Die Anwaltsverbände befanden sich in Alarmbereitschaft: Wegen einer Corona-bedingt angespannten Finanzlage in den Justizhaushalten der Länder drohte eine Verschiebung der RVG-Reform um zwei Jahre. Doch der Bundesrat will das nicht.
Aufatmen bei der Anwaltschaft: Eine Erhöhung der Anwaltsvergütung zum 1.Januar 2021, wie im "Kostenrechtsänderungsgesetz (KostRÄG) 2021" geplant, wird seit diesem Freitag immer wahrscheinlicher. Eine Verschiebung des Vorhabens bis ins Jahr 2023 lehnte der Bundesrat ab. Das Gesetz sieht u.a. eine Erhöhung der gesetzlichen Rechtsanwaltsvergütung sowie der Justizkosten um zehn Prozent vor.
Zuvor hatte der Finanzausschuss der Länderkammer wegen der durch die Corona-Pandemie angespannten Finanzlage für eine Verschiebung plädiert und damit die Anwaltsverbände in helle Aufregung versetzt. Die Finanzer hatten eingewandt, dass die Länder durch die Covid-19-Pandemie sowohl hohe Steuerausfälle als auch enorme Mehrausgaben zur Bekämpfung der Pandemie verkraften müssten. "Vor diesem Hintergrund ist es aktuell nicht vertretbar, für einzelne Berufsgruppen erhebliche Vergütungsverbesserungen herbeizuführen, deren Finanzierung sowohl die Länderhaushalte als auch die Bürgerinnen und Bürger und die Wirtschaft erheblich belasten", hieß es in einer entsprechenden Beschlussvorlage für den Bundesrat.
Doch gefolgt ist die Mehrheit der Länder diesen Bedenken nicht. Es war vor allem Schleswig-Holsteins Justizminister Claus Christian Claussen (CDU), der am Freitag seine Länderkollegen ermahnte, mutig zu sein und der Anwaltschaft trotz angespannter Corona-Zeiten den Rücken zu stärken. "Wir dürfen die Anwälte nicht alleine lassen", sagte Claussen. Zu einem starken Rechtsstaat gehöre auch eine angemessen vergütete Anwaltschaft. Im Falle einer Verschiebung der Reform, so Claussen, drohe außerdem, dass der mühsam gefundene Kompromiss zwischen Ländern und Anwaltsorganisationen wieder in Frage gestellt würde.
Erleichterung bei BRAK und DAV
Dass Claussen am Ende mit seinen Worten auch die meisten anderen Ländervertreter überzeugen konnte, ließ die Anwaltschaft erleichtert aufatmen:
Unisono begrüßten sowohl der Präsident der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK), Ulrich Wessels, als auch die Präsidentin des Deutschen Anwaltvereins (DAV), Edith Kindermann, die heutige Entscheidung im Bundesrat: "Es wäre auch kaum nachvollziehbar, wenn die Pandemie als Begründung für eine erneute Verschiebung herangezogen würde", sagte Wessels. Zwei Umfragen der BRAK hätten schließlich ergeben, dass die Anwaltschaft durch Mandatsrückgänge und offene Honorarforderungen deutlich von der Pandemie betroffen sei. Auch könne von einer angemessenen Berücksichtigung der Anwälte bei den staatlichen Corona-Soforthilfen nicht die Rede sein.
Wessels wies darauf hin, dass die Gebühren zuletzt 2013 angepasst worden seien, "während andere Berufsgruppen ganz selbstverständlich alle ein bis zwei Jahre mit einer Erhöhung rechnen dürfen". Gemeinsam mit dem DAV habe man sich für eine Umsetzung noch in dieser Legislaturperiode eingesetzt. "Wir dürfen nicht übersehen, dass es sich hier um eine nur moderate und dringend notwendige Angleichung an die wirtschaftlichen Entwicklungen geht", so Wessels. Die BRAK erwarte von der Bundesregierung und den Abgeordneten, dass sie dafür Sorge tragen, dass das "KostRÄG 2021" nun, seinem Namen entsprechend, auch im Januar 2021 in Kraft trete.
Das sieht auch der DAV so: "Die Anwaltschaft braucht die Anpassung zum 1. Januar 2021. Sie muss die wirtschaftliche Entwicklung der vergangenen Jahre wenigstens zum Teil nachholen können", sagte Kindermann gegenüber LTO. "Wir sind zuversichtlich, dass die Anpassung nunmehr zum 1. Januar 2021 kommen wird. Die Anwaltschaft gewährleistet auch in Pandemiezeiten den Zugang zum Recht."
Auch Gerichtskosten sollen steigen
Das Gesetz sieht aber nicht nur vor, dass Rechtsanwälte, Sachverständige, Dolmetscher und Übersetzer nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) mehr Geld bekommen - auch die Gerichtskosten erhöhen sich.
Was die betroffenen Berufsgruppen also heute freut, hat für die Verbraucher eine unangenehme Kehrseite: Der Zugang zum Recht wird für sie teurer.
Mit der RVG-Reform wird sich nun als nächstes der Bundestag befassen.
Bundesrat zur RVG-Anpassung: . In: Legal Tribune Online, 06.11.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43348 (abgerufen am: 07.11.2024 )
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