Syndikusrechtsanwalt darf nur werden, wer in Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers tätig wird. Jetzt stellte der BGH klar, dass er diese Vorgabe sehr eng interpretiert. Das führt zu erstaunlichen Ergebnissen.
Wer als Unternehmensjurist auch Kunden seines Arbeitgebers berät, bekommt keine Zulassung als Syndikusanwalt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob diese Rechtsberatung nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz erlaubt oder unzulässig ist. Ebenso wenig hilft es der Syndikusanwältin, wenn die Tätigkeit für Kunden des Unternehmens nur einen ganz kleinen Teil ihres Jobs ausmacht.
Diese Regeln hat der Anwaltssenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit einem noch nicht veröffentlichten Urteil vom 22. Juni 2020 aufgestellt, das LTO vorliegt (Az. AnwZ (Brfg) 23/19 – AGH Hamm). Der BGH setzt damit seine Rechtsprechung zu den Voraussetzungen für die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt nach neuem Recht in einem sehr strikten Sinne fort.
Für viele angestellte Juristen in der Wirtschaft dürfte das bedeuten, dass sie keine Syndikuszulassung bekommen, also auch nicht ins Versorgungswerk der Rechtsanwälte einzahlen können. Das gilt zum Beispiel für Versicherungsmakler, aber auch für Unternehmensberatungen, in denen Mitarbeiter traditionell Kunden des Arbeitgebers rechtlich beraten.
AGH Hamm: Etwas Drittberatung als Nebenleistung in Ordnung
Als Syndikusrechtsanwalt wird nach § 46 Abs. 5 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) nur zugelassen, wer in Rechtsangelegenheiten seines Arbeitsgebers berät und vertritt. Auf diese Vorschrift stützte sich die klagende Deutsche Rentenversicherung, die nun mit ihrer Revision gegen ein Urteil des Anwaltsgerichtshofs (AGH) Hamm erfolgreich war.
Der AGH hatte der Rechtsanwaltskammer Köln Recht gegeben, die eine Unternehmensjuristin, die laut Arbeitsvertrag als "Syndikusanwältin und Datenschutzbeauftragte" tätig ist, als Syndikusrechtsanwältin zugelassen hatte. Laut der dem Zulassungsantrag beigefügten Tätigkeitsbeschreibung berät sie "auch einige Kunden in Datenschutzbelangen rechtlich".
Damit hatte der AGH Hamm kein Problem: Diese Rechtsdienstleistung habe mit dem Service und Support von IT-Lösungen zusammengehangen, den das Unternehmen anbietet, sei eine Nebenleistung zur Haupttätigkeit des Arbeitsgebers und damit nach § 5 Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) erlaubt, schlossen sich die Richter in Hamm der Rechtsauffassung der RAK Köln an.
BGH: Keine rechtsberatende Tätigkeit für Kunden - gar keine
Dieser Argumentation hat der BGH nun mit seiner Entscheidung, mit der er den Bescheid der Kölner Kammer aufhob, jede Grundlage entzogen. Nach Ansicht des Anwaltssenats steht der Zulassung § 46 Abs. 5 BRAO entgegen, weil die Juristin auch Kunden ihres Arbeitgebers rechtlich beraten hat. Die Norm beschränkt die Befugnis des Syndikusrechtsanwalts zur Beratung und Vertretung auf Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers.
"Eine Tätigkeit in Rechtsangelegenheiten des Kunden des Arbeitgebers stellt keine Rechtsangelegenheit des Arbeitgebers dar, selbst wenn sich dieser zur Beratung des Kunden verpflichtet hat", schreibt der BGH in Fortsetzung der Senatsrechtsprechung der vergangenen Jahre. So sei, wer bei Kunden des Arbeitsgebers als externer Datenschutzbeauftragter wie zur Beratung auch in sonstigen Rechtsfragen eingesetzt wird, nicht in Rechtsangelegenheiten des Arbeitsgebers tätig.
Diese rechtliche Beratung von Kunden des Arbeitgebers stehe einer Zulassung als Syndikusrechtsanwältin auch dann entgegen, wenn sie nur vereinzelt vorkomme, ihr Arbeitsverhältnis also geprägt ist von anderen, typischen Syndikustätigkeiten. "Jede rechtsberatende Tätigkeit in Rechtsangelegenheiten des Kunden schließt unabhängig von deren Umfang grundsätzlich eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt aus", wird der BGH deutlich.
BGH: Anwaltliche Unabhängigkeit nicht gefährden
Der Senat begründet das mit dem Wortlaut von Abs. 5 des § 46, aber auch der Systematik der gesamten Vorschrift. Anders als andere Voraussetzungen wie die anwaltliche "Prägung" des Arbeitsverhältnisses in Abs. 2, 3 und 4 sei die personenbezogene Definition "für seinen Arbeitgeber" in Abs. 5 eigenständig gestaltet und sehe keine Einschränkung dahingehend vor, dass nur eine Prägung durch arbeitgeberbezogene Rechtsangelegenheiten verlangt werde.
Der Sinn und Zweck der Vorschrift, "eine Gefährdung der anwaltlichen Unabhängigkeit durch das Einwirken fremder wirtschaftlicher Interessen zu verbieten und zum Ausdruck zu bringen, dass am Fremdkapitalverbot des § 59e BRAO festgehalten wird", mache es unmöglich, die dort genannten Ausnahmen zu erweitern. Mit Blick auf diesen Schutzzweck mache es keinen Unterschied, wieviel von der Tätigkeit des Unternehmensjuristen Drittbezug habe, selbst wenn der Kunde dessen Nähe zum Arbeitgeber durch die Bezeichnung "Syndikusanwalt" erkennen könne.
Ausführlich stellt der Senat zudem klar, dass es auch keine Rolle spiele, ob der Arbeitgeber seinerseits nach dem RDG dazu befugt ist, solche Rechtsdienstleistungen zu erbringen. Das belegten die vom BGH als abschließend erachteten Ausnahmetatbestände des § 46 Abs. 5 BRAO, in denen andere Rechtsangelegenheiten zu solchen des Arbeitgebers erklärt werden.
BGH: Nur Nicht-Syndikusrechtsanwälte dürfen Kunden des Arbeitgebers rechtlich beraten
Und der BGH macht klar, dass er sich der Konsequenzen bewusst ist: "Daraus folgt zugleich, dass der Arbeitgeber in den nicht von § 46 Abs. 5 S. 2 BRAO umfassten Fällen seine eigene Rechtsdienstleistung nur durch nicht als Syndikusrechtsanwälte zugelassene Mitarbeiter erfüllen kann."
An diesem Ergebnis ändern aus Sicht des Anwaltssenats die Liberalisierungstendenzen des RDG ebenso wenig wie Berufsausübungsfreiheit der Syndizi oder das Gebot der Gleichbehandlung, die der Senat trotz der Ungleichbehandlung gegenüber niedergelassenen Rechtsanwälten nicht verletzt sieht. Schließlich könnten Unternehmensjuristen ihren Beruf - im Rahmen des RDG - auch ohne die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt ausüben.
"Dass der Syndikusrechtsanwalt in keiner Weise an einer unerlaubten Rechtsberatung mitwirken darf und dafür keine Zulassung erteilt wird, ist richtig und entspricht unserer Auffassung", erklärte Rechtsanwalt Martin W. Huff, der Pressesprecher der Rechtsanwaltskammer Köln, auf Nachfrage der Redaktion zu dem Urteil. "Aber dass es verboten ist, auch nur zu einem sehr geringen Teil an einer erlaubten Rechtsberatung der Kunden des Arbeitgebers mitzuwirken, das ergibt sich unserer Auffassung nach überhaupt nicht aus dem Gesetz und seiner Begründung. Ändern kann dies jetzt wohl nur der Gesetzgeber."
LTO exklusiv: BGH zu Unternehmensjuristen: . In: Legal Tribune Online, 17.07.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42236 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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