Die DRV beginnt mit der Erstattung von Beiträgen von vor April 2014 an Versorgungswerke. Mit welchem Trick sie sparen will, wie Rückzahlungen laufen und was Syndizi mit zu viel gezahlten Beiträgen tun können, erklärt Martin W. Huff.
Mit großer Freude haben viele Syndikusrechtsanwältinnen und – anwälte das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23. September 2020 zur Kenntnis genommen. Das BSG entschied, dass entgegen der Auffassung der Deutschen Rentenversicherung (DRV) und einiger Sozialgerichte eine rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für die Zeit vor dem 1. April 2014 auch dann möglich ist, wenn Anwältinnen oder Anwälte nur Mindest-, Grund- oder Pflichtbeiträge an das berufsständische Versorgungswerk gezahlt haben, während sie die gesetzlichen Pflichtbeiträge an die Deutsche Rentenversicherung leisteten. Denn auch diese Mindestbeiträge seien einkommensbezogene Pflichtbeiträge im Sinne des § 231 Abs. 4b Sozialgesetzbuch (SGB) VI, so das BSG. Für Syndizi, die vor dem Urteil des BSG aus dem Jahr 2014 Anträge auf Befreiung von der Versicherungspflicht, z.B. wegen eines Arbeitgeberwechsels, gestellt hatten, bedeutet dies nun, dass sie von Anfang der Tätigkeit an befreit werden.
Wer aber gehofft hatte, dass die DRV nach dieser klaren Entscheidung umgehend in die Umsetzung einträte, der hatte sich leider getäuscht. In Textbausteinen schrieb die DRV an die Betroffenen und die Gerichte, dass erst die schriftlichen Urteilsgründe ausgewertet werden müssten, um entsprechende Schlussfolgerungen ziehen zu können. Zwar fragten sich auch manche Sozialrichter in Hinweisbeschlüssen, was es an dem Urteil des BSG und dem ausführlichen und deutlichen Terminsbericht vom folgenden Tag noch abzuwarten gebe. So schnell, dass sie schon in Verfahren entschieden hätten, waren die Sozialgerichte, bei denen viele Verfahren anhängig sind, aber nicht.
Bei den Entscheidungen des BSG aus dem April 2014 hingegen, die den gesamten Streit zwischen der DRV und den Unternehmensjuristinnen und -juristen überhaupt erst ausgelöst hatten, hatte die DRV sich durchaus in der Lage gesehen, mit der Umsetzung der für sie positiven Urteile nicht auf die schriftlichen Gründe zu warten. Unmittelbar am Tag nach dem 3. April, an dem das BSG seine Entscheidung verkündet hatte, dass Syndizi nicht von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreit werden können, erließ die DRV keine Befreiungsbescheide für Syndikusanwältinnen und – anwälte mehr.
Nun aber liegen seit Anfang Dezember 2020 die ausführlichen schriftlichen Gründe des BSG vor und die DRV hat nach den Erfahrungen des Autors am 14. Dezember 2020 mit dem Erlass von Befreiungsbescheiden begonnen.
Befreiungsbescheide für Altfälle: Das Verfahren bei der DRV
Das Verfahren ist nicht einfach: Zunächst muss ein rückwirkender Befreiungsbescheid ergehen, also etwa für die Zeit vom 1. Mai 2013 (Tätigkeitsbeginn beim neuen Arbeitgeber) bis zum 31. März 2014. Dann erfolgt der Bescheid, mit dem festgesetzt wird, welche Beträge "zu Unrecht festgesetzt wurden", wie die DRV schreibt und die an das Versorgungswerk zu erstatten sind. Danach erfolgt die Erstattung.
Bisher hat die DRV in diesen Fällen oftmals die Rechtskraft des ersten Bescheids abgewartet und erst danach den Erstattungsbescheid erlassen, nach dessen Rechtskraft wiederum erst die Zahlung geleistet.
Jetzt wird sie, wie die DRV in ihren aktuellen Bescheiden schreibt, "zur Vermeidung finanzieller Nachteile (...) bereits vor Eintritt der Rechtskraft der Befreiungsentscheidung die für die Durchführung der Beanstandung und Beitragserstattung nach § 286f SGB VI notwendigen Informationen dem zuständigen Rentenversicherungsträger übersenden". Der Versicherungsträger muss dabei nicht immer die DRV Bund sein, sondern kann auch ein regionaler Träger, etwa die DRV Bayern Süd sein.
Die ersten Erstattungsbescheide wurden auch schon erlassen.
Wie die DRV Anwaltskosten sparen will
Dabei geht die DRV allerdings in laufenden Gerichtsverfahren, in denen Anwälte ihre Befreiung eingeklagt hatten, mit einem Trick vor, wohl um die Erstattung von Anwaltskosten zu vermeiden.
Sie erlässt die Bescheide außerhalb des Gerichtsverfahrens und gibt im Gerichtsverfahren kein Anerkenntnis ab. Sie übersendet nur dem Gericht den Bescheid und meint damit, dass die Kläger damit klaglos gestellt seien und den Rechtsstreit für erledigt zu erklären hätten.
Damit versucht die DRV die fiktive Terminsgebühr gem. VV 3106 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) zu umgehen, die bei einem Anerkenntnis anfällt. Manche Gerichte, wie etwa das Hessische Landessozialgericht, gehen diesen Weg nicht mit und meinen, dass auch in diesen Fällen, in denen nach langer Verfahrenslaufzeit quasi ein Anerkenntnis erfolgt, diese Gebühr anfällt. Es ist zu hoffen, dass die Sozialgerichte jetzt nicht wiederum mit langwierigen Verfahren über die zu erstattenden Kosten belastet werden, sondern eine vernünftige Abwicklung mit der DRV möglich ist.
Keine Zinsen, aber vielleicht Schadensersatz?
Zu verzinsen sind die Zahlungen der DRV an die Versorgungswerke grundsätzlich nicht. Denn in Abweichung vom Erstattungsanspruch nach § 27 SGB IV ist in § 286f SGB VI ausdrücklich geregelt, dass die Erstattung zu Unrecht gezahlter Pflichtbeiträge nicht zu verzinsen ist.
Aber: In manchen Versorgungswerken, wie etwa der bayerischen Versicherungskammer, werden die Beiträge zu dem Zeitpunkt verbucht, in dem sie tatsächlich eingegangen sind. Eine Zahlung für die Jahre 2013 bis 2014 etwa wird bei einem Zahlungseingang 2020 für das Jahr 2020 vermerkt. Kommt der Betrag allerdings erst in 2021 auf dem Konto an, dann kann sich ein Rentennachteil für den Betroffenen ergeben, der oftmals nur mit einer Zahlung von einigen hundert Euro ausgeglichen werden kann. Wäre die Zahlung früher eingegangen, dann wäre nach den Satzungen der Versorgungswerke früher gezahlt und damit ein höherer Anspruch erworben worden.
Ob die DRV diesen Schaden gem. §§ 280 ff. BGB ersetzen muss, ist bisher umstritten und wohl höchstrichterlich nicht geklärt. Denn die DRV hätte ja für eine rechtzeitige Zahlung in 2020 sorgen können, wenn sie unmittelbar nach dem 23. September 2020 gehandelt hätte.
Andere Versorgungswerke gehen mit den Erstattungen anders um und betrachten diese als Zahlungen zu dem Zeitpunkt, zu dem sie eigentlich zu leisten gewesen wären, also als Zahlungen für 2013 und 2014.
Was tun mit zu viel gezahlten Beiträgen?
Und wer als Unternehmensjuristin oder -jurist in der Vergangenheit eigene Zahlungen geleistet hat und nun mehr Beiträge bei dem Versorgungswerk eingehen, als nach der Satzung möglich sind, dann erhält er die Beträge, die "zu viel" sind, jetzt zurück.
Dabei sollte jeder Betroffene prüfen, ob es für ihn nicht sinnvoll sein kann, bestimmte Beträge im Versorgungswerk zu belassen. So erlaubt etwa das Versorgungswerk in Hessen in der Regel, mehr als den Höchstbeitrag von 10/10 - berechnet nach der Beitragsbemessungsgrenze (2021 sind dies rund 1.320 Euro/Monat) - bis zu einem Betrag von 13/10 einzuzahlen. Das erhöht nicht nur den Rentenanspruch, sondern zum Beispiel auch die Ansprüche bei einer Berufsunfähigkeit. Die Versorgungswerke geben die entsprechenden Auskünfte.
Insgesamt wird es wohl doch noch dauern, bis diese Akten geschlossen werden können.
Der Autor Martin W. Huff ist Rechtsanwalt in der Kanzlei LLR in Köln. Er vertritt u.a. seit langem Freiberufler in der Auseinandersetzung über ihre Rentenversicherungspflicht mit der DRV.
Nach dem BSG-Urteil zu Mindestbeiträgen vor 2014: . In: Legal Tribune Online, 05.01.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43892 (abgerufen am: 17.11.2024 )
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