, dass der Gegner das Schreiben nicht erhält. Es bedeutet auch, dass es sich ab jetzt lohnen könnte, mal den beA-Status der verhassten Kollegin zu checken und sie, falls nicht aktiviert, bei der zuständigen Anwaltskammer zu melden.
Für entsprechendes Aufsehen in der Anwaltsbranche sorgte der Anwaltsgerichtshof in Nürnberg, als er im April 2020 eine Anwältin, die sich trotz Aufforderung weigerte, sich im beA zu registrieren, mit einem Bußgeld von 3.000 Euro belegte.
Berufsrechtsverstoß mit hohem Bußgeld
Denn wer als Anwältin oder Anwalt nicht über ein empfangsbereites beA verfügt, verstößt gegen seine berufsrechtliche Pflicht zur Einrichtung eines Postfachs sowie zur Entgegennahme von Schriftstücken über das beA aus § 31a Abs. VI Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO). Außerdem kann ein Anwalt, der kein beA hat, Empfangsbekenntnisse nicht elektronisch zurücksenden. Dazu aber ist man bei elektronischer Zustellung durch ein Gericht ebenfalls verpflichtet (§ 174 Zivilprozessordnung, § 14 Berufsordnung für Rechtsanwälte).
Verstöße können von den Anwaltskammern zunächst mit einer Rüge geahndet werden, bei anhaltender Weigerung gibt die Kammer das Verfahren an die zuständige Generalstaatsanwaltschaft ab, die Bußgelder in erheblicher Höhe verhängen kann.
Bisher sind die regionalen Anwaltskammern nach Informationen von LTO in Sachen nicht registriertes Anwaltspostfach nur eingeschritten, wenn sie aktiv von Anwälten darauf aufmerksam gemacht wurden, dass ein anderer Advokat sich noch nicht beim beA erstregistriert habe. Aktiv nach noch nicht registrierten Berufsträgern gesucht haben die Kammern bisher nicht. Nach der nun bekannt gewordenen Anzahl von beA-Verweigern scheint es gut vorstellbar, dass sich das jetzt ändert.
LTO exklusiv: . In: Legal Tribune Online, 13.11.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43421 (abgerufen am: 18.11.2024 )
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