Können Verbandsgeschäftsführer ohne klassischen Arbeitsvertrag Syndikusrechtsanwälte werden? Darüber wird jetzt der Anwaltssenat des BGH entscheiden. Martin W. Huff über die Bedeutung des zu erwartenden Beschlusses.
Zu den typischen Jobs einer Rechtsanwältin oder eines Rechtsanwalts in Verbänden und Vereinen zählt die Tätigkeit als Geschäftsführerin bzw. Geschäftsführer. Dafür wird oft kein klassischer Arbeitsvertrag abgeschlossen, sondern ein "Anstellungsvertrag". Doch kann dann noch eine Zulassung als Syndikus erfolgen? Darüber wird jetzt der Anwaltssenat des Bundesgerichtshofs entscheiden.
Rund 22.000 Syndikusrechtsanwältinnen und -anwälte sind zurzeit in Deutschland zugelassen, nachdem vor sechseinhalb Jahren der Gesetzgeber diese neue Zulassungsmöglichkeit geschaffen hat. Dabei steht nicht mehr nur die Möglichkeit, die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zugunsten des anwaltlichen Versorgungswerks zu erhalten, sondern immer mehr auch die Befugnis, den Arbeitgeber und auch Mitglieder von Verbänden und Vereinen rechtlich zu beraten und anwaltlich zu vertreten. Daher suchen Verbände und Vereine für die Tätigkeit als Geschäftsführer oft Volljuristen, die die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt erhalten sollen. Doch ob dies so möglich ist, ist zurzeit umstritten.
Die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) vertritt die Auffassung, dass nur derjenige als Syndikusrechtsanwalt zugelassen werden kann, der einen klassischen Arbeitsvertrag nach 611a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) hat und die weiteren Merkmale erfüllt. Die Rentenversicherung beruft sich dafür auf die Formulierung in § 46 Abs. 2 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO), in der von einer Tätigkeit "im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses" gesprochen wird. Daher könne derjenige nicht als Syndikusrechtsanwalt zugelassen werden, der "nur" übereinen Anstellungsvertrag als Dienstvertrag nach § 611 BGB verfügt.
Geschäftsführer und Vorstandsmitglied
Ausgangspunkt für die jüngste Auseinandersetzung war der Zulassungsantrag eines niedergelassenen Rechtsanwalts bei der Rechtsanwaltskammer Schleswig-Holstein. Er hatte mit einem Arbeitgeberverband in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins mit Wirkung zum 1.April 2020 einen Geschäftsführeranstellungsvertrag geschlossen. Er sollte dem Verband mit 14 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, der auch Tarifverhandlungen führt, als Mitglied des Vorstands angehören und damit den Verband vertreten. Die vorgelegte Tätigkeitsbeschreibung bescheinigte dem Rechtsanwalt, dass er zu über 60 Prozent anwaltlich tätig sei.
Die Rechtsanwaltskammer ließ den Antragsteller als Syndikusrechtsanwalt zu. Auch der hier zugrundeliegende Anstellungsvertag sei seiner Ausgestaltung nach als Arbeitsvertrag anzusehen. Denn der Gesetzgeber habe nicht das Ziel verfolgt, ausschließlich solche Personen eine Zulassung zu ermöglichen, die im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses einer arbeitsrechtlichen Weisungsbefugnis unterlägen. Sachliche Gründe dafür, die Zulassung bei Bestehen einer Organstellung auszuschließen, seien nicht ersichtlich. Und auch die anwaltliche Tätigkeit sei ausreichend nachgewiesen.
Rentenversicherung protestiert
Gegen diese Entscheidung klagte die DRV. Der Anwaltsgerichtshof (AGH) Schleswig-Holstein wies die Klage jedoch in einer ausführlichen Entscheidung ab (Urt. v. 21.6.2021, Az. 2 AGH 6/20). Der AGH-Senat setzte sich dabei intensiv mit der Frage auseinander, ob nur Arbeitsverträge eine Zulassung ermöglichen. Es sei nicht ersichtlich, dass die fachliche Weisungsunabhängigkeit, die für die anwaltliche Tätigkeit gegeben sein muss, nur bei einem Arbeitsvertrag möglich ist. Vielmehr sei dies auch bei einer Organstellung möglich. Eine Berufung ließ der Senat in Schleswig nicht zu.
Doch die Rentenversicherung wollte das Urteil nicht akzeptieren und beantragte beim BGH die Zulassung des Rechtsmittels. Mit Erfolg: Der Anwaltssenat des BGH ließ die Berufung zu (Beschl. v. 27.12.2021, AnwZ [Brfg] 33/21). Es bestünden, so die Bundesrichter, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des AGH-Urteils.
Der BGH, so der Senat, habe schließlich in Entscheidungen zu GmbH-Geschäftsführern bisher offengelassen, ob es einer Zulassung als Syndikusrechtsanwalt bereits entgegensteht, wenn dem Anstellungsverhältnis kein Arbeitsvertrag, sondern ein freier Dienstvertrag zugrunde liegt. Das Gericht habe in diesen Entscheidungen in Bezug auf eine Tätigkeit als Geschäftsführer einer GmbH zudem ausgeführt, dass etwaige dienstvertraglich vereinbarte Weisungsverbote lediglich schuldrechtlich wirkten, aber nicht die gesellschafts- bzw. organrechtliche Pflicht zur Befolgung von Weisungen begrenzten, es sei denn, die Beschränkung werde - entsprechend der Vorgabe des § 37 Abs. 1 GmbHG - zusätzlich in den Gesellschaftsvertrag (die Satzung) aufgenommen (BGH, Beschl. v. 7. Dezember 2020, AnwZ [Brfg] 17/20).
BGH-Beschluss von enormer praktischer Bedeutung
Insoweit stellt sich nun die Frage, ob diese Grundsätze auch auf den vorliegenden Fall aus Schleswig-Holstein übertragbar sind und wenn ja, ob die Bestimmungen in der Satzung den sich daraus ergebenden Anforderungen entsprechen. Darüber will der BGH in Kürze inhaltlich entscheiden.
Der zu erwartende Beschluss dürfte erhebliche praktische Bedeutung für alle Antragsteller haben, die über keinen klassischen Arbeitsvertrag, aber über eine besondere Stellung bei ihrem Arbeitgeber bzw. Dienstgeber verfügen.
An der Rechtsprechung des BGH zu GmbH-Geschäftsführern ist seinerzeit deutliche Kritik geäußert worden. Zum einen hätte der BGH dogmatisch zunächst über die Auslegung des § 46 Abs. 2 BRAO entschieden müssen, ob Anstellungsverträge auch unter diese Vorschrift fallen. Erst wenn dies bejaht wird, hätte über die Erfüllung der einzelnen Zulassungsmerkmale, also auch die Frage der fachlichen Weisungsunabhängigkeit und deren genaue Ausgestaltung, entschieden werden können. Und auch der Verweis des BGH auf § 37 GmbH-Gesetz wird von vielen als zu weitgehend angesehen. In der Praxis würde dies dazu führen, dass eine Zulassung praktisch unmöglich werde. Gerade in großen Unternehmen sei eine Änderung der Satzung so einfach nicht möglich.
Zudem wird bei der Frage der Auslegung des § 46 Abs. 2 BRAO auf die Intention des Gesetzgebers verwiesen. Dieser habe in erster Linie sicherstellen wollen, dass keine Berufshaftpflichtversicherung für die Syndikuszulassung erforderlich werde.
Wann der BGH diese Fragen klärt, ist noch offen. Bis zu einer Entscheidung wird die Rentenversicherung vermutlich gegen jede Zulassung als Syndikus klagen, eine missliche Situation.
Sollte der BGH bei seiner sehr restriktiven Auslegung bleiben, dann müsste der Gesetzgeber handeln und in § 46 Abs. 2 BRAO eine Klarstellung schaffen.
BGH vor Grundsatzentscheidung: . In: Legal Tribune Online, 09.06.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48692 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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