Einstimmig hat der Bundestag einer Anhebung von Anwalts- und Gerichtsgebühren zugestimmt. Der Zugang zum Recht wird damit Im Schnitt um zehn Prozent teurer. Die Bundesländer hatten bis zuletzt gedroht, das Vorhaben zu blockieren.
In seltener Einmütigkeit haben alle Fraktionen des Deutschen Bundestages in abschließender Lesung am Freitag für höhere Anwalts- und Gerichtsgebühren gestimmt. Auch Sachverständige und Dolmetscher sollen mehr Geld bekommen - allerdings nicht so viel, wie ihnen urspürnglich in Aussicht getellt worden war.
Das heißt: In bestimmten Bereichen soll ihre Tätigkeit für die Justiz auch weiterhin nicht mit marktüblichen Honoroarsätzen vergütet werden. Sie müssen also weiterhin der Justiz einen sogenannten Justizrabatt gewähren. Mit diesen Zugeständnissen erkaufte sich die Koaltion letztlich die Zustimmung der Bundesländer für die Änderungen des Justizkosten-und des Rechtsanwaltsvergütungsrecht bereits zum 1. Januar 2021.
Klar ist: Mit den steigenden Anwalts- und Gerichtsgebühren verteuert sich für die Bürger letztlich die Rechtsdurchsetzung. Auch Rechtsschutzversicherer dürften künftig höhere Beiträge verlangen. In der Debatte am Freitag beklagte deshalb sogar der rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jan-Marco Luczak: "Der Zugang zum Recht wird ein Stück weit erschert". Er hätte sich auch lediglich eine Anpassung der Rechtsanwaltsvergütung vorstellen können - ohne daneben auch gleich die Gerichtskosten zu erhöhen.
CDU-MdB mit Apell an die Länder: "Überspannen Sie den Bogen nicht"
Dass dies jedoch vor allem die Länder wollten, ist kein Geheimnis. Sie hätten die höhere Anwaltsvergütung ohnehin lieber auf die lange Bank geschoben – auch, um in Zeiten Corona-bedingt angespannter Haushaltslage nicht zusätzliche Kosten für Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe tragen zu müssen.
Nach Angaben des CDU-Rechtspolitkers Hans-Jürgen Thies belastet die staatliche Vergütung von Anwälten die Länder jährlich mit rund 170 Millionen Euro. Thies appelierte an die Bundesländer, nunmehr die Blockadehaltung aufzugeben, damit das Gesetz zum 1. Januar 2021 wirksam werden könne. "Überspannen Sie den Bogen nicht", mahnte der Rechtsanwalt aus Niedersachsen.
Mit einer weiteren Blockade der Länder dürfte allerdings nicht mehr ernsthaft zu rechnen sein. Zum einen liegt das an den Zugeständnissen der Koalition, dass auf die Landeshaushalte für Sachverständige und Dolmetscher nun doch weniger Kosten als ursprünglich geplant zukommen. Zum anderen liegt es aber auch daran, dass eine lineare, regelmäßig sich erhöhnende Anpassung der Anwaltsvergütung nicht vorgesehen ist. Ursprünglich hatten Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) und Anwaltsverein (DAV) diese gefordert: Die Rechtsanwaltsvergütung solle sich zukünftig an der allgemeinen Tariflohnentwicklung – jährlich 2,6 Prozent – orientieren, hatte 2018 noch der damalige DAV-Präsident Ulrich Schellenberg gefordert.
Solche Forderungen bleiben nun erst einmal Wunschdenken: Wie von einigen Rednern während der Lesung betont wurde, hätten die Länder einer dynamischen Anpassung der Rechtsanwalsvergütung wohl niemals zugestimmt. Das heißt: Wenn sich zum Januar 2021 die Gebühren für die Anwaltschaft erhöhen, ist das die erste Erhöhung seit 2013 - und vermutlich für etliche weitere Jahre auch die erst eimal letzte.
AfD: "Höhere Anwaltsvergütung ist unser Erfolg"
Dass eine dynamische Vergütungsanpassung ausbleibt, bedauerten letztlich alle Fraktionen im Bundestag. Auch deshalb bewerteten die meisten Rednerinnen und Redner die nun beschlossene Anhebung zwar als überfällig, aber eben auch nur als einen "Schritt in die richtige Richtung", wie etwa die FDP-Rechtspolitkerin Katrin Helling-Plahr MdB (FDP) formulierte. Auch die SPD-Juristin Esther Dilcherbeklagte, dass es zu keiner dynamischen Anpassung der Vergütungssätze gekommen ist. Sie verwies auf "zähe Verhandlungen mit den Ländern". Dennoch, so Dilcher, sei das Ergebnis nun "wichtig, um den Rechtsstaat zu stärken".
In einer Sonderrolle beim Thema Anwaltsvergütung sieht sich unterdessen die AfD. In der Parlamentsdebatte reklamierte ihr ehemaliger Vorsitzende des Bundestagsrechtsausschusses, Stephan Brandner, die Erhöhung der Anwaltsgebühren als Erfolg für die AfD: "Die AfD wirkt, auch im Bereich der Rechtsanwaltsvergütung". Brandner meint, dass allein die AfD dafür gesorgt habe, dass das Thema 2019 parlamentarisch aufgegriffen wurde. Auch habe die AfD für entsprechende Anträge immer wieder die Zustimmung von BRAK und DAV bekommen.
Der Leiter der Politischen Kommunikation im DAV, Rechtsanwalt Swen Walentowski, zeigte sich ob dieser Aussagen Brandners überrascht. "Der DAV hat mit allen anderen Fraktionen über die RVG-Anpassung gesprochen. Mit der AfD arbeiten wir grundsätzlich nicht zusammen", betonte er gegenüber LTO.
beA wird nicht bis 2025 ausgesetzt
Keine Mehrheit erzielte dagegen ein Antrag der Grünen, die aktive Nutzungspflicht des besonderen elektronischen Anwaltspostfaches (beA) bis zum Jahr 2025 zurückzustellen. Schließlich habe ein großer Teil der Anwaltschaft noch Vorbehalte gegen dessen Nutzung oder es bestünden anderweitige Probleme oder Hürden bei der Inbetriebnahme, heißt es im Antrag der Grünen.
Nachdem seit 2018 eine passive Nutzungspflicht zum Empfang über das beA gilt, gebe es immer wieder technische Schwierigkeiten und Sicherheitslücken. Dennoch gelte die aktive Nutzungspflicht ab 2022 und verpflichte Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte dazu, den Gerichten Dokumente elektronisch zu übermitteln, monierten die Grünen.
CDU-Rechtspolitiker Thies wischte diese Sorgen unterdessen beiseite: Das beA funktioniere, es sei nicht "haftungsträchtig" und werde auch sehr gut genutzt. Damit bekräftigte der Rechtsanwalt auch die Ansicht des Bundesjustizministeriums, das die Nutzung des beA kürzlich als Erfolg bezeichnet hatte – obwohl rund ein Viertel der Anwälte sich bis heute noch nicht registriert haben.
Höhere Anwalts- und Gerichtsgebühren beschlossen: . In: Legal Tribune Online, 27.11.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43572 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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