Die BRAO-Reform hat es am Mittwoch in die Anhörung des Rechtsausschusses geschafft. Die Stellungnahmen der Sachverständigen zum dort diskutierten Regierungsentwurf fallen unterschiedlich aus. Generell wird die Reform weiterhin begrüßt.
Am Mittwoch stand der Regierungsentwurf zur Reform der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) auf der Tagesordnung im Rechtsausschusses des Bundestags. In der Anhörung konnten die Verbände und Interessenvertreter ihre Einschätzungen zu dieser bereits in der Vergangenheit viel diskutierten Reform aus dem Haus der Justizministerin vorbringen.
Der Gesetzentwurf zur Reform des anwaltlichen Berufsrechts sieht insbesondere Änderungen im aktuell geltenden anwaltlichen Gesellschaftsrecht vor. So stellt der Entwurf zum einen klar, dass sich Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zukünftig mit allen Vertretern der freien Berufe nach § 1 Abs. 2 des Partnergesellschaftsgesetzes zu einer Partnerschaftsgesellschaft zusammenschließen dürfen. Darunter fallen zum Beispiel Ärztinnen und Ärzte sowie Ingenieure und Ingenieurinnen. Hintergrund für diese Änderung ist ein Urteil des BVerfG, welches den Zusammenschluss von Rechtsanwälten und Apothekerinnen sowie Ärzten in Form einer Partnerschaftsgesellschaft als zulässig erachtet hat.
Einschränkungen bei der Sozietätsfähigkeit verfassungswidrig?
Laut Prof. Dr. Thomas Gasteyer, Vorsitzender des Berufsrechtsausschusses des Deutschen Anwaltvereins (DVA), war dies ein wichtiges Thema bei der Sitzung. Insbesondere die Kritik des Bundesrats sei diskutiert worden. Dieser hat in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf den Vorschlag gemacht, nicht alle freien Berufe als sozietätsfähig einzustufen. "Sollte die einschränkende Auffassung des Bundesrats umgesetzt werden, muss man davon ausgehen, dass diese Norm vom BVerfG aufgehoben wird, weil sie gegen Art. 12 und Art. 3 GG verstößt", so Gasteyer gegenüber LTO.
In der Stellungnahme für den DAV sieht Gasteyer diese Einschränkung auch deshalb kritisch, weil die Öffnung der Berufsausübungsgesellschaften es gerade jüngeren Anwältinnen und Anwälten sowie kleineren Sozietäten ermögliche, sich weiter zu spezialisieren und so wettbewerbsfähiger zu werden. Der Stellungnahme der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) hingegen ist zu entnehmen, dass die Einschränkung auf bestimmte freie Berufe zu begrüßen wäre. Als ein Grund dafür wird angeführt, dass die Beachtung der anwaltlichen Grundpflichten durch die nichtanwaltlichen Gesellschafter nicht hinreichend kontrolliert werden könne.
Berufsrechtler: "Gesellschaftsrechtliche Organisationsfreiheit überfällig und zu begrüßen"
Neben dieser weitreichenden Änderung sieht die BRAO-Reform für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte die Möglichkeit vor, sich nicht mehr nur in Form einer GmbH zu organisieren, sondern es stehen alle Gesellschaftsformen zur Auswahl, die das deutsche und das europäische Recht bieten. Dies soll jedoch auch Änderungen bei den Berufspflichten mit sich bringen. Prof. Dr. Matthias Kilian, Anwaltsrechtler von der Universität Köln, äußert sich in seiner Stellungnahme zur heutigen Anhörung zufrieden über diese Änderung, die eine Klarstellung der gesellschaftsrechtlichen Organisationsfreiheit darstelle. Ihm zufolge "ist sie überfällig und zu begrüßen".
Für Syndikusanwältinnen und -anwälte wird relevant, dass sie bei einer vorübergehenden Ausübung einer berufsfremden Tätigkeit nicht mehr die Sorge haben müssen, ihre Syndikuszulassung zu verlieren. Eine entsprechende Änderung sieht der aktuelle Gesetzentwurf in § 46b Abs. 2 BRAO vor. Die BRAK begrüßt diese Änderung laut Stellungnahme. Es sei nicht einzusehen, dass ein Syndikusrechtsanwalt seine Zulassung zum Beispiel verliert, wenn er seine Tätigkeit für die Elternzeit unterbricht oder für eine Betriebsratstätigkeit freigestellt wird. Das sei bei niedergelassenen Rechtsanwälten schließlich auch nicht der Fall.
Bedenken zur Neuregelung der Interessenkollision bestehen weiter
Mehr Klarheit bringen soll auch die Neuregelung des § 43a Abs. 4 BRAO, welcher die Interessenkollision bei der anwaltlichen Vertretung regelt. Der Entwurf sieht vor, dass ein Rechtsanwalt dann nicht tätig werden darf, wenn er "in Ausübung seines Berufs von einer anderen Partei eine für die Rechtssache bedeutsame vertrauliche Information erhalten hat". Das Tätigkeitsverbot erstreckt sich außerdem auch auf die in der Berufsausübungsgesellschaft tätigen Kolleginnen und Kollegen sowie die Berufsausübungsgesellschaft. Das schürt unter den Beobachtern Bedenken, ob dieses Verbot nicht zu weit reiche und gegen Art. 12 GG verstoße. So ist der Stellungnahme von Gasteyer für den DAV zu entnehmen, dass der Anknüpfungspunkt für das Tätigkeitsverbot nach dem Regierungsentwurf bereits eine abstrakte Gefahr sei und dies den Eingriff in Art. 12 GG nicht rechtfertigen könne.
Prof. Dr. Martin Henssler, Arbeits- und Wirtschaftsrechtler von der Universität Köln, zeigt sich in seiner Stellungnahme allerdings zufrieden darüber, dass unter anderem die auch von ihm im Vorfeld kritisierte fehlende Einwilligungsmöglichkeit von betroffenen Mandanten im Regierungsentwurf nun vorgesehen sei. Von Prof. Henssler stammt auch der erste Gesetzentwurf zu dieser Reform.
Der Rechtsausschuss wird sich in den kommenden Wochen über eventuelle Änderungen an dem Entwurf verständigen, danach wird die Reform das Plenum des Bundestages erreichen.
Anhörung im Bundestag: . In: Legal Tribune Online, 14.04.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44723 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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