Der Anwaltssenat des BGH hat die Bürogemeinschaft eines Anwalts mit einem Mediator und Berufsbetreuer für unzulässig erklärt. David Markworth hält diese Beschränkung weder für zeitgemäß noch für nötig.
Rechtsanwälte dürfen sich nach § 59a der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) im Wesentlichen nur mit Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern (den sog. sozietätsfähigen Berufen) zu einer gemeinschaftlichen, interprofessionellen Berufsausübung zusammenschließen. Diese Beschränkung des Kreises sozietätsfähiger Personen erstreckt sich nach dem Willen des Gesetzgebers auch auf die Bürogemeinschaft.
Allerdings ist die Vorschrift sehr eng gefasst, was vor dem Hintergrund der Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) verfassungsrechtlich bedenklich ist. In seinem Beschluss vom 12. Januar 2016 (Az. 1 BvL 6/13) hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) § 59a Abs.1 BRAO – zu Recht – zumindest insoweit für verfassungswidrig erklärt, als er Rechtsanwälten eine gemeinschaftliche Berufsausübung mit Ärzten oder Apothekern im Rahmen einer Partnerschaftsgesellschaft versagt.
Seit der Entscheidung, der nur im Rahmen ihres Tenors Gesetzeskraft zukommt, rätseln Anwälte darüber, inwiefern die interprofessionelle Zusammenarbeit auch darüber hinaus zulässig ist. Eine konsistente Reform des § 59a BRAO ist deshalb längst überfällig.
Sozietätsfähig ist nur, wer zur Verschwiegenheit verpflichtet ist
Solange die Reform aussteht, werden die Gerichte weiterhin bestrebt sein, die Möglichkeiten einer interprofessionellen Zusammenarbeit eng zu begrenzen. Das illustriert ein jüngst verkündetes Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH, Urt. v. 29.1.2018, Az. AnwZ (Brfg) 32/17) eindrucksvoll. Der Anwaltssenat hat entschieden, dass eine Bürogemeinschaft zwischen einem Rechtsanwalt und einem Mediator/Berufsbetreuer verboten bleibt. Bemerkenswert ist dabei, dass der Mediator/Berufsbetreuer bis zur freiwilligen Rückgabe seiner Zulassung ebenfalls Rechtsanwalt und in dieser Funktion sogar Sozius seines jetzigen Bürokollegen gewesen ist.
Der Anwaltssenat stützt sich in seiner Entscheidung neben dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes vor allem auf die verfassungsrechtlichen Vorgaben des BVerfG. Dieses will den Kreis der sozietätsfähigen Personengruppen nur auf solche Berufe ausdehnen, die einer strafrechtlich und strafprozessual abgesicherten Verschwiegenheitspflicht unterliegen. Diese müsse, so die Verfassungsrichter, ein vergleichbares Schutzniveau wie bei den anderen in § 59a BRAO erfassten Berufsgruppen wie Steuerberater und Wirtschaftsprüfer aufweisen.
Nach Auffassung des Anwaltssenats des BGH war dies zu dem für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt (noch) nicht der Fall. Zwar sind Mediatoren ähnlich wie Rechtsanwälte gesetzlich zur Verschwiegenheit verpflichtet. Das allein reicht dem Anwaltssenat jedoch nicht aus. Die Verschwiegenheitspflicht des Mediators oder Berufsbetreuers könne nicht als gleichwertig mit den Pflichten der vom Gesetzgeber anerkannten sozietätsfähigen Berufe angesehen werden. Schließlich sei sie weder strafrechtlich abgesichert noch hätten die Berufsträger ein durch ein Beschlagnahmeverbot abgesichertes Zeugnisverweigerungsrecht.
Ein Mediator ist kein Anwaltsdienstleister – auch nicht nach neuem Recht
Das trifft insofern offensichtlich zu, als beide Berufsgruppen in den §§ 203 Strafgesetzbuch (StGB), 53 f. Strafprozessordnung (StPO) keine Erwähnung finden. Interessant ist jedoch vor allem, dass der Anwaltssenat auch eine Gleichwertigkeit "durch die Hintertür" zu den in § 59a BRAO genannten Berufen ausdrücklich ablehnt. So sei ein als Mediator/Berufsbetreuer tätiger Bürogemeinschafter zumindest in der für die Entscheidung maßgeblichen Gesetzesfassung auch kein "Gehilfe" des Rechtsanwalts und etwa als solcher in dessen Rechte- und Pflichtenkreis einbezogen. Das überzeugt schon angesichts des Wortlauts, der eine gewisse Unterordnung und Abhängigkeit impliziert.
Der Anwaltssenat stellt in seinem Urteil auf die im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung geltende Rechtslage ab, also auf die missbilligende Belehrung durch die zuständige Anwaltskammer. Auf diese Weise entzieht er sich einer Prüfung der Änderungen, die durch das Gesetz zur Neuregelung des Schutzes von Geheimnissen bei der Mitwirkung Dritter an der Berufsausübung schweigepflichtiger Personen eingetreten sind. Sie finden nur in kurzen obiter dicta Erwähnung.
Dabei wäre dieser Umweg bei näherer Betrachtung gar nicht nötig gewesen, um das gefundene Ergebnis zu halten. Auch nach neuer Rechtslage lässt sich eine strafrechtliche und -prozessuale Absicherung der Verschwiegenheitspflicht des mit einem Anwalt in einer Bürogemeinschaft verbundenen Mediators/Berufsbetreuers nämlich nicht begründen. Die Gesetzesneufassung diente der Klärung der offenen Rechtsfragen des Non-Legal-Outsourcing, worunter etwa die Auslagerung von IT-Services auf externe Dienstleister fällt. Wegen Verletzung von Privatgeheimnissen nach § 203 StGB können sich nun auch Personen strafbar machen, denen ein Rechtsanwalt ein Geheimnis offenbaren darf, weil sie an seiner beruflichen Tätigkeit mitwirken und das für die Inanspruchnahme ihrer Dienste erforderlich ist. Im Gegenzug wurde auch Personen, die im Rahmen eines Vertragsverhältnisses, einer berufsvorbereitenden Tätigkeit oder einer sonstigen Hilfstätigkeit an der anwaltlichen Tätigkeit mitwirken, ein durch ein Beschlagnahmeverbot abgesichertes Zeugnisverweigerungsrecht gewährt.
Zwar ließe sich durchaus argumentieren, dass ein Mitgesellschafter an der beruflichen Tätigkeit des Rechtsanwalts mitwirkt, selbst wenn er einen anderen Beruf ausübt. Denn auch in interprofessionellen Sozietäten wird immer ein Mandat der Gesellschaft selbst begründet. In einer Bürogemeinschaft findet eine gemeinschaftliche Berufsausübung aber gerade nicht statt. Der Mediator/Berufsbetreuer wirkt also in keiner Weise an der Anwaltstätigkeit seines Bürokollegen mit. Der Wortlaut des § 53a StPO, nach dem ein Zeugnisverweigerungsrecht nur Personen zukommen soll, die (irgendwie geartete) Hilfstätigkeiten ausüben, unterstützt dieses Ergebnis noch.
Zusammenarbeit unnötig beschränkt
Sozietätsfähig mit Anwälten bleiben über den Wortlaut des § 59a BRAO hinaus bis auf Weiteres also nur Berufsträger, die selbst umfassend einer strafrechtlich und -prozessual abgesicherten Verschwiegenheitspflicht unterworfen sind. Dass diese – wie der BGH andeutet - ähnlich wie Rechtsanwälte auch einem Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, der Eingehung von Bindungen, die ihre berufliche Unabhängigkeit gefährden, und einer Kammeraufsicht unterworfen sein müssen, fällt daneben kaum ins Gewicht.
Rechtspolitisch gesehen leuchtet allerdings nicht ein, weshalb für die anderen Berufsträger universell, d.h. auch außerhalb ihrer Zusammenarbeit mit einem Rechtsanwalt, dasselbe Schutzniveau gelten müsste wie für Anwälte. Die Möglichkeiten einer interprofessionellen Zusammenarbeit werden dadurch – wie der vom Anwaltssenat entschiedene Fall zeigt – unnötig weit eingeschränkt.
Um die Verschwiegenheitspflicht des Rechtsanwalts abzusichern, würde es völlig ausreichen, dass für die Angehörigen anderer Berufe, mit denen er sich zur gemeinsamen Berufsausübung zusammentut, Verschwiegenheitspflicht, Zeugnisverweigerungsrecht und Beschlagnahmeverbot (nur) insoweit gelten, als sie in Mandaten des Rechtsanwalts mitarbeiten oder anderweitig aufgrund der gemeinsamen Berufsausübung von einem Geheimnis erfahren. Dafür spricht sich auch die jüngst veröffentlichte Initiativstellungnahme des Berufsrechtsausschusses des Deutschen Anwaltsvereins zur Änderung des § 59a BRAO aus.
Der Autor Dr. David Markworth ist Akademischer Rat am Institut für Arbeits- und Wirtschaftsrecht der Universität zu Köln. Einer seiner Forschungsschwerpunkte ist das Recht der freien Berufe, vor allem das anwaltliche Berufsrecht.
Anwaltliche Bürogemeinschaften: . In: Legal Tribune Online, 15.03.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/27543 (abgerufen am: 19.11.2024 )
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